Rz. 118

[Autor/Stand] Der objektive Tatbestand des § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO setzt die unterlassene oder unkorrekte Verbuchung von buchführungs- oder aufzeichnungspflichtigen geschäftlichen Vorgängen (s. Rz. 116 f.) voraus. Die in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden konkreten Buchführungs- oder Aufzeichnungspflichten sind nach der Art der Gewinnermittlung abzugrenzen, da die Vollendung des objektiven Tatbestands zu unterschiedlichen Zeitpunkten eintritt. Der Aufzeichnungspflichtige hat nur die reine Geldbewegung, die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben fortlaufend festzuhalten. Die Geschäftsvorfälle finden erst dann ihren buchmäßigen Niederschlag, wenn sie in Form von Einnahmen und Ausgaben in Erscheinung getreten sind. Demgegenüber hat der Buchführungspflichtige schon die Entstehung von Schulden oder Forderungen buchmäßig zu erfassen.

 

Beispiel

Bei einem Kreditkauf hätte der Buchführungspflichtige den Tatbestand des § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO bereits bei Nichtverbuchen des Verkaufs erfüllt, der Aufzeichnungspflichtige erst bei Nichtbuchung des Geldeingangs.

 

Rz. 119

[Autor/Stand] Die Buchführungs- oder Aufzeichnungspflicht muss kraft Gesetzes bestehen. Der Begriff "Gesetz" ist im materiellen Sinne zu verstehen. Er erfasst jede Rechtsnorm (§ 4 AO), neben formellen und materiellen Gesetzen auch Rechtsverordnungen[3] (s. auch § 377 Rz. 12). Gegenstand und Umfang der Aufzeichnungen müssen sich aber stets aus dem materiellen Gesetz selbst ergeben. Verwaltungsanweisungen sind dagegen kein Gesetz i.S.d. Vorschrift (z.B. Anschreibungen auf Verlangen des HZA)[4].

 

Rz. 120

[Autor/Stand] Buchführungs- bzw. Aufzeichnungspflichten sind außer in Einzelsteuergesetzen (z.B. § 22 UStG) insb. in der AO selbst (§§ 141 ff. AO) sowie in nichtsteuerlichen Vorschriften des Gesellschafts-, Genossenschafts- und vor allem des Handelsrechts (z.B. §§ 6, 38 ff., §§ 120, 161 Abs. 2, §§ 238 ff. HGB, §§ 41 f. GmbHG) enthalten.

 

Beispiele

Gewerbliche Unternehmen sind gem. § 143 AO verpflichtet, den Wareneingang gesondert aufzuzeichnen.

Wer als Unternehmer regelmäßig Waren an gewerblich tätige Wiederverkäufer liefert, muss gem. § 144 AO den Warenausgang ebenfalls gesondert aufzeichnen.

 

Rz. 121

[Autor/Stand] Eine Insolvenz lässt die handels- und steuerrechtlichen Buchführungspflichten, soweit sie auf den Insolvenzverwalter übergehen[7], grundsätzlich unberührt[8].

 

Rz. 122

[Autor/Stand] Darüber hinaus finden sich zahlreiche Gesetze und Verordnungen, die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten für bestimmte Betriebe und Berufe regeln[10]. Zuwiderhandlungen von Bankangestellten gegen die Dokumentationspflicht des § 154 Abs. 2 AO bei Kontoeröffnung u.a. (zu den näheren Einzelheiten s. Rz. 579 ff.) können ebenfalls den Tatbestand des § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO erfüllen.

 

Rz. 123

[Autor/Stand] Fertigt der Stpfl. freiwillig Aufzeichnungen an, ohne dazu gesetzlich verpflichtet zu sein – etwa um einer (zu hohen) Schätzung seiner Einkünfte nach § 162 AO entgegentreten zu können –, und unterlaufen ihm hierbei Falschaufzeichnungen oder -buchungen, so können diese nicht gem. § 379 Abs. 1 Satz Nr. 3 AO geahndet werden[12]. Durch solche Falschaufzeichnungen/-buchungen kann aber eine Steuerverkürzung (§§ 370, 378 AO) bewirkt werden, wenn der Stpfl. die unrichtigen Aufzeichnungen als Unterlagen für seine Steuererklärungen verwendet. Als Tathandlung ist dann aber erst die Abgabe der Erklärung gegenüber der FinB zu sehen.

 

Rz. 124

[Autor/Stand] Hohe praktische Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Neuregelung der Aufzeichnungspflichten in § 146 AO durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22.12.2016[14] gewonnen. Im Kern geht es um die Frage, ob der Steuerpflichtige verpflichtet ist, bei Einsatz einer elektronischen Registrierkasse jeden einzelnen Geschäftsvorfall aufzuzeichnen (Einzelaufzeichnungspflicht) und ggf. die Daten einem Betriebsprüfer zur Verfügung zu stellen.

 

Rz. 125

[Autor/Stand] Grundlegende Bedeutung kommt insoweit bis heute der Entscheidung des BFH aus dem Jahr 1966[16] zu. Seinerzeit hatte der BFH festgestellt, dass die nach dem Handelsrecht zu bestimmenden Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) prinzipiell die Aufzeichnung jedes einzelnen Geschäftsvorfalls verlangen. Allgemein erfordere dies nicht nur die Aufzeichnung der in Geld erhaltenen Gegenleistung, sondern auch des Inhalts des Geschäfts und des Namens des Vertragspartners. Es sei aber technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich, an die Aufzeichnung der baren Kassenvorgänge in Einzelhandelsgeschäften gleiche Anforderungen wie bei anderen Handelsgeschäften zu stellen. Unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit sei deshalb eine Einzelaufzeichnung in den Betrieben nicht erforderlich, "in denen Waren von geringem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden".[17] Die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung dürfe in diesen Fällen nicht von der Einzelaufzeichnung jedes Geschäftsvor...

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