Strafrechtliche Vermögensabschöpfung

Die Erfahrungen mit dem am 1.7.2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Neugestaltung des Rechts der Vermögensabschöpfung sind knapp vier Jahre später deutlich positiv. Insbesondere im Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität und das organisierte Verbrechen, erweist sich die Vermögenseinziehung als ein effektives Mittel.

Vermögensabschöpfung: Definition und neue Begrifflichkeiten 

Unter Vermögensabschöpfung versteht man die Einziehung des Gewinns, der durch Straftaten erzielt worden ist. Die gesetzliche Grundlage hierfür findet sich in den §§ 73 bis 76b des Strafgesetzbuches, welche systematisch aufeinander aufbauen. Mit der Einführung des neuen Gesetzes wurde die Terminologie im Vermögensabschöpfungsrecht angepasst. Nach alter Rechtslage unterschieden die strafrechtlichen Vorschriften zwischen „Einziehung“ und „Verfall“. Verfall war die Abschöpfung dessen, was ein Straftäter aus einer rechtswidrigen Tat erlangt hat. Einziehung hingegen bezog sich auf Tatwerkzeuge und die durch die Tat hervorgebrachten Gegenstände. Mit der Reform gibt der Gesetzgeber die Unterschiede auf und schafft das einheitliche Rechtsinstitut der „Einziehung“. Die Grundnorm der neuen Einziehungsvorschriften bildet § 73 Abs. 1 StGB, wonach die Gerichte eine Einziehung bei einem Tatbeteiligten anordnen, der etwas durch oder für eine rechtswidrige Tat erlangt hat. Bei der Voraussetzung „etwas erlangt“ handelt es sich in der Praxis um jeden wirtschaftlich wertvollen Vermögensvorteil, z.B. Geldbeträge oder auch verbesserte Marktpositionen.

Neuregelungen zur Vermögensabschöpfung im Strafverfahren im Überblick 

Durch die Reform wurde 2017 nicht nur ein einheitliches Rechtsinstitut geschaffen, sondern es wurden insbesondere Neuregelungen für eine effektive Vermögensabschöpfung eingeführt. Für Behörden ist dadurch die Vermögensabschöpfung einfacher geworden, ohne dass dabei die Rechte der Betroffenen verletzt würden. Doch die Reform soll nicht nur die Vermögenabschöpfung erleichtern, sondern in erster Linie die Kriminalitätsrate senken und Opfer schützen. 

Erweiterte Einziehung 

Die Vorschrift zur „erweiterten Einziehung“ wurde durch die Reform sachlich erweitert. Die erweiterte Einziehung nach § 73a Abs. 1 StGB umfasst die Vermögenseinziehung in Fällen, bei denen eine rechtswidrige Tat nicht konkret nachgewiesen werden kann, aber höchst wahrscheinlich vorliegt. Das bedeutet, dass bei einem Tatbeteiligten Vermögenswerte aufgefunden werden müssen, die er sehr wahrscheinlich aus einer strafbaren Handlung erlangt hat, ohne dass die Herkunft konkret feststellbar ist. Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift ist jedoch, dass der Täter eine andere nachweisbare rechtswidrige Tat begangen hat. Das bedeutet, dass die Vermögenswerte mit unklarer Herkunft im Rahmen einer anderen Straftat aufgefunden werden müssen. Bisher musste es sich bei der anderen Tat um eine der sogenannten „Katalogstraftaten“ handeln, zu denen insbesondere Bandendelikte und die Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen zählen. Die neue Vorschrift gilt ohne Einschränkung für alle rechtswidrigen Taten, solange das Gericht von der deliktischen Herkunft des Vermögensgegenstandes überzeugt ist.

Selbstständige Einziehung  

Das Gericht kann gemäß § 76a StGB die Einziehung des Taterlangten nun selbstständig anordnen, wenn das subjektive Verfahren gegen den Täter aufgrund von Verfolgungs- oder Verurteilungshindernissen nicht durchgeführt werden kann. Nunmehr ist die Vermögenseinziehung auch dann möglich, wenn bei der zugrunde liegenden Straftat bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Diese Neuregelung hat innerhalb der Rechtsprechung bereits zu großen Unstimmigkeiten geführt. In Artikel 316h des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch ist eine besondere Erweiterung geregelt: Die selbstständige Einziehung kann auch auf Straftaten angewendet werden, die vor dem 1.7.2017 begangen wurden. Der Bundesgerichtshof sah in dieser Regelung bereits einen Verstoß gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot und damit eine Unvereinbarkeit mit dem deutschen Grundgesetz. Dieses Verbot besagt, dass zu einem späteren Zeitpunkt erlassene Gesetze nicht auf einen früher stattgefundenen Sachverhalt angewendet werden dürfen. Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr am 10.2.2021 (2 BvL 8/19) entschieden, dass die Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist und weiterhin bestehen bleibt. Bei der Vermögensabschöpfung handelt es sich nicht um eine Nebenstrafe, sondern um die Beseitigung eines verbliebenen Vorteils für den Täter.

Vermögenseinziehung: Wertersatz

Die Regelung des § 73c StGB konkretisiert die Vermögenseinziehung dahingehend, dass die Gerichte auch die Einziehung von Wertersatz anordnen können, wenn das originär Erlangte nicht (mehr) eingezogen werden kann. Diese Vorschrift ist in der Praxis von großer Bedeutung, da bei den meisten Straftaten der ursprünglich erlangte Vermögensvorteil zum Zeitpunkt der Einziehung nicht mehr vorhanden ist. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das Diebesgut eines Täters, welches nach Erlangung weiterverkauft oder abgesetzt wird. In diesem Fall ist zum Zeitpunkt der Einziehung das originär erlangte Diebesgut nicht mehr vorhanden, sodass die Einziehung des Erlöses als Wertersatz angeordnet werden kann.

