Rz. 611

[Autor/Stand] Bei der Hinterziehung verschiedener Steuerarten wirken sich die unterschiedlichen Tatbegriffe nicht aus. Nach einhelliger Meinung hindert z.B. die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens wegen unrichtiger Angaben in der Erbschaftsteuererklärung nicht die Straffreiheit durch Selbstanzeige wegen vorausgegangener Schenkungen. Dies ändert sich auch nicht durch die durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz eingeführte Ausweitung der Sperrwirkung auf weitere Taten (s. Rz. 610), da sich diese jeweils nur auf Taten derselben Steuerart beziehen kann (zum Begriff der "Steuerart" s. auch Rz. 124 ff.).

 

Beispiel 16

Der Stpfl. hat in der Erbschaftsteuererklärung – obwohl nach Schenkungen durch den Erblasser gefragt war (vgl. § 30 Abs. 4 ErbStG) – mehrere Schenkungen des Erblassers an ihn vorsätzlich verschwiegen. Für diese Vorschenkungen hatte er keine Schenkungsteuererklärungen abgegeben. Nachdem die Erbschaftsteuerstelle von einer der nicht deklarierten Vorschenkungen erfahren hatte, leitete die Straf- und Bußgeldsachenstelle wegen Nichtabgabe der Schenkungsteuererklärung bzgl. dieser Schenkung und wegen Nichtangabe in der Erbschaftsteuererklärung das Strafverfahren ein. Anschließend offenbarte der Stpfl. die anderen bis dahin unbekannt gebliebenen Schenkungen.

Nach Ansicht des LG Hamburg erfasst die Sperrwirkung der Verfahrenseinleitung die gesamte Erbschaftsteuererklärung[2]. Insoweit müssten die Angaben oder Nichtangaben in ein und derselben Steuererklärung im Zusammenhang betrachtet werden. Die Steuererklärung erfasse eine konkrete, festzusetzende Einzelsteuer, bezogen auf einen bestimmten Steuerabschnitt. Ist eine von mehreren Angaben falsch oder unterblieben, so betreffe die Sperrwirkung die gesamte Erklärung. Zur "Tat" gehörten damit alle Angaben zu Nachlassgegenständen, die zur Berechnung der Erbschaftsteuer notwendig seien. Die vorangegangenen Schenkungen blieben aber selbständige Steuerfälle, für die selbständige Anzeigen und Erklärungen abzugeben seien und für die selbständige Bescheide ergehen. Jeder dieser Schenkungsfälle führt zur Festsetzung einer Einzelsteuer. Die Unterlassung der Anzeige i.S.d. § 30 Abs. 4 ErbStG ist damit nach Ansicht des LG Hamburg[3] für jeden Schenkungsfall eine selbständige Tat, die insoweit von der Einleitung bzgl. der Erbschaftsteuer und der einen Vorschenkung nicht umfasst werde. Die Selbstanzeige könne deshalb Straffreiheit wegen der Schenkungsteuern bewirken, die für die erst durch die Selbstanzeige offenbarten Schenkungsfälle festzusetzen gewesen wären. Der Entscheidung ist nach der früheren Rechtslage (vor Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes) zuzustimmen. Allerdings führt nach heutiger Rechtslage die Bekanntgabe der Einleitung des Strafverfahrens wegen einer von mehreren Schenkungsteuerhinterziehungen dazu, dass auch für die anderen Hinterziehungen von Schenkungsteuer die Selbstanzeige gesperrt ist. Dies folgt aus dem Einleitungssatz von § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO i.V.m. dem Vollständigkeitsgebot aus Abs. 1.

 

Rz. 612

[Autor/Stand] Ebenso wenig steht z.B. die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens wegen Einkommensteuerhinterziehung einer Selbstanzeige wegen Umsatz- oder Gewerbesteuerhinterziehung entgegen, soweit kein anderer Sperrgrund, z.B. der Tatentdeckung nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO verwirklicht ist.

Wegen Zweifelsfällen bei der Auslegung des Begriffs der "Steuerart" sei auf Rz. 124 ff. verwiesen.

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[2] LG Hamburg v. 22.2.1989 – (50) 7/89 Ns, wistra 1989, 238.
[3] LG Hamburg v. 22.2.1989 – (50) 7/89 Ns, wistra 1989, 238.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021

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