Rz. 613

[Autor/Stand] Zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Ausschlusswirkung gelangen die jeweiligen Tatbegriffe dagegen bei unrichtigen Angaben in einer Einkommensteuererklärung, die verschiedene Einkunftsarten betreffen.

 

Beispiel

Der Stpfl. hatte in seiner Einkommensteuererklärung Einkünfte aus Kapitalvermögen (Zinsen) und Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Provisionen) nicht erklärt. Aufgrund einer Kontrollmitteilung erhält die FinB Kenntnis von der Quelle der nicht deklarierten Zinsen. Die BuStra leitet daraufhin das Strafverfahren ein und gibt dem Stpfl. die Einleitung des Strafverfahrens wegen Hinterziehung der auf die Zinsen entfallenden Steuern bekannt. Der Stpfl. meldet anschließend die Provisionen nach. Kann die Nacherklärung insoweit eine wirksame Selbstanzeige darstellen?

Die Einleitungsverfügung betrifft die Nichtangabe der Einkünfte aus Kapitalvermögen in der Einkommensteuererklärung. Unstreitig wäre der Stpfl. mit einer Selbstanzeige bzgl. Kapitaleinkünfte aus derselben Quelle für einen anderen Besteuerungszeitraum gesperrt. Umfasst die Einleitungsverfügung aber auch die Nichterklärung anderer Einkünfte in derselben Einkommensteuererklärung? Sperrt sie also auch die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige wegen der in der Einkommensteuererklärung nicht angegebenen Provisionen?

Ausgehend von dem strafprozessualen Tatbegriff (s. Nachw. Rz. 602 f.) wäre dies auf jeden Fall zu bejahen. Denn die Einleitung des Strafverfahrens betrifft dann alle im Zusammenhang mit der Einkommensteuererklärung unterbliebenen Angaben, gleichgültig, welcher Steuersachverhalt ihnen zugrunde liegt.

Auch bei Anwendung des materiell-rechtlichen Tatbegriffs (s. Rz. 604 f.) soll sich nach Ansicht des LG Hamburg[2] vorliegend nichts anderes ergeben. Wenn eine einzige Steuererklärung hinsichtlich zweier Einkunftsarten lückenhaft sei, liege nur eine einzige Tat im materiell-strafrechtlichen Sinne vor. Der Wortlaut der Vorschrift und der darin zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers sprechen nach Meinung des LG Hamburg für den Tatbegriff im materiellen Sinne.

 

Rz. 614

[Autor/Stand] Nach Kawlath[4] gehört zur Tat der gesamte Umfang der abgegebenen Steuererklärung. Noch weitergehend hält Bilsdorfer[5] bspw. bei einer Verfahrenseinleitung wegen Verkürzung von Einkommensteuer z.B. im Jahre 1992 eine Selbstanzeige für diesen Veranlagungszeitraum insgesamt, nicht nur bezogen auf eine Steuerart, für ausgeschlossen. Diese weite Auslegung basiert auf dem strafprozessualen Tatbegriff.

 

Rz. 615

[Autor/Stand] Nach hier vertretener Ansicht (s. Rz. 604 f.) ist zwar auch im materiell-rechtlichen Sinne von der einzelnen Steuererklärung auszugehen, jedoch weitergehend als vom LG Hamburg (vorst.) und vom BGH[7] angenommen, ist eine Begrenzung auf die Nichterfüllung bestimmter Mitwirkungspflichten bzgl. einzelner Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen[8]. Diese Sichtweise wird dem fiskalischen Zweck der Selbstanzeige (s. Rz. 30 ff.) am ehesten gerecht.

Beschränkt sich daher die bekannt gegebene Verfahrenseinleitung auf eine bestimmte Einkunftsart (hier Einkünfte aus Kapitalvermögen), dann ist auch nur insoweit die Straffreiheit infolge § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b AO ausgeschlossen[9].

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[2] LG Hamburg v. 22.2.1989 – (50) 7/89 Ns, wistra 1989, 238.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[4] Kawlath, wistra 1989, 219.
[5] Bilsdorfer, INF 1995, 6 (10).
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[8] Vgl. auch Pfaff, DStZ 1982, 361 (363).
[9] Im Ergebnis ebenso Schwartz, wistra 2011, 81 (86 f.).

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