Rz. 455

[Autor/Stand] Umstritten und auch nach der Reform weiterhin nicht befriedigend gelöst ist das grundsätzliche Verhältnis von steuerlichem und strafprozessualem Arrest[2]. Das Verhältnis zwischen strafprozessualem und abgabenrechtlichem dinglichen Arrest ist bislang gesetzlich nur unzureichend geregelt. Den konstruktiven Unterschieden wird in keinster Weise Rechnung getragen, auch wenn § 111e Abs. 6 StPO nunmehr die Gleichrangigkeit anordnet.[3]

 

Rz. 456

[Autor/Stand] Beim dinglichen Arrest nach den Vorschriften der AO sichert die Finanzbehörde als Gläubigerin zu eigenen Gunsten. Beim strafprozessualen dinglichen Arrest tritt die Steuergläubigerin Finanzbehörde formell als Verletzte auf, zu deren Gunsten durch den Justizfiskus (Gericht oder Staatsanwaltschaft) Vermögenswerte gesichert werden. Führt die Finanzbehörde das strafrechtliche Ermittlungsverfahren indes selbständig durch, nimmt die StraBu die staatsanwaltschaftliche Funktion wahr.

 

Rz. 457

[Autor/Stand] Aus dem strafprozessualen Arrest ergibt sich auch weiterhin keine unmittelbare Befriedigung des geschädigten Finanzfiskus. Erforderlich ist auch nach der Reform eine Überleitung in das abgabenrechtliche Vollstreckungsverfahren. Die Vollziehung einer Arrestanordnung nach § 324 AO bleibt unberührt, soweit der Arrestanspruch aus der Straftat erwachsen ist. Das Veranlagungsfinanzamt muss dazu anlässlich der Mitteilung durch den Justizfiskus einen vollstreckbaren Bescheid oder einen Arrest nach der AO erlassen. Nach der Überleitung auf die Gläubigerin wird der strafprozessuale Arrest aufgehoben. Besteht bereits ein Arrest nach § 324 AO, ist ein strafprozessualer Arrest m.E. nicht mehr zulässig. Ein Sicherungsbedürfnis besteht in diesem Fall nicht mehr. Beim abgabenrechtlichen Arrest kommt es zur Befriedigung der Geschädigten, indem der Steueranspruch gem. § 327 AO in die Sicherheit hineinwächst, sofern die Vollstreckungsvoraussetzungen gem. § 254 Abs. 1 AO vorliegen.

 

Rz. 458

[Autor/Stand] Es ist auch weiterhin ungeachtet der Regelung des § 111e Abs. 6 StPO streitig, ob und inwiefern im Steuerstrafverfahren neben dem abgabenrechtlichen auch der strafprozessuale Arrest anwendbar ist oder ob dem dinglichen Arrest nach § 324 AO nicht doch der Vorrang gegenüber dem strafprozessualen Arrest einzuräumen ist und Letzterer im Steuerstrafverfahren nicht vorrangig einschlägig ist[7]. Der Gesetzesbegründung, die pauschal und ohne nähere Begründung von einer Gleichrangigkeit ausgeht[8], kann nicht gefolgt werden, da die systematischen Unterschiede nicht berücksichtigt werden.

Die Ansicht, dass in Steuerstrafverfahren aufgrund der Möglichkeit eines abgabenrechtlichen Arrestes der strafprozessuale dingliche Arrest ganz oder zumindest teilweise ausgeschlossen sei, liegt darin begründet, dass das Finanzamt die gegenüber anderen Geschädigten effektivere Möglichkeit hat, selbst eine steuerliche Arrestanordnung nach § 324 AO zu erlassen. Wird davon kein Gebrauch gemacht, besteht für einen strafprozessualen Arrest kein Bedürfnis. Dies ist im Wesentlichen damit zu begründen, dass in einem solchen Fall kein Rechtsschutzbedürfnis des Fiskus gegeben ist, denn es besteht keine Notwendigkeit, die Ansprüche des Steuerfiskus durch strafprozessuale Maßnahmen zu sichern[9]. Das Nebeneinander von strafrechtlichem und steuerlichem Arrest wurde im Rahmen der Reform der Vermögensabschöpfung nicht diskutiert[10].

Nach überwiegender Ansicht und nunmehr auch nach dem Gesetzeswortlaut verdrängt der steuerliche Arrest gem. § 324 AO den strafprozessualen Arrest aber auch nicht[11]. Die Anordnung eines strafprozessualen Arrestes ist in der Praxis dann die effektivere und schnellere Möglichkeit, auf Vermögen des Täters zuzugreifen. Während § 324 AO an vergleichsweise enge formale Voraussetzungen geknüpft ist, kann im Wege des strafprozessualen Arrestes verhältnismäßig einfach eine vorläufige Sicherung betrieben werden. Bestätigt wird dieses Ergebnis auch durch die unterschiedlichen Zielrichtungen des abgabenrechtlichen und des strafprozessualen dinglichen Arrestes. Der strafprozessuale Arrest bezweckt, dem Täter das rechtswidrig erlangte Vermögen zu entziehen, unabhängig davon, ob der Geschädigte (s)einen Ersatzanspruch geltend macht.

Steuerlicher und strafprozessualer Arrest stehen somit grds. nebeneinander. Gleichwohl kann die Möglichkeit des Fiskus zur Selbsthilfe im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung von Bedeutung sein, wenn die Finanzbehörde trotz Erlasses von Steuerbescheiden keine Sicherungsmaßnahmen ergreift[12].

 

Rz. 459

[Autor/Stand] Wenn steuerlicher und strafrechtlicher Arrest auch ähnlich ausgestaltet sind, ergeben sich aber erhebliche praktische Unterschiede dadurch, dass der steuerliche Arrest nur unter strengen formalen Voraussetzungen vom zuständigen Finanzamt angeordnet werden kann. Demgegenüber ist über den durch die Strafverfolgungsbehörden anzuordnenden strafrechtlichen Arrest regelmäßig ein schnellerer Zugriff auf Vermögensgegenstände des beschuldigten Stpfl. möglich.

 

Rz. 46...

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