Rz. 689

[Autor/Stand] Im objektiven Sachverhalt treten regelmäßig die beiden Probleme der nicht ausermittelten Veranlagungszeiträume und der Beweisverwertbarkeit auf.

Hinreichender Tatverdacht bzgl. einer Steuerhinterziehung kann nur bejaht werden, wenn die verkürzte Steuer nach Steuerart und Veranlagungszeitraum beziffert werden kann[2]. Ohne eine solche Feststellung ist eine Verurteilung ausgeschlossen.

 

Rz. 690

[Autor/Stand] Eine solche Bezifferung ist zutreffenderweise jedenfalls für solche Fälle ausgeschlossen, in denen ein Abgleich mit den Steuerakten (noch) nicht stattgefunden hat. Denn nur in Fällen, in denen tatsächlich ein Abgleich zwischen erklärten und tatsächlichen Einkünften erfolgt ist, kann beziffert werden, in welcher Höhe Einkünfte aus welcher Steuerart hinterzogen wurden[4]. Aus den gleichen Gründen scheidet eine Tatentdeckung auch in solchen Fällen aus, in denen ein Abgleich aus technischen oder anderen Gründen noch nicht oder nicht mehr möglich ist. Hierunter fallen insb. die Fälle, in denen Kontoauszüge nicht ausreichend ergiebig waren, weil sich aus ihnen bspw. der Stpfl. nicht eindeutig erschließen oder die tatsächlich vorhandene Summe nicht ermitteln lassen. Erschließt sich aus den vorhandenen Daten ein Stpfl. nicht, wird aber – nach Einreichen der Selbstanzeige – erkannt, dass die Daten bereits vorlagen und sie nur nicht zugeordnet werden konnten, so bedeutet dies, dass die Tat noch nicht entdeckt war, weil es für die Tatentdeckung darauf ankommt, dass die Tat zum Zeitpunkt der Selbstanzeige bereits entdeckt war – nicht, dass ausreichend Daten vorhanden waren, um sie theoretisch entdecken zu können. Dass die Daten vorlagen, aber bis zum Zeitpunkt der Selbstanzeige nicht sinnhaltig interpretiert werden konnten, sperrt die Selbstanzeige folglich nicht.

So führt auch das OLG Nürnberg[5] aus:

"Der Ankauf des die Steuerdaten enthaltenden Datenträgers genügt für den Eintritt der Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO jedenfalls noch nicht. Denn für die Entdeckung i.S.d. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO ist zumindest zu verlangen, dass die Finanzbehörde – wenn auch möglicherweise nicht unbedingt die für den jeweiligen Steuerpflichtigen örtlich zuständige – Kenntnis von der in auffälliger Weise verschleierten Steuerquelle erlangt hat."

 

Rz. 691

[Autor/Stand] Die Sperrwirkung tritt mithin erst dann ein, wenn ein Abgleich mit der persönlichen Steuerakte ergab, dass die fraglichen Beträge keinen Eingang in die Steuererklärung des Stpfl. gefunden haben[7]. Demgegenüber ist der BGH der Ansicht, dass die Tat zwar stets entdeckt ist, wenn der Abgleich mit den Steuerklärungen des Stpfl. ergab, dass die Steuerquelle nicht oder unvollständig angegeben wurde, doch sei eine Entdeckung auch schon zu einem früheren Zeitpunkt denkbar[8]. Dieser Ansicht folgt auch die neuere Rspr.[9] Dies sei etwa der Fall bei Aussagen von Zeugen, die dem Stpfl. nahestehen und vor diesem Hintergrund zum Inhalt der Steuererklärung Angaben machen können, oder bei verschleierten Steuerquellen, wenn die Art und Weise der Verschleierung nach kriminalistischer Erfahrung ein signifikantes Indiz für unvollständige oder unrichtige Angaben ist. Allein die Existenz eines Kontos im Ausland stellt jedoch noch keine Verschleierung in diesem Sinne dar. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass Stpfl., die über ein Auslandskonto verfügen, die Erträge daraus nicht deklarieren. Meines Erachtens gilt auch für Nummernkonten nichts anderes, wenngleich diesen eine gewisse Verschleierung immanent ist[10].

 

Rz. 692

[Autor/Stand] Soweit Daten für Teilzeiträume vorliegen, bedeutet das umgekehrt, dass für Zeiträume, für die keine Daten vorlagen, eine Tatentdeckung zu verneinen ist. In diesen Fällen wird jedoch zurzeit vereinzelt von StA vertreten, möglich sei eine "Fortschreibung" der bisher hinterzogenen Beträge auf nicht dokumentierte Veranlagungszeiträume. Dies ist jedoch abzulehnen. Verdeutlichen soll das Problem das folgende Beispiel.

 

Beispiel

A hinterzieht in den Jahren 1995–2002 jährlich Kapitaleinkünfte i.H.v. 100.000 EUR. Der FinB liegen entsprechende Kontounterlagen vor. Die Steuerstraftaten für die Jahre 1995–2002 sind jedoch zwischenzeitlich verjährt. Für die Jahre ab 2003 liegen hingegen keine Kontounterlagen vor.

Hat A auch in den Jahren 2003 ff. tatsächlich Kapitaleinkünfte i.H.v. 100.000 EUR im Jahr hinterzogen, ist fraglich, ob die Kontounterlagen der Jahre 1995–2002 zu seiner Tatentdeckung geführt haben.

Einerseits bestand zum damaligen Zeitpunkt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass A die Zinserträge auch in den Jahren ab 2003 hinterzog. Um dies zu verhindern, hätte A den bisherigen Hinterziehungen "entgegengewirkt" haben müssen. Nicht zu handeln hätte zu einer weiteren Hinterziehung geführt. Weiter sprach eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Summe, die konstant über Jahre hinterzogen wurde, auch weiterhin hinterzogen werden würde. Mit diesen Erwägungen konnte jedoch kein hinreichender Tatverdacht angenommen werden, ob und in we...

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