Rz. 87

[Autor/Stand] Eine unrichtige oder nachlässige Buchführung kann allenfalls als Vorbereitungshandlung für eine Steuerverkürzung betrachtet werden[2] (s. § 370 Rz. 315, 704, 712, 1205). Auch wenn durch die unrichtige Verbuchung nur der Tatbestand der Steuergefährdung nach § 379 Abs. 1 Nr. 3 AO verwirklicht wird, kann dies auch den Vorwurf einer leichtfertigen Steuerverkürzung begründen, sofern es aufgrund der fehlerhaften Buchführung zu einer Steuerverkürzung kommt, wobei es in der Praxis häufig zu Nachweisschwierigkeiten kommt[3]. Der Stpfl. handelt daher leichtfertig, wenn ihm Buchungsfehler infolge grober Unachtsamkeit unterlaufen.

 

Beispiel 130

Friseurmeister A hatte in den Jahren 1952–1954 bei den durch einen Steuerhelfer gefertigten Umsatzsteuererklärungen den ermäßigten Großhandelssatz von 1 v.H. des vereinnahmten Entgelts in Anspruch genommen. Die Voraussetzung für diese Vergünstigungen lagen aber nicht vor, weil auf den Belegen der fraglichen Umsatzgeschäfte der Name der Erwerber nicht aufgeführt oder unkenntlich gemacht war. A war von seinem Steuerhelfer auf den Zusammenhang zwischen einer ordnungsgemäßen Buchführung und dem Anspruch auf die 1-v.H.-Ermäßigung hingewiesen worden. Trotzdem hatte er die Anweisung gegeben, weiterhin auf den Belegen die Namen der Kunden nicht aufzuführen. Der falschen umsatzsteuerlichen Behandlung der fraglichen Umsätze durch seinen Steuerhelfer trat er nicht entgegen.

Das BayObLG entschied:

"Die Annahme von Leichtfertigkeit begegnet jedenfalls in einem Falle wie dem vorliegenden, wo der Angeklagte wußte, daß der Buchnachweis unvollständig war und welche steuerrechtlichen Folgen sich hieraus ergaben, keinen Bedenken. Die Notwendigkeit einer Prüfung der Steuererklärungen lag so nahe, daß ihre Unterlassung als grobe Fahrlässigkeit anzusehen ist."

 

Rz. 88

[Autor/Stand] Zum Begriff der Ordnungsgemäßheit der Buchführung führt das OLG Bremen[5] aus:

"Eine Buchführung ist ordnungsgemäß im Sinne der §§ 38 ff. HGB [heute §§ 238 ff. HGB, Anm. d. Verf.] und 140 ff. AO, wenn der Steuerpflichtige alle für die kaufmännische Buchführung erforderlichen Bücher führt, wenn die Bücher förmlich in Ordnung sind, ihr Inhalt sachlich richtig ist und alle Aufzeichnungen zeitgerecht erstellt werden (vgl. Blümich-Falk, 10. A. § 4 Anm. 34b mit Hinweis auf BFH, Urt. v. 23.2.1951 – IV 15/51 S, BStBl. 1951 III, 75 – und Gutachten BFH v. 25.3.1954 – IV D 1/53 S, BStBl. 1954 III, 195 –). Der gesetzliche Zweck der Buchführung ist es, die Handelsgeschäfte des Kaufmanns und den Stand seines Betriebsvermögens ersichtlich zu machen. Dieser gesetzliche Zweck bedingt die Richtigkeit, Vollständigkeit und Übersichtlichkeit der Buchführung. Alle Betriebsvorgänge müssen daher in der Buchführung nach den gesetzlich bestimmten Grundsätzen geordnet und mit ihrem Geldwert eingetragen werden, und es muss aus den Jahresabschlüssen die Änderung der einzelnen Teile des Betriebsvermögens ersichtlich sein."

Zu den Pflichten des Stpfl. gehört somit nicht nur, die förmlich ordnungsgemäßen Buchnachweise zu führen, sondern auch, sich Gewissheit darüber zu verschaffen, dass der Inhalt der Bücher sachlich richtig ist, d.h. dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die buchungstechnische Behandlung eines Geschäftsvorfalles gegeben sind. Zum Buch- und Belegnachweis als Voraussetzung für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung s. § 370 Rz. 1405 ff. Allgemein zum Nichtvorliegen formeller Voraussetzungen s. § 370 Rz. 444 f.

 

Beispiel 132

Einem Tabakwarengroßhändler wurde vorgeworfen, in den Jahren 1964–1967 grob fahrlässig für Tabaklieferungen von insgesamt rund 2 Mio. DM den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 1 % in Anspruch genommen zu haben, obwohl hierfür entweder der erforderliche Buchnachweis nicht vorhanden war oder die Waren nicht an Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts geliefert wurden und hierdurch eine Umsatzsteuerverkürzung von rund 60.000 DM zum eigenen Vorteil bewirkt zu haben.

Das BayObLG entschied:

„Dem Betroffenen liegt zur Last, auf zweierlei Weise eine Verkürzung der Umsatzsteuer bewirkt zu haben, nämlich indem er

  a) entweder ohne den erforderlichen Buchnachweis für die Lieferungen an Unternehmer den geringen Umsatzsteuersatz in Anspruch nahm (§ 11 UStDB),
  b) oder soweit der Buchnachweis zwar vorhanden war, die Waren in Wirklichkeit nicht an Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts (§ 2 Abs. 1 UStG 1951) liefern ließ. Es ist Aufgabe des Steuerpflichtigen, sich um seine steuerlichen Pflichten zu kümmern. Dies gilt insbesondere dann, wenn er einen Vergünstigungstatbestand in Anspruch nehmen will. Zu diesen Pflichten gehört in den oben zu b) erörterten Fällen nicht nur die Weisung an die Vertreter, keine Waren an Endverbraucher abzugeben, sondern auch eine – mindestens stichprobenweise – durchzuführende Kontrolle, ob die Angaben der Vertreter über ihre Abnehmer auch richtig sind. Denn der Betroffene kann sich nicht immer, auch wenn ihm die Vertreter vertrauenswürdig erscheinen, mit der summaris...

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