Rz. 1034

[Autor/Stand] Die EEA ist in ihrem Anwendungsbereich weder auf erhebliche Straftaten noch auf bestimmte Delikte bzw. Deliktsgruppen beschränkt (vgl. aber nun § 91b Abs. 1 IRG wonach die Leistung von Rechtshilfe nicht zulässig sein soll, wenn sie im Gesetz besonders bezeichnete Straftaten oder Straftaten von einer bestimmten Erheblichkeit voraussetzt und die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat diese Voraussetzung auch bei ggf. sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts nicht erfüllt). Nach § 91j Abs. 3 IRG erfolgt die entsprechende Bestätigung, nachdem die Staatsanwaltschaft oder das zuständige Gericht festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für den Erlass des Ersuchens vorliegen (Validierung), insb. jedoch, dass das Ersuchen im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht und die in dem Ersuchen angegebene Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unter denselben Bedingungen angeordnet werden könnte. Der Gesetzgeber geht insoweit über die Regelungen in der EEA hinaus, auch was die Begründungspflicht für Bewilligungsentscheidungen nach § 91i Abs. 3 und § 91f Abs. 3 IRG betrifft[2]. Der Gesetzgeber sieht die Begründungspflicht für Bewilligungsentscheidungen nach §§ 91e und 91f IRG nicht als europarechtlich veranlasst, sondern vielmehr als Folge der Entscheidung, dass die Zurückweisungsgründe der EEA nicht sämtlich als zwingendes Zulässigkeitskriterium, sondern im Interesse u.a. einer effektiven Strafverfolgung auch als fakultatives Bewilligungshindernis umzusetzen sind. Daraus leitet der Gesetzgeber das Verständnis her, dass auch die Bewilligungsentscheidungen gerichtlich überprüfbar sein müssen[3].

 

Rz. 1035

[Autor/Stand] Die Unverhältnismäßigkeit der angeordneten Ermittlungsmaßnahme wird indes in Art. 11 RL EEA nicht ausdrücklich als Ablehnungsgrund erwähnt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit soll jedoch von der Vollstreckungsbehörde zu beachten sein[5]. Beispielsweise kann die Vollstreckungsbehörde die Anordnungsbehörde konsultieren, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die angeordnete Maßnahme nicht erforderlich oder unverhältnismäßig ist (Art. 6 Abs. 3 Satz 1 RL EEA). Eine solche einseitige Prüfung zur Wahrung verfassungsrechtlicher Prinzipien ist nach Ahlbrecht aber bereits deswegen nicht ausreichend, weil es bislang an einem EU-einheitlichen Verständnis des Begriffs der Verhältnismäßigkeit fehlt[6].

 

Rz. 1036

[Autor/Stand] Entsprechende Grenzen zu Leistung von Rechtshilfe ergeben sich auch aus § 91b Abs. 3 i.V.m. § 73 Satz 2 IRG wonach die Leistung nicht zulässig ist, wenn berechtigte Gründe für die Annahme bestehen, dass die Erledigung des Ersuchens mit den Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 6 des Vertrages über die EU und der Charta der Grundrechte der EU unvereinbar wäre.

 

Rz. 1037

[Autor/Stand] Indes spricht die Regelung des Art. 10 Abs. 3 RL EEA für eine grundsätzliche Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und zumindest für eine eingeschränkte Prüfungskompetenz des Vollstreckungsstaates. Denn die Vollstreckungsbehörde kann eigenmächtig auf eine andere als in der EEA angegebene Maßnahme zurückgreifen, wenn diese mit weniger einschneidenden Mitteln das gleiche Ergebnis erreicht[9]. Die Vollstreckungsbehörde kann auch dann auf eine andere als die in der EEA angegebene Ermittlungsmaßnahme zurückgreifen, wenn die von der Vollstreckungsbehörde gewählte Ermittlungsmaßnahme mit weniger einschneidenden Mitteln das gleiche Ergebnis wie die in der EEA angegebene Ermittlungsmaßnahme erreichen würde. Insofern beinhaltet die EEA erstmals ausdrücklich Erwägungen zur Zweckmäßigkeit und zur Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. In diesem Fall besteht indes eine Unterrichtungspflicht gegenüber der Anordnungsbehörde (Art. 10 Abs. 4 RL EEA). Damit wird der z.T. erhobenen Kritik Rechnung getragen, wie sie insb. aus den Erfahrungen mit dem Europäischen Haftbefehl resultiert[10]. In jedem Fall ist einer ausufernden Anwendung im Bereich von Bagatellstraftaten entgegenzuwirken.

 

Rz. 1038

[Autor/Stand] Indes liegt der EEA prinzipiell der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zugrunde, so dass sich grds. eine Pflicht zur Vollstreckung ergibt. Die EEA normiert nur für bestimmte Fälle ausdrücklich einen Versagungsgrund, nämlich dann, wenn die der Ermittlungsanordnung zugrunde liegende Handlung nach dem Recht des Vollstreckungsstaates keine Straftat darstellt (Art. 11 RL EEA).

 

Rz. 1039

[Autor/Stand] Eine vollständige Neuerung gegenüber bisherigen Ermittlungsinstrumenten und eine wirkliche Verbesserung der Rechtshilfe beinhaltet Art. 10 RL EEA/§ 91f IRG (Rückgriff auf eine Ermittlungsmaßnahme anderer Art). Die Vollstreckungsbehörde greift danach, "wann immer möglich", auf eine nicht in der EEA vorgesehene Ermittlungsmaßnahme zurück, wenn

  • die in der EEA angegebene Ermittlungsmaßnahme nach dem Recht des Vollstreckungsstaats nicht besteht oder
  • die in der EEA angegebene Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zur Verfügung stehen würde.
  • eine wen...

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