Rz. 125

[Autor/Stand] Bedenkliche Konfliktsituationen ergeben sich nach jüngster BGH-Rspr. auch dann, wenn der Stpfl. zunächst mit bedingtem Vorsatz unrichtige Angaben in einer Steuererklärung gemacht hat und später sichere Kenntnis davon erlangt, dass sie unrichtig sind. Der 1. Senat[2] meint, in dieser Situation sei der Stpfl. gem. § 153 Abs. 1 AO zur Anzeige seiner bereits begangenen Steuerhinterziehung verpflichtet, ein Unterlassen der Berichtigung erfülle den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Einen unzumutbaren Zwang zur Selbstbelastung sieht der BGH wegen der Möglichkeit zur Selbstanzeige gem. § 371 AO nicht. Soweit die Strafbefreiung wegen eines Sperrgrundes aus § 371 Abs. 2 AO ausgeschlossen sei, greife ein Beweismittelverwertungs- oder Verwendungsverbot[3]. Nur ausnahmsweise, wenn dem Täter hinsichtlich der vorangegangenen Falscherklärung die Einleitung des Steuerstrafverfahrens bekannt gegeben worden sei, entfalle die Anzeigepflicht[4]. Sei die Selbstanzeige nicht möglich, weil der Stpfl. die Nachzahlung gem. § 371 Abs. 3 AO nicht leisten könne, scheide die Suspendierung aber dann nicht aus, wenn er im Zeitpunkt der ersten Tat noch dazu in der Lage gewesen sei. Das gebiete der Gleichbehandlungsgrundsatz mit ehrlichen Steuerzahlern.

 

Rz. 126

[Autor/Stand] Gegen die Strafbarkeit wegen einer unterlassenen Berichtigungserklärung ist aber gerade unter dem Gesichtspunkt des Nemo-tenetur-Grundsatzes einzuwenden, dass der Stpfl. durch die Berichtigungspflicht gezwungen wird, sich selbst der FinB wegen einer Straftat "ans Messer zu liefern". Damit trägt er unfreiwillig zu seiner eigenen Verurteilung bei. Zudem wird faktisch die Strafverfolgungsverjährung bei Steuerhinterziehung abgeschafft (krit. zu dieser BGH-Entscheidung s. auch § 370 Rz. 337).

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2018
[2] BGH v. 17.3.2009 – 1 StR 479/08, BGHSt 53, 210 – in casu ging es um Umsatzsteuerhinterziehung.
[3] So der BGH v. 17.3.2009 unter Verweis auf BVerfG v. 13.1.1991 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37; BGH v. 12.1.2005 – 5 StR 191/04, wistra 2005, 148.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2018

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