Rz. 112.5

[Autor/Stand] Aus praktischer Sicht ist freilich zu betonen, dass die Rspr. trotz der gerade geäußerten Bedenken von ihrer Auffassung kaum abgehen dürfte. Im Ergebnis ist die Auffassung der Rspr. zudem für diejenigen Personen zutreffend, die nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verpflichtet sind, den FinB die richtigen steuerlichen Angaben zu machen (s. Rz. 111 mit Beispiel). Sind sie deshalb als Täter anzusehen, weil sie dieser Pflicht nicht genügen und dadurch den Verkürzungserfolg herbeiführen, müssen sie erst recht Täter sein, wenn sie darüber hinaus andere dazu veranlassen, die Tathandlung oder einen Teil der Tathandlung zu übernehmen und auszuführen (s. Rz. 102). Sie beherