Rz. 16

[Autor/Stand] Bevor der Frage nach der örtlichen Zuständigkeit nachgegangen wird, ist stets zu prüfen, ob das AG sachlich für die in Rede stehende Steuerstrafsache überhaupt zuständig ist. Die sachliche Zuständigkeit wird also stets vorausgesetzt[2].

 

Rz. 17

[Autor/Stand] Allgemein bedeutet sachliche Zuständigkeit die Verteilung der Rechtssachen auf die verschiedenen Spruchkörper des ersten Rechtszuges. Nähere Einzelheiten dazu s. § 385 Rz. 600 ff. m. Übersicht § 385 Rz. 768).

 

Rz. 18

[Autor/Stand] Die Einzelregelungen hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit finden sich im GVG. Da § 391 AO nur die Zuständigkeit der AG betrifft, sind hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit die §§ 24, 25 und 28 GVG einschlägig.

Am AG finden sich drei Spruchkörper: der Strafrichter (ein Berufsrichter), das Schöffengericht (ein Berufsrichter, zwei ehrenamtliche Richter [Schöffen]) und das erweiterte Schöffengericht (zwei Berufsrichter, zwei ehrenamtliche Richter [Schöffen]).

 

Rz. 19

[Autor/Stand] Die sachliche Zuständigkeit der Spruchkörper bestimmt sich wie folgt:

  • Der Einzelrichter ist gem. §§ 24, 25 Nr. 2 GVG sachlich zuständig, wenn es sich um ein Vergehen handelt und "wenn eine höhere Strafe als Freiheitsstrafe von zwei Jahren nicht zu erwarten ist".
  • Das Schöffengericht (einschl. des erweiterten Schöffengerichts) ist gem. §§ 24, 25, 28, 29 GVG sachlich zuständig für Vergehen, soweit nicht die Zuständigkeit des Strafrichters begründet ist, die StA wegen der besonderen Bedeutung des Falls Anklage beim LG erhebt (vgl. Nr. 113 RiStBV) oder ein Fall der § 74 Abs. 2, §§ 74a, 120 GVG vorliegt (soweit die Schöffengerichte auch für Verbrechen [vgl. § 12 Abs. 2 StGB] sachlich zuständig sind, braucht darauf nicht eingegangen zu werden, weil – nach Aufhebung des § 370a AO – wieder sämtliche Steuerstraftatbestände als Vergehen ausgestaltet sind).
 

Rz. 20

[Autor/Stand] Die Zuweisung von Strafsachen an die AG ist insoweit begrenzt, als deren Aburteilszuständigkeit bei vier Jahren Freiheitsstrafe endet (§ 24 Abs. 2 GVG). Sofern sich in der Hauptverhandlung herausstellt, dass der Strafrahmen von vier Jahren im Einzelfall nicht ausreicht, muss die Strafsache an das LG verwiesen werden.

 

Rz. 21

[Autor/Stand] Für den Erlass von Strafbefehlen und die sich daran unmittelbar oder nach Einspruch des Angeschuldigten anschließende Hauptverhandlung ist beim AG gem. § 27 GVG i.V.m. § 407 Abs. 1 StPO nach überw. Ansicht seit Änderung des § 25 Nr. 2 GVG durch das RPflEntlG 1993 nur noch der Strafrichter, nicht aber das Schöffengericht zuständig (s. § 400 Rz. 136 mwN: Ausnahme: § 408a StPO)[8]. Es dürfen jedoch nur die in § 407 Abs. 2 StPO genannten Sanktionen verhängt werden (s. § 400 Rz. 63 ff.: überwiegend Geldstrafen; sofern der Angeklagte einen Verteidiger hat, auch Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, wenn deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird § 407 Abs. 2 StPO).

 

Rz. 22

[Autor/Stand] Bei besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 Abs. 3 Nr. 1–6 (s. § 370 Rz. 1088 ff.) scheidet das Strafbefehlsverfahren zwar grds. nicht aus. Nach neuerer Rspr. des BGH[10] verbietet sich aber bei Steuerverkürzungen "in Millionenhöhe" eine Ahndung durch Strafbefehl (s. § 370 Rz. 1029.5 ff.; § 400 Rz. 41.1, 60).

 

Rz. 23

[Autor/Stand] Das Gericht hat in jeder Lage des Verfahrens seine sachliche Zuständigkeit gem. § 6 StPO von Amts wegen zu prüfen[12]. Ergibt sich das Fehlen der sachlichen Zuständigkeit, so legt das Gericht die Sache dem seiner Ansicht nach zuständigen höheren Gericht zur Entscheidung vor (§ 209 Abs. 2 StPO) oder eröffnet das Verfahren bei dem niedrigeren Gericht mit der für dieses Gericht bindenden Wirkung (§ 209 Abs. 1 StPO). Niedrigeres Gericht ist im Verhältnis zum Schöffengericht auch der Strafrichter, so dass der Vorsitzende des Schöffengerichtes beim Strafrichter eröffnen kann[13].

Umgekehrt hat der Strafrichter bei der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu prüfen, ob die wahrscheinlich zu erwartende Strafe die Grenze von zwei Jahren nicht überschreiten wird (§ 25 Abs. 2 Nr. 2 GVG); hält er eine höhere Strafe für wahrscheinlich, muss er die Sache dem Schöffengericht vorlegen. Die früher verlangte "mindere Bedeutung" des Falles ist nach der nach der Neufassung des § 25 Nr. 2 GVG durch das RpflEntlG nach überw. Ansicht von dem Strafrichter nicht zusätzlich zu prüfen[14].

 

Rz. 24

[Autor/Stand] Mit dem Beginn der Hauptverhandlung wird der Grundsatz des § 6 StPO jedoch durch § 269 StPO insoweit eingeschränkt, als das Gericht sich nicht mehr für unzuständig erklären kann, weil die Strafsache vor ein Gericht niederer Ordnung gehört; die Verhandlung vor dem an sich unzuständigen ranghöheren Gericht gilt nicht als den Angeklagten belastender Fehler. Dementsprechend kann auch in der Revision nicht gerügt werden, dass ein Gericht niederer Ordnung zuständig gewesen wäre[16]. Für die Zuständigkeit von Gerichten höherer Ordnung gilt § 6 StPO dagegen auch in der Hauptverhandlung unbeschränkt, so dass die Sache gem. § 270 StP...

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