I. Allgemeines

 

Rz. 181

[Autor/Stand] Eingriffe in den Zuständigkeitsbereich der jeweils anderen Ermittlungsbehörde sind unterschiedlich zu beurteilen, je nachdem, ob diese von der StA oder von der FinB vorgenommen wurden.

 

Rz. 182

[Autor/Stand] Kompetenzüberschreitungen der StA sind nicht denkbar, da sie das originäre Ermittlungsmonopol besitzt; vgl. § 152 Abs. 2, §§ 160, 161 StPO (s. Rz. 23)[3]. Die StA kann ohne Einvernehmen mit der FinB die Sache mangels genügenden Anlasses zur Erhebung einer Anklage (§ 170 Abs. 2 StPO) oder wegen Geringfügigkeit (§ 153 Abs. 1, § 153a StPO, § 398 AO) einstellen.

Zur Erhebung der Anklage ist ohnehin nur die StA befugt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen die FinB das Ermittlungsverfahren durchgeführt hat. Hier hat die FinB bei Strafsachen, die sich nicht zur Behandlung im Strafbefehlsverfahren eignen, die Akten der StA vorzulegen, wenn die Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage bieten (§ 400 AO). Doch auch den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls kann die StA – selbst in den Fällen, in denen an sich die FinB dazu berufen ist – nicht als unzuständige Behörde stellen. Vielmehr macht die StA durch Stellung des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls von der Möglichkeit des Ansichziehens (vgl. § 386 Abs. 4 Satz 2 AO) Gebrauch.

Wohl aber kann eine Missachtung der Rechte der FinB oder ein Ermessensmissbrauch beim Ansichziehen einer Steuerstrafsache gem. § 386 Abs. 4 Satz 1 AO gegeben sein (z.B. generelle Übernahme von ihr bekannt gewordenen Taten, s. Rz. 135 und 146)[4].

[Autor/Stand] Autor: Peters/Bertrand, Stand: 01.02.2022
[Autor/Stand] Autor: Peters/Bertrand, Stand: 01.02.2022
[3] Tormöhlen in HHSp., § 386 AO Rz. 84 f.
[4] Vgl. auch Tormöhlen in HHSp., § 386 AO Rz. 85; Randt in JJR8, § 386 AO Rz. 43; Bilsdorfer, BB 1983, 2113.

II. Verwertungsverbote

 

Rz. 183

[Autor/Stand] Stößt die FinB anlässlich ihrer Ermittlungen wegen einer Steuerstraftat auf Anhaltspunkte für das Vorliegen einer sonstigen, allgemeinen Straftat, die nicht zumindest teilweise der Aufklärung der Steuerstraftat dienen, sind darauf gerichtete Ermittlungshandlungen dennoch wirksam[2].

 

Rz. 184

[Autor/Stand] Gehen bei Beginn des Ermittlungsverfahrens die beteiligten Strafverfolgungsbehörden davon aus, dass die aufzuklärenden Taten bspw. als Hinterziehungen von Mineralölsteuer und zugleich als Diebstähle strafbar sein würden und wird das Verfahren von Anfang an unter dem Gesichtspunkt des "Verdachts der Mineralölsteuerhinterziehung durch Diebstahl von unversteuertem Gasöl in einem Steuerlager" geführt, entfällt die Kompetenz nicht deshalb, weil die zu erforschenden Steuerstraftaten zugleich die tatbestandlichen Voraussetzungen des Diebstahls (bzw. der Beihilfe zum Diebstahl) erfüllen[4].

 

Rz. 185

[Autor/Stand] Ermittlungshandlungen, die die FinB ggf. außerhalb ihrer Sachkompetenz vorgenommen hat, müssen keineswegs durch die StA wiederholt werden[6]. Dies wäre bloße Förmelei. Gibt sie diese Erkenntnisse – auch soweit sie im Besteuerungsverfahren erlangt wurden – dennoch an die StA weiter, ohne dass eine Offenbarungsbefugnis i.S.d. § 30 Abs. 4, 5 AO vorliegt, unterliegen die Erkenntnisse auch keinem Verwertungsverbot gem. § 393 Abs. 2 Satz 1 AO (s. Rz. 166, 174; § 385 Rz. 52, 1045 ff.)[7]. Eine Vorauswirkung von Verwertungsverboten kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht[8] und ist vielmehr im Kontext mit der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten zu verorten[9]. Es ist dabei zwischen der Verwertbarkeit für Zwecke der Annahme eines Anfangsverdachts und der Verwertbarkeit für Zwecke einer strafrechtlichen Aburteilung zu differenzieren (s. § 371 Rz. 706). Es ist anerkannt, dass Verfahrensfehler, die ein Verwertungsverbot für ein Beweismittel zur Folge haben, nicht ohne weiteres Fernwirkung für das gesamte Strafverfahren begründen[10]. Die Ablehnung eines auf den Anfangsverdacht ausstrahlenden grundsätzlichen Verwertungsverbots ist dadurch gerechtfertigt, dass das Strafverfahren durch einen Verfahrensverstoß nicht zur vollständigen Lähmung kommen soll. Eine Vorauswirkung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Es besteht indes kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig ist[11]. Insofern ist eine Abwägung vorzunehmen, in welche auf der einen Seite die Schwere des Rechtsverstoßes, der zu dem Beweisverwertungsverbot führt, und auf der anderen Seite die Schwere der Tat, hinsichtlich derer ein Anfangsverdacht begründet werden soll, einzustellen[12]. In jedem Fall aber darf eine unter Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot gewonnene Tatsache nicht zur Rechtfertigung strafprozessualer Zwangsmaßnahmen herangezogen werden[13]. Die fehlerhaft gewonnenen oder einem Verwertungsverbot unterliegenden Erkenntnisse dürfen indes verwertet werden, wenn sie nicht allein auf eine unzulässige Beweiserhebung gestützt werden[14].

Fehlen jedoch hinreichende Angaben zum Tatverdacht, kann u.U. eine strafprozessuale Zwangsmaßnahme (z.B. Beschlagnahme) aufgehoben oder ...

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