Rz. 597

[Autor/Stand] Der Haftbefehl ist gem. § 114 StPO zu begründen. Die Begründungspflicht dient dabei nicht nur der Selbstkontrolle des Gerichts und der Ermöglichung der Prüfung der Voraussetzungen der Untersuchungshaft durch das Beschwerdegericht, sondern vor allem auch der verlässlichen Unterrichtung des Beschuldigten.[2] Die Pflicht gilt insbesondere für den Begriff des dringenden Tatverdachts, welcher mit Tatsachen begründet werden muss, aus denen die Annahme der großen Wahrscheinlichkeit der Verurteilung des Beschuldigten folgt. Hierzu gehören auch eine nachvollziehbare Darstellung des Steueranspruchs als Voraussetzung für eine Steuerhinterziehung und eine nachvollziehbare Darstellung des Steuerschadens, da dieser in der Regel ausschlaggebend für die Annahme der Fluchtgefahr und von besonderer Relevanz im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist.[3]

 

Rz. 598

[Autor/Stand] In formeller Hinsicht muss aus der Haftanordnung deutlich werden, dass der Richter eine eigenständige Prüfung im o.g. Sinn durchgeführt hat[5]. Es muss erkennbar sein, dass sich der anordnende Richter aufgrund einer eigenverantwortlichen Prüfung davon überzeugt hat, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist[6]. Es muss feststellbar sein, dass der Richter eine sorgfältige Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen und eine umfassende Abwägung zur Feststellung der Angemessenheit des Eingriffs im konkreten Fall selbst vorgenommen hat.[7]

 

Rz. 599

[Autor/Stand] Folgende Formulierung ist beispielsweise unzureichend, weil inhaltsleer:

"Er ist dieser Tat dringend verdächtig aufgrund der Feststellungen am Tatort sowie des weiteren polizeilichen Ermittlungsergebnisses."

 

Rz. 600

[Autor/Stand] Schätzungen der Finanzbehörde dürfen nicht ungeprüft übernommen werden. Auch die Übernahme von Vermutungen genügt nicht.[10] Es muss im Haftbefehl vielmehr nachvollziehbar dargelegt sein, dass und warum der Ermittlungsrichter sich von der Richtigkeit des Ergebnisses im Rahmen der Grundsätze strafprozessualer Ermittlungen überzeugt hat,[11] wenngleich nicht die Anforderungen wie an eine Darstellung im Urteil gelten können.

 

Rz. 601

[Autor/Stand] Es liefe den gesetzlichen Prämissen zuwider, etwa aus geschätzten Mehreinnahmen auf eine entsprechende Steuerverkürzung zu schließen, mit der zu erwartenden hohen Sanktion ohne weiteres Fluchtgefahr zu begründen und womöglich eine entsprechend hohe Kaution festzusetzen. Insbesondere die gesetzlich normierte Voraussetzung des dringenden Tatverdachts bedingt eine umso sorgfältigere Prüfung einer stets mit Unsicherheiten behafteten Schätzung. Die bloße pauschale Bezugnahme auf die "polizeilichen Erkenntnisse" oder die Anregung der Steuerfahndung zur Beantragung der Untersuchungshaft reichen für die Begründung eines dringenden Tatverdachts keinesfalls aus.[13] Gegen das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts und gegen einen entsprechenden Steueranspruch kann etwa sprechen, dass die Finanzbehörde trotz Kenntnis aller Umstände keinen Arrest nach § 324 AO anordnet.[14] Auch aus der bloßen Verletzung von Mitwirkungspflichten im Übrigen können in strafrechtlicher Hinsicht für sich genommen keine nachteiligen Schlüsse zu Lasten des Beschuldigten gezogen werden. Andernfalls würde das Selbstbelastungsverbot umgangen.

[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.10.2022
[2] Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt65, § 114 StPO Rz. 4 ff.; OLG Karlsruhe v. 6.4.2001 – 3 Ws 31/01, StV 2002, 147; OLG Hamm v. 5.8.2002 – 2 Ws 335/02, NStZ-RR 2002, 335; OLG Brandenburg v. 8.1.1997 – 2 Ws 329/96, StV 1997, 140.
[3] Zum Schaden vgl. OLG Brandenburg v. 8.1.1997 – 2 Ws 329/96, StV 1997, 140.
[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.10.2022
[5] BVerfG v. 18.2.2002 – 2 BvR 863/01, StV 2002, 406 zur Anordnung einer Durchsuchung.
[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.10.2022
[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.10.2022
[10] OLG Frankfurt v. 18.8.1992 – 1 Ws 144/92, StV 1992, 583.
[11] Rüping, wistra 2000, 11 (12) unter Verweis auf BGH v. 4.5.1990 – 3 StR 72/90, MDR 1990, 1067 = NStZ 1990, 496 = wistra 1991, 27.
[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.10.2022
[13] OLG Oldenburg v. 26.11.2007 – 1 Ws 554/07, wistra 2008, 119.
[14] OLG Oldenburg v. 26.11.2007 – 1 Ws 554/07, wistra 2008, 119.

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