Rz. 142

[Autor/Stand] Eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige kann von dem Täter (s. Rz. 11–28) oder von einem Dritten für den Täter erstattet werden (s. im Einzelnen § 371 Rz. 81 f.)[2]. Unter Berufung auf die nachfolgend wiedergegebene Entscheidung des RG[3] war insb. im älteren Schrifttum die Auffassung weit verbreitet, im Unterschied zur strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO sei eine ausdrückliche vorherige Bevollmächtigung des Dritten zur Erstattung einer bußgeldbefreienden Selbstanzeige nicht erforderlich; es genüge vielmehr die allgemeine Bevollmächtigung zur Erledigung der Steuerangelegenheiten[4].

 

Beispiel 4

C hatte für den Angeklagten, dessen Steuerangelegenheiten durch dessen Bruder W wahrgenommen worden waren, Selbstanzeige erstattet. Das RG hielt die Selbstanzeige für wirksam.

Aus den Gründen: "C hat die hiernach erforderlichen Angaben rechtzeitig nachgeholt. Dabei handelte sie allerdings im unmittelbaren Auftrage nicht des Angeklagten, sondern seines Bruders Arthur W., dem der Angeklagte seinerseits die Überwachung der Steuerpflichten übertragen hatte. Mit Unrecht sucht die Revision des Nebenklägers hieraus unter Hinweis auf RGSt 56, 385 (387) ein Bedenken dagegen herzuleiten, daß die Strafkammer den § 374 RAO zugunsten des Angeklagten angewendet hat. Damals stand Steuerhinterziehung, also eine Steuerunehrlichkeit, in Frage, von deren strafrechtlichen Folgen der Täter sich nicht befreien kann, ohne dem gesetzgeberischen Gedanken der so genannten tätigen Reue durch eigenes Handeln nach der Tat gerecht zu werden. Hier dagegen hatte der – steuerehrliche – Angeklagte seinen Bruder beauftragt, alle zur Erfüllung seiner steuerlichen Verpflichtungen erforderlichen und seinen Belangen entsprechenden Handlungen den Steuergesetzen gemäß vorzunehmen. Gleich wie es unter diesen Umständen der von den Vorgängen nicht unterrichtete Angeklagte gegen sich gelten lassen muß, daß der Bruder durch Unterlassung der erforderlichen Zahlungen eine Steuerverkürzung herbeigeführt hat, so muß es ihm umgekehrt auch zustatten kommen, daß dieser Beauftragte im Rahmen des Auftrags die erforderlichen Berichtigungen rechtzeitig veranlaßt hat."

 

Rz. 143

[Autor/Stand] Dagegen wird eingewandt, dass die Urteilsgründe dieser Entscheidung die erwähnte Auffassung nicht rechtfertigen würden, da in ihnen nicht festgestellt sei, dass der Stpfl. überhaupt eine fahrlässige Steuerverkürzung begangen habe[6]. Bei fehlendem Verschulden des Stpfl. handele es sich vielmehr um eine eigene Selbstanzeige des Beauftragten[7]. Richtig dürfte allerdings vielmehr eine differenzierte Sicht sein. Es erscheint sachgerecht, die zeitliche Grenze des Sperrgrunds (Einleitung und Bekanntgabe eines Straf- oder Bußgeldverfahrens) zu berücksichtigen. Bis zu diesem Zeitpunkt spielt es keine Rolle, ob eine Erklärung eines Dritten mit wirksamer Vollmacht erfolgt oder diese bis dahin nachgeholt wird. Die Nachholung bis zu diesem Zeitpunkt genügt daher nach zutreffender Ansicht.[8] Für die Praxis ist zudem bedeutsam, dass eine Bevollmächtigung auch mündlich erfolgen kann.

 

Rz. 144

[Autor/Stand] Von den oben genannten Fällen, in denen ein bislang unbeteiligter Dritter die Selbstanzeige für den Stpfl. erstattet, ist die Fallkonstellation abzugrenzen, in welcher dem Stpfl. wegen Nichterklärung von Einkünften oder Umsätzen, fehlerhafter Geltendmachung von Betriebsausgaben oder Vorsteuern o.Ä. eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) vorgeworfen wird, welche aber auf einem – leichtfertigen oder auch nur leicht fahrlässigen – Versehen des von ihm beauftragten Steuerberaters beruht.

 

Beispiele 8

Unternehmer A reicht seine Umsatzsteuervoranmeldungen 1–6 1994 infolge betriebsgründungsbedingter Arbeitsüberlastung nicht beim FA ein, obwohl sich für diese Monate jeweils eine Zahllast von 50.000 DM ergibt. A hatte die Buchführungsunterlagen 1994 rechtzeitig und vollständig seinem Steuerberater S übergeben, in dessen Büro zwar die Umsatzsteuervoranmeldungen erstellt, aber aufgrund eines Versehens falsch abgelegt wurden. Infolge widriger Umstände beim Umzug der eigenen Kanzlei stellt S die Steuererklärung 1994, bei der die betreffenden Umsätze verarbeitet worden wären, nicht rechtzeitig fertig. Aufgrund einer Kontrollmitteilung wird dem FA die unterlassene Steuererklärung bekannt, welches daraufhin dem A die Einleitung eines Strafverfahrens bekannt gibt.

Der Stpfl. B erklärt Zinseinkünfte nicht, weil der von ihm beauftragte Steuerberater C in der von ihm vorbereiteten Steuererklärung nur die Zinsen von Wertpapieren, aber nicht von Sparbüchern angibt. Das Versehen des C beruht darauf, dass er den von B eingereichten Zettel mit den Sparbuchzinsen falsch abgelegt hatte; dem B war der Fehler bei Abgabe der Steuererklärung nicht aufgefallen, da er die Steuererklärung nicht kontrolliert hatte.

Es war bis vor kurzem auch in der Rspr. umstritten, ob ein steuerlicher Berater, welcher nicht nach außen auftritt, sondern lediglich im Innenverhältnis zum Mandanten tätig wird, eine leichtfertige Steuerve...

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