Einziehung bei Drittbegünstigten 

Die Einziehung kann gemäß § 73b StGB auch bei „Anderen“ erfolgen. Unter den Begriff „Andere“ fallen all diejenigen, die durch die Tat bereichert wurden, jedoch weder Täter noch Teilnehmer sind. Im Strafgesetzbuch werden drei Fallkonstellationen geregelt:  

  1. Vertretungsfall 
    Bei dem „Vertretungsfall“ erhält der Dritte durch die Handlung des Täters einen Vorteil. Ein klassisches Beispiel für einen Vertretungsfall ist das Vorenthalten von Arbeitsentgelt: Der Geschäftsführer einer GmbH meldet seine Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß bei der Sozialversicherung an. Durch diese Handlung erhält die Firma einen finanziellen Vorteil aufgrund der Ersparnis an Sozialversicherungsbeiträgen.  

  2. Verschiebungsfall 
    In diesem Fall „verschiebt“ der Täter das zunächst für sich selbst Erlangte auf einen Dritten. Die Verschiebung kann dabei auf drei Arten erfolgen: unentgeltlich (durch eine Schenkung), ohne Rechtsgrund (Verkauf an einen Hehler) oder entgeltlich (Kaufvertrag mit einem Dritten).  

  3. Erbfall 
    Als letzte Möglichkeit besteht der „Erbfall“. Der Tatertrag wird nach dem Tod des Täters an einen Dritten vererbt.  

Stärkung der Opferentschädigung 

Geschädigte müssen Ansprüche gegen Täter nicht mehr zwingend zivilrechtlich geltend machen und einen Vollstreckungstitel erwirken. Sind Vermögensgegenstände aus einer Tat noch vorhanden, werden diese eingezogen und nach Rechtskraft des Urteils an die Tatgeschädigten zurückübertragen. Kann das originär Erlangte wegen seiner Beschaffenheit oder aus anderen Gründen nicht mehr eingezogen werden, wird der Wert des Erlangten eingezogen. Die Regelung der Wertersatzeinziehung hat in der Praxis insbesondere für die Opferentschädigung eine große Bedeutung, da in vielen Fällen das ursprünglich Erlangte bereits nicht mehr auffindbar ist.

Bestimmung des erlangten Etwas – das „Bruttoprinzip“ 

Nach der Reform gilt weiterhin das sogenannte „Bruttoprinzip“. Der Gesetzgeber hat jedoch präzisiert, wie die Festlegung des durch die Straftat „Erlangten“ erfolgt. Die Konkretisierung ist von großer Bedeutung, da das Bruttoprinzip in der Vergangenheit vor allem innerhalb der Rechtsprechung umstritten war. Die Bestimmung des Erlangten erfolgt nunmehr durch eine zweistufige Prüfung. In einem ersten Schritt wird das Erlangte rein gegenständlich betrachtet. Abzuschöpfen sind demnach sämtliche wirtschaftliche Vorteile, die der Täter durch die Begehung der Straftat erlangt hat. Erst im zweiten Schritt wird dann das „Abzugsverbot“ berücksichtigt. Das Verbot erstreckt sich auf das, was der Täter bewusst für die Vorbereitung oder Begehung der Tat eingesetzt hat. Damit wird der Rechtsgedanke verfolgt, wonach das, was in Verbotenes investiert wurde, unwiderruflich verloren sein soll. 

Unterschiedliche Auswirkungen der Reform der Vermögensabschöpfung 

Nach zwei Jahren waren die Auswirkungen der Reform zunächst gespalten. In Berlin wurde Geld aus Verbrechen noch nicht wirksam abgeschöpft. Laut Justizverwaltung ist bei vielen Betroffenen einfach nichts zu holen und vollstreckt werden könne auch nicht, wenn Rechtsmittel eingelegt seien. Das wohl größte Problem sieht die Justizverwaltung hier jedoch intern. Bei den Neuregelungen handle es sich um ein neues Konzept, sodass viele Rechtspfleger noch nicht sicher im Umgang mit den neuen Vorschriften seien. In Hamburg hingegen ist die Bilanz gänzlich positiv: Bereits nach knapp einem Jahr wurden 316 Einziehungsentscheidungen getroffen, davon 108 vollstreckt und insgesamt 4,3 Millionen Euro der Staatskasse zugeführt.

Nach mehr als vier Jahren ist die Bilanz deutlich positiv. Die Gerichte ordnen bundesweit mehr Einziehungen an als noch vor zwei Jahren.

Mittlerweile sind die Behörden intern mit den Neuregelungen vertraut und besser aufgestellt, um die Vermögenseinziehung in der Praxis effektiv durchsetzen zu können. Auch innerhalb der Rechtsprechung ist vermehrt zu beobachten, dass sich Gerichte für die Regelungen der Vermögensabschöpfung aussprechen und diese stetig konkretisieren. Insbesondere die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Anwendbarkeit der Regelungen auf bereits verjährte Straftaten ermöglicht einen erfolgreichen Kampf gegen Wirtschaftskriminalität und das organisierte Verbrechen.

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