Rz. 1173

[Autor/Stand] Als Alternative zur Untersuchungshaft enthält der Rahmenbeschluss über eine Europäische Überwachungsanordnung[2] Regelungen, wonach ein Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat erlassene Entscheidung über die Überwachungsmaßnahme anerkennt, die einer natürlichen Person auferlegten Überwachungsmaßnahme überwacht und die betroffene Person bei Verstößen gegen diese Maßnahmen dem Anordnungsstaat wieder übergibt. Ziel der Europäischen Überwachungsanordnung ist es, zu verhindern, dass vorschnell der Haftgrund der Fluchtgefahr angenommen wird und Ausländer in europäischen Mitgliedstaaten vorschnell Untersuchungshaft genommen werden. Ein gesetzlicher, individueller Anspruch darauf, dass freizeitsentziehende Maßnahmen durch eine Europäische Überwachungsanordnung substituiert werden, besteht nicht. Indes müssen die Gerichte der Mitgliedstaaten aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten prüfen, warum ein angenommener Haftgrund nicht durch Erlass einer Europäischen Überwachungsanordnung beseitigt werden kann. Es soll der Gefahr entgegengewirkt werden, dass Gebietsfremde eher in Untersuchungshaft genommen werden als Gebietsansässige.

 

Rz. 1174

[Autor/Stand] Die deutsche Umsetzung findet sich in §§ 90o–90z IRG[4]. Dort sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen, die beizufügenden Unterlagen, etwaige Bewilligungshindernisse und das Verfahren um die vorläufige Bewilligungsentscheidung normiert.

 

Rz. 1175

[Autor/Stand] Die praktische Relevanz der Vorschriften ist indes derzeit gering. Anders als in der Europäischen Ermittlungsanordnung sind auch keine ausdrücklichen Rechtsmittel normiert. Der Betroffene kann allein die gerichtliche Entscheidung beantragen, sofern die zuständige Staatsanwaltschaft Übernahme der Überwachung nicht bewilligt. Gegen diesen Beschluss des AG kann sofortige Beschwerde eingelegt werden (§ 91u Abs. 5 IRG).

 

Rz. 1176

[Autor/Stand] Besteht gegen den im Ausland wohnhaften Mandanten ein nationaler Haftbefehl, bietet es sich an, im Rahmen der Verkündung oder im Rahmen eines Haftprüfungstermins die Möglichkeit einer Europäischen Überwachungsanordnung in Betracht zu ziehen. Zu bemängeln ist indes, dass vielfach die Voraussetzungen in praktischer Hinsicht bei den zuständigen Richtern unbekannt sind.

[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.05.2020
[2] Rahmenbeschluss 2009/829/JI des Rates vom 23.10.2009 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen über Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft, ABl. EU Nr. L 294 v. 11.11.2009, 20; Morgenstern, Die Europäische Überwachungsanordnung, ZIS 2014, 216; http://www.brak.de/zur-rechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2006/november/stellungnahme-der-brak-2006-38.pdf.
[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.05.2020
[4] Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen v. 16.7.2015, BGBl. I 2015, 1197.
[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.05.2020
[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.05.2020

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