Rz. 721

[Autor/Stand] Um dem Täter die Möglichkeit zu geben, sich Gewissheit darüber zu verschaffen, ob er mit einer Selbstanzeige noch Straffreiheit erlangen kann, lässt das Gesetz die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO nur eintreten, wenn der Täter im Zeitpunkt der Selbstanzeige weiß oder damit rechnen muss, dass die Tat entdeckt ist. Wegen der Gründe, die zur Einfügung dieser subjektiven Tatbestandsmerkmale geführt haben, wird auf die Erl. in Rz. 631 ff. sowie Rz. 9 f., 33 f. verwiesen.

 

Rz. 722

[Autor/Stand] Gleichwohl will der BGH der subjektiven Komponente des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO nur noch eine geringe Bedeutung beimessen[3]:

"Angesichts der verbesserten Ermittlungsmöglichkeiten im Hinblick auf Steuerstraftaten und auch der stärkeren Kooperation bei der internationalen Zusammenarbeit können nach Auffassung des Senats jedenfalls heute keine hohen Anforderungen an die Annahme des ‚Kennenmüssens‘ der Tatentdeckung mehr gestellt werden. Der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO wird daher heute maßgeblich durch die objektive Voraussetzung der Tatentdeckung im vorstehend verstandenen Sinne und weniger durch die subjektive Komponente bestimmt."

 

Rz. 723

[Autor/Stand] Die ursprünglich im Zusammenhang mit dem JStG 2010[5] verfolgten Bestrebungen, das subjektive Tatbestandselement des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO gänzlich zu streichen, wurden mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz[6] nicht umgesetzt.

a) Kenntnis von der Tatentdeckung

 

Rz. 724

[Autor/Stand] Der Selbstanzeigende hat dann Kenntnis von der Tatentdeckung, wenn er positiv weiß, dass die Behörde oder ein anzeigewilliger Dritter von der Tat so viel wahrgenommen haben, wie es den Erfordernissen für die Tatentdeckung entspricht (s. Rz. 635 ff., 648 ff.)[8]. Ob diese Kenntnis auf eigener Wahrnehmung oder auf Information von dritter Seite beruht, ist unmaßgeblich[9]. Entscheidend ist letztlich, dass der Selbstanzeigende Kenntnis hatte.

 

Rz. 725

[Autor/Stand] Die Kenntnis ist dem Selbstanzeigenden nachzuweisen. Dies ist in der Praxis nur schwer möglich, was letztlich auch der Grund für die beabsichtigte Streichung der subjektiven Tatbestandskomponente ist (s. Rz. 722). Auch hier gilt der In-dubio-Grundsatz: Zweifel bzgl. der Kenntnis wirken sich zugunsten des Selbstanzeigenden aus[11].

 

Rz. 726

[Autor/Stand] Dagegen schließt die irrtümliche Annahme der Tatentdeckung – wie bereits in Rz. 630 ausgeführt – die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige nicht aus. Das folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO, der eine objektive Tatentdeckung voraussetzt.

 

Rz. 727

[Autor/Stand] Extensive Presseberichte – wie z.B. im Rahmen der sog. "Liechtenstein-Fälle" und auch der "Schweizer Datenaffäre" – führen i.d.R. nicht zu einer Kenntnis von der Tatentdeckung. Eine tatsächliche Kenntnis ergibt sich aus solch einer umfassenden Berichterstattung nur, wenn der Täter um seinen (und nicht nur um einen) Fall weiß[14].

Im Rahmen der sog. "Liechtenstein-Fälle" hat die Presse weder Namen einer Stiftung noch eines Stiftungsinhabers öffentlich wiedergegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Stpfl. zwar vermuten oder fürchten, dass seine Daten zu denen gehören, die übergeben wurden: Sicher wissen kann er es nicht. Ähnlich war es in der "Schweizer-Datenaffäre", in der in der Presse zunächst nur über die Namen der betroffenen Banken spekuliert wurde. Aber selbst als sich in der Presse die Hinweise auf das konkret betroffene Kreditinstitut konkretisierten, konnte kein Stpfl. mit Sicherheit wissen, dass sich gerade seine Daten auf der CD befinden würden. Da es nur auf das tatsächliche Wissen ankommt, ist in solchen Fällen nicht von einer Kenntnis der Tatentdeckung auszugehen[15]. Hinzu kommt, dass eine entsprechende Kenntnis von den Steuerbehörden nachzuweisen ist[16].

b) Rechnen-Müssen mit der Tatentdeckung

 

Rz. 728

[Autor/Stand] Der Kenntnis der Tatentdeckung steht es gleich, wenn der Täter "bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste".

aa) Widerlegbare Beweisregel

 

Rz. 729

[Autor/Stand] Durch diesen Zusatz hat der Gesetzgeber eine ansonsten dem Strafrecht fremde Vermutung der Kenntnis, eine widerlegbare Beweisregel zuungunsten des Täters geschaffen, die für die Strafverfolgungsbehörden eine Beweiserleichterung für die Fälle bedeutet, in denen der Täter die Kenntnis von der Tatentdeckung bestreitet[19].

 

Beispiel 11

A hatte für Juli, August, Oktober und November 1970 die Umsatzsteuervoranmeldungen erst am 26.2. und 2.3.1971 abgegeben und zugleich die jeweiligen Steuerbeträge entrichtet. Bereits vor diesem Zeitpunkt hatte die FinB die Tat "entdeckt". Die Einleitung eines Strafverfahrens wurde A jedoch erst am 5.3.1971 mitgeteilt. Das BayObLG erklärte die Selbstanzeige für wirksam, da A bei Erstattung der Selbstanzeige nicht mit einer Entdeckung seiner Tat habe "rechnen müssen".

„Wenn das Gesetz dem – hier nicht möglichen – Nachweis der positiven Kenntnis des Täters von der Entdeckung seiner Tat ein ‚rechnen müssen‘ mit der Entdeckung gleichs...

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