Rz. 347

[Autor/Stand] Im Falle der Verurteilung mehrerer Angeklagter ging der BGH davon aus, dass wenn mehrere Täter gemeinschaftlich etwas erlangt haben, diese im Wege einer gesamtschuldnerischen Haftung in Anspruch genommen werden und dies in der Verfallsanordnung nach altem Recht auch ausdrücklich so auszusprechen war.[2] Andernfalls musste gegen jeden Beteiligten in der Höhe dessen, was er nach Aufteilung der Beute erlangt hat, für verfallen erklärt werden.

 

Rz. 348

[Autor/Stand] Im Falle der gemeinschaftlichen Steuerhinterziehung ist nach neuer Rechtslage gegen jeden Verurteilten/Drittbegünstigten in voller Höhe die Einziehung bzw. die Einziehung von Wertersatz anzuordnen. Die Beteiligten haften als Gesamtschuldner gem. § 421 BGB.[4] Die gesamtschuldnerische Haftung ist also zu tolerieren. Richtet sich das Verfahren indes nur gegen einen von mehreren möglicherweise gesamtschuldnerisch haftenden Einziehungsadressaten, ist die gesamtschuldnerische Haftung nicht im Tenor aufzunehmen.[5] In zivilrechtlicher Hinsicht ist jedoch zu beachten, dass ein Gesamtschuldnerinnenausgleich weiterhin möglich ist. Das Gleiche gilt, wenn Verfahrensbeteiligte vor einer endgültigen Verurteilung abgetrennt werden oder das Verfahren gegen einzelne Verfahrensbeteiligte, etwa nach Opportunitätsvorschriften, eingestellt wird.

 

Beispiel

A, B, C sind wegen gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall angeklagt. A verstirbt im Laufe der Hauptverhandlung. Das Verfahren gegen B wird nach § 153a StPO eingestellt. Gegen C wird im Rahmen der Verurteilung die Einziehung von Wertersatz in voller Höhe ausgesprochen.

 

Rz. 349

[Autor/Stand] Eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Tatbeteiligter kommt in Erstattungsfällen indes nur dann in Betracht, wenn die Tatbeteiligten auch faktische Verfügungsgewalt über den Tatbeitrag erlangt haben. Allein von einer mittäterschaftlichen Begehungsweise kann nicht ohne weiteres auch auf eine Gesamtschuld geschlossen werden.

 

Beispiel

Begehen bspw. A, B und C die Steuerhinterziehung gemeinschaftlich, etwa indem unberechtigt Vorsteuererstattungsansprüche beantragt werden, ist nachzuweisen, dass auch jeder Täter über die erhaltenen Beträge verfügen konnte, etwa mittels Kontovollmachten oder tatsächlicher Verfügungsberechtigungen.

 

Rz. 350

[Autor/Stand] Etwas anderes gilt, falls die Einziehung von Wertersatz im Raum steht. Hier haben die Täter dem Wortlaut nach nichts erlangt, sondern (gemeinschaftlich) Aufwendungen erspart. Diese Konstellation ist daher nicht vergleichbar mit der, dass den Tätern, auch tatsächlich, (individuell) etwas zugeflossen ist, über das sie verfügen konnten und das später entzogen wird.

 

Rz. 351

[Autor/Stand] Für die Frage des Ausschlusses der Einziehung nach § 73e Abs. 1 StGB, § 459g Abs. 4 StPO sollen die zivilrechtlichen Besonderheiten zu beachten sein, wenn mehrere Einziehungsadressaten als Gesamtschuldner haften. Für den Fall, dass nur ein gesamtschuldnerisch haftender Einziehungsadressat mit dem Verletzten, etwa mit dem Fiskus, im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung einen Vergleich erzielt, erlischt der staatliche Einziehungsanspruch nach § 73 Abs. 1 StGB oder § 459g Abs. 4 StPO grundsätzlich nur ihm gegenüber. Denn nach § 423 BGB wirken solche Erlasse nur dann auch für die übrigen Schuldner (Einziehungsadressaten), wenn die Vertragsschließenden das ganze Schuldverhältnis aufheben wollten. Andernfalls kommt der Vergleich nur dem einen Gesamtschuldner zugute. Die anderen Gesamtschuldner haften weiterhin in vollem Umfang. Der staatliche Einziehungsanspruch erlischt ihnen gegenüber nicht.

 

Rz. 352

[Autor/Stand] Auch im Übrigen dürfte darauf zu achten sein, dass wenn mehrere Beteiligte gemeinschaftlich abgeurteilt werden, die Einziehung gegen jeden Tatbeteiligten auch nur für den Schaden und Tatzeitraum angeordnet werden kann, für den er verantwortlich gehandelt hat.

 

Beispiel

A, B, C sind wegen gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung für die Jahre 2010–2015 angeklagt. C ist darüber hinaus angeklagt, Steuern auch im Jahr 2016 hinterzogen zu haben. Im Rahmen der Hauptverhandlung stellt sich heraus, dass A bereits im Jahr 2011 ausgeschieden ist.

Lösung: Gegen A kann nur für das Jahr 2010 die Einziehung von Wertersatz angeordnet werden. Für das Jahr 2016 kann allein gegen C die Einziehung von Wertersatz angeordnet werden.

[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.10.2022
[2] Vgl. GesE der BReg StGB-E 1962, BT-Drucks. IV/650, 245.
[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.10.2022
[4] Vgl. GesE der BReg StGB-E 1962, BT-Drucks. IV/650, 245.
[5] BGH v. 17.5.1990 – III ZR 191/88, BGHZ 111, 277 = VersR 1991, 73.
[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.10.2022
[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.10.2022
[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.10.2022
[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.10.2022

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