Rz. 103

[Autor/Stand] Mit Arbeitsüberlastung lässt sich die unterlassene oder verspätet abgegebene Steuererklärung (s. § 370 Rz. 323 ff.) nicht entschuldigen.

 

Beispiel 168

A gab jahrelang Steuererklärungen zum Teil verspätet, zum Teil gar nicht ab. Er berief sich darauf, er sei mit der Aufrechterhaltung seines Unternehmens vollauf beschäftigt gewesen. Außerdem habe er einen Autounfall erlitten, der seine Arbeitskraft erheblich beeinträchtigt habe.

Das LG stellte fest, der Angeklagte habe leichtfertig gehandelt, da ihm als Unternehmer und gelerntem Kaufmann die steuerlichen Pflichten bekannt gewesen seien und die FinB auch jeweils gemahnt habe.

"Es entlastet ihn nicht, daß er seine gesamte Arbeitskraft der Erhaltung seiner Unternehmen widmete und sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Verpflichtungen keine Zeit nahm. Eine Entschuldigung in dieser Richtung käme in Betracht, wenn zwischen dem Interesse des Angeklagten an der Fortführung seiner Unternehmen, dem damit verbundenen Interesse der Arbeitnehmer an der Erhaltung ihrer Arbeitsplätze und den Belangen der Steuerbehörde an der rechtzeitigen Festsetzung und Zahlung der Steuern eine Rangordnung bestünde. Eine derartige Rangordnung ist jedoch im Gesetz nicht vorgesehen und auch nicht anzuerkennen [...] Wenn der Angeklagte keine Zeit hat, die Steuererklärungen rechtzeitig abzugeben, hätte er sich eines sachkundigen Angestellten oder eines Steuerberaters bedienen müssen."

Aus der letzteren Überlegung heraus ließ das LG auch nicht den Autounfall als Entschuldigungsgrund gelten. Zur Frage der Arbeitsüberlastung im Rahmen der Leichtfertigkeit vgl. auch OLG Düsseldorf[2].

 

Rz. 104

[Autor/Stand] Dagegen kann u.U. Betriebsblindheit und geringe praktische Erfahrung die individuelle Vorwerfbarkeit des steuerschädlichen Verhaltens ausschließen[4]. Umgekehrt nahm das FG Münster[5]"die eigene Buchführungsarbeit" und "die lange Zusammenarbeit mit dem früher für den Kläger tätigen Steuerbüro" bzw. "die jahrelange berufliche Tätigkeit" zum Anlass, um ein Vertrautsein der betreffenden Personen mit den Grundsätzen der Sollversteuerung – danach führt bereits die Rechnungsausstellung zur Erfassung der Erlöse und Umsätze – bzw. die Kenntnis, dieser mit seinem Betrieb zu unterliegen, zu bejahen. Die Versäumnis, vor Erlass der aufgrund einer Betriebsprüfung ergangenen Änderungsbescheide zur Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer dem FA die Nichterfassung einer bestimmten Rechnung im Rahmen der Buchführung des Betriebs und damit auch im Rahmen des Jahresabschlusses mitzuteilen, wertete das Gericht daher als leichtfertige Steuerverkürzung i.S.v. § 378 AO. Es hätte sich den Betreffenden nach ihren jeweiligen Kenntnissen und Fähigkeiten aufdrängen müssen, dass die fragliche Rechnung im falschen Jahr verbucht war.

Ehegatten: Bei der Unterzeichnung der gemeinsamen Steuererklärung erklärt jeder Ehegatte mit seiner Unterschrift nur die Richtigkeit seiner Besteuerungsgrundlagen, eine Garantiehaftung für die Angaben des anderen Ehegatten ist damit selbst bei positiver Kenntnis nicht verbunden[6]. Die bloße Mitunterzeichnung begründet daher noch nicht einmal den Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung. Mittäterschaft, Beihilfe oder Anstiftung können jedoch vorliegen, wenn ein Ehegatte die gemeinsame Steuererklärung nicht nur unterzeichnet, sondern für beide Ehegatten erstellt, eine psychische Unterstützung leistet oder den anderen Ehegatten zur Steuerhinterziehung anstiftet[7].

Für den Fall, dass Ehegatten in einem gemeinsamen Unternehmen als Mitunternehmer mit getrennten Aufgabenbereichen tätig sind, hat das BayObLG am 11.5.1993[8] beschlossen, dass unter Ehegatten im Gegensatz zu nur aus geschäftlichen Interessen verbundenen Mitunternehmern ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht, welches bei entsprechender Qualifikation eine Kontrolle des jeweils anderen nach Maßgabe des "Möglichen und Zumutbaren" entbehrlich macht.

Ein Familienvater, der für seine mitreisenden Angehörigen die Zollformalitäten erledigt, handelt nicht leichtfertig, wenn er die Angaben seiner Frau, sie habe im Ausland nichts eingekauft, nicht nachprüft (s. auch Rz. 25, 29)[9]. Es kommt aber eine Eingangsabgabengefährdung gem. § 382 AO in Betracht, bei der einfache Fahrlässigkeit genügt (s. § 382 Rz. 23).

Ein GmbH-Geschäftsführer begeht einer BFH-Entscheidung vom 7.2.2002[10] zufolge dann eine leichtfertige Steuerverkürzung, wenn er bei der Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten der GmbH die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten imstande ist, obwohl sich ihm hätte aufdrängen müssen, dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten wird. Diese Voraussetzungen bejahte das FG Baden-Württemberg[11] in Bezug auf einen "seit Längerem tätigen Geschäftsmann". Dieser hätte wissen müssen, dass der Geschäftsführer einer GmbH Vermögensgegenstände der GmbH nicht unter Wert oder sogar unentgeltlich an die Gesellschafterin der GmbH übertragen...

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