a) "In einem Strafverfahren"

 

Rz. 211

[Autor/Stand] Die vom Stpfl. offenbarten Tatsachen oder Beweismittel müssen "in einem Strafverfahren" bekannt werden. Gemeint ist das Strafverfahren gegen diesen Stpfl. (s. nachst. Rz. 215). Gelangen sie der StA oder dem Gericht in einem anderen Verfahren, z.B. in einem Zivilprozess, zur Kenntnis, greift das Verwertungsverbot des Abs. 2 nicht ein[2].

 

Rz. 212

[Autor/Stand] Entsprechendes gilt für das Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit (§§ 409, 410 Abs. 1 Nr. 4 AO).

b) "Aus den Steuerakten"

 

Rz. 213

[Autor/Stand] Steuerakten sind nach überwiegender Ansicht[5] nur die Akten der FinB über das Besteuerungsverfahren (einschließlich des Rechtsbehelfsverfahrens und Außenprüfungsvorgängen) und die Prozessakten der FG. Nach BGH[6] ist eine Ausdehnung des § 393 Abs. 2 AO über Steuerakten hinaus auf Unterlagen eines Stpfl., die diesem auch zur Erfüllung steuerlicher Offenbarungspflichten zu dienen geeignet sind, vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt und vom Normziel gebotener angemessener Wahrung des Steuergeheimnisses nicht gefordert. Dadurch würden "unerträgliche Verfolgungsfreiräume im Bereich von Wirtschaftsstraftaten begründet".

 

Rz. 214

[Autor/Stand] Zwar gelten Steuerstrafakten nicht als Steuerakten; nach der Schutzrichtung des § 393 Abs. 2 AO gilt das Verwendungsverbot aber auch für Kopien von Teilen der Steuerakten, die sich in den Steuerstrafakten (oder Bußgeldakten), die von der FinB in ihrer Eigenschaft als Verfolgungsbehörde geführt werden, befinden[8]. Für die Anwendbarkeit des Verwendungsverbotes kommt es daher weniger auf das Objekt der Kenntniserlangung an, sondern vielmehr darauf, ob das Wissen der StA oder des Gerichts auf die Niederlegung der Tatsachen oder Beweismittel in der Steuerakte zurückzuführen ist und dadurch verursacht worden ist.

 

Rz. 215

[Autor/Stand] Umstritten ist insbesondere, ob das Verwendungsverbot des § 393 Abs. 2 Satz 1 AO allein auf Tatsachen oder Beweismittel bezogen ist, die in einem gegen den Stpfl. gerichteten Steuerstrafverfahren zur Kenntnis der StA oder des Gerichts gekommen sind[10]. Eine Ansicht stützt sich darauf, dass ausdrücklich von "den Steuerakten" die Rede sei und diese dürften nach § 30 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b AO nur in einem Steuerstrafverfahren vorgelegt werden[11]. Eine derart einschränkende Lesart der Norm des § 393 Abs. 2 Satz 1 AO vermag aber schon im Zusammenhang mit § 393 Abs. 2 Satz 2 AO nicht zu überzeugen und ist abzulehnen, weil es nicht auf den Weg der Information, sondern allein auf deren Ursprung ankommt[12].

Das Verwendungsverbot des § 393 Abs. 2 Satz 1 AO greift vielmehr auch ein, wenn die StA oder das Gericht die Kenntnisse in einem Strafverfahren wegen eines Allgemeindelikts erlangt hat (so auch das OLG Stuttgart im nachst. Beispiel, s. auch Rz. 211).

 

Beispiel

nach OLG Stuttgart[13]: Das AG hatte den Angeklagten wegen falscher Angaben gem. § 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG verurteilt. Die inkriminierten Angaben beruhten auf der Verlesung einer Mitteilung des FA an das Registergericht des AG, wonach laut den eingereichten und genehmigten Bilanzen für mehrere Jahre die Mindesteinlagen nicht einbezahlt wurden.

Die Revision hatte auch bzgl. der Verfahrensrüge Erfolg. Das OLG Stuttgart hielt die Verwertung der Mitteilung des FA an das Registergericht wegen Verstoßes gegen § 393 Abs. 2 Satz 1 AO für ausgeschlossen. Entscheidend für die Anwendung der Vorschrift sei, ob Quelle der Tatsachen oder Beweismittel die Steuerakten seien, nicht dagegen, auf welchem Wege sie der StA oder dem Gericht bekannt geworden sind. Eine Auslegung der Vorschrift dahin gehend, dass nur durch unmittelbare Einsichtnahme in die Steuerakte selbst bekannt gewordene Tatsachen oder Beweismittel nicht verwertet werden dürften, werde dem Schutzcharakter des § 393 Abs. 2 Satz 1 AO und Sinn und Zweck des Gesetzes nicht gerecht.

Im Übrigen kommt die Gegenansicht zum gleichen Ergebnis, indem sie die mit der restriktiven Interpretation des § 393 Abs. 2 Satz 1 AO verbundenen Lücken beim Schutz des Stpfl. vor erzwungener Selbstbelastung durch ein unmittelbar aus der Verfassung hergeleitetes Verwertungsverbot schließen will, welches in den Fällen der Kenntniserlangung außerhalb des Steuerstrafverfahrens Anwendung finden soll[14].

 

Rz. 216

[Autor/Stand] Auch die Vernehmung eines Amtsträgers der FinB über den Akteninhalt ist nicht gestattet[16].

 

Rz. 217

[Autor/Stand] Wegen des Schutzzwecks der Norm unterliegen auch rechtswidrig erlangte Kenntnisse, die unter Verletzung des Steuergeheimnisses durch die FinB oder einen Amtsträger (§ 355 StGB) der StA oder dem Gericht mitgeteilt wurden, dem Verwendungsverbot des § 393 Abs. 2 Satz 1 AO[18]. Wie Rogall[19] zutreffend anmerkt, ist es nicht denkbar, eine Verwertung rechtswidrig erlangter Informationen zuzulassen, wenn ihre Verwendung im Falle rechtmäßiger Erlangung nicht stattfinden darf.

 

Rz. 218

[Autor/Stand] Die Informationen müssen für die StA oder das Gericht noch unbekannt sein. Sind sie bereits aus andere...

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