Rz. 1126.25

[Autor/Stand] Das mit Wirkung zum 25.6.2017 in Kraft getretene neue Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 AO verwirklicht, wer eine Drittstaat-Gesellschaft i.S.d. § 138 Abs. 3 AO, auf die der Täter allein oder zusammen mit nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Der Tatbestand wurde als neuer besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz vom 23.6.2017 (StUmgBekG)[2] eingeführt. Die Neuregelung ist im Zusammenhang mit einer Reihe weiterer durch das StUmgBekG geänderter sowie neu eingeführter Bestimmungen zu sehen. Dazu gehört zunächst die Erweiterung des Sperrgrundes zur Selbstanzeige in § 371 Abs. 2 Nr. 4 AO. Wie auch bei Verwirklichung eines der in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2–5 AO genannten besonders schweren Fälle, kommt eine Verfahrenseinstellung bei im Übrigen wirksamer Selbstanzeige auch bei Verwirklichung des neuen § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 AO nur gegen Zahlung eines Geldbetrags nach § 398a AO in Betracht. Der Begriff der Drittstaat-Gesellschaft ist durch den ebenfalls erst durch das StUmgBekG neu geschaffenen § 138 Abs. 3 AO eingeführt worden. Neben der dort geregelten Legaldefinition konstituiert § 138 Abs. 2 Nr. 4 AO n.F. eine Anzeigepflicht im Falle der erstmaligen Beteiligung deutscher Stpfl. an einer Drittstaat-Gesellschaft. Nach dem insoweit verschärften § 379 Abs. 2 Nr. 1 AO handelt nunmehr bereits ordnungswidrig, wer der Anzeigepflicht nach § 138 Abs. 2 AO nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt[3]. Neu ist ferner die Mitteilungspflicht für Finanzinstitute nach § 138b AO, die im Falle der Herstellung oder Vermittlung von Beziehungen zu Drittland-Gesellschaften greift und deren vorsätzliche oder leichtfertige Verletzung nach § 379 Abs. 2 Nr. 1d AO n.F. ebenfalls bußgeldbewehrt ist (s. § 379 Rz. 430 ff.).

 

Rz. 1126.26

[Autor/Stand] Hintergrund für das StUmgBekG war die im April 2016 im Zuge der Veröffentlichung der sog. Panama Papers entfachte öffentliche Diskussion über die Steuerumgehung mittels der Gründung und Nutzung von sog. Domizilgesellschaften[5]. M.E. bedeutet die Aufnahme eines zusätzlichen besonders schweren Falls eine zu weitgehende Kriminalisierung von Auslandsbetätigungen deutscher Stpfl. per se. Zwar ist im Gesetzgebungsverfahren zu Recht ausdrücklich anerkannt worden, dass die "Gründung und Unterhaltung von solchen funktionslosen Domizilgesellschaften ... nicht per se illegal" ist[6]. Sie gehe aber typischerweise mit der Verschleierung von Vermögensverhältnissen, Zahlungsströmen und/oder wirtschaftlichen Aktivitäten einher. Da die neuen Vorschriften über Drittstaat-Gesellschaften nach der ausdrücklichen Intention des Gesetzgebers nicht die Funktionslosigkeit voraussetzen (sondern vielmehr der Finanzverwaltung die Beurteilung erleichtern sollen), steht eine Kriminalisierung der Beteiligung an Drittstaaten-Gesellschaften per se zu befürchten[7]. Der neue Tatbestand birgt die Gefahr, dass die FinB zukünftig bei der Beteiligung von Stpfl. an Gesellschaften außerhalb der EU/EFTA vorschnell auf ein steuerstrafrechtlich relevantes Verhalten schließen[8]. Dabei besteht eine praktische Notwendigkeit für die Einführung eines neuen Regelbeispiels in § 370 Abs. 3 AO nicht und vor allem nicht mit der Begründung des Gesetzgebers, die fortgesetzte Steuerhinterziehung mittels einer Briefkastengesellschaft sei in vielen Fällen nicht bereits von dem Regelbeispiel des großen Ausmaßes nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO erfasst. Die aufwendige Zwischenschaltung einer Domizilgesellschaft lohnt sich nur bei Hinterziehung größerer Summen. In der Praxis werden Fälle, in denen der Verkürzungsbetrag 50.000 EUR[9] nicht überschreitet, deshalb die Ausnahme sein.[10] Die von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 AO beschriebene Vorgehensweise (gezielter Einsatz "zur Verschleierung" und "fortgesetzte" Steuerverkürzung) legt im Übrigen die Erfassung als unbenannter besonders schwerer Fall nach § 370 Abs. 3 Satz 1 AO nahe[11]. Im Übrigen ist kein Grund erkennbar, wieso der Täter, der fortgesetzte Steuerhinterziehungen mittels einer EU/EFTA-Domizilgesellschaft begeht, bessergestellt sein soll als derjenige, der sich hierzu einer Drittstaat-Gesellschaft bedient[12].

 

Rz. 1126.27

[Autor/Stand] Der Begriff der Drittstaat-Gesellschaft ist in § 138 Abs. 3 AO legal definiert als eine Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Sitz oder Geschäftsleitung in Staaten oder Territorien, die nicht Mitglied der EU oder der EFTA ist.

 

Rz. 1126.28

[Autor/Stand] Der Stpfl. muss die Drittstaat-Gesellschaft allein oder zusammen mit nahestehenden Personen beherrschen. Dem Stpfl. ist eine Person gem. § 1 Abs. 2 AStG nahestehend, wenn

  • die Person an dem Stpfl. mindestens zu 25 % unmittelbar oder mi...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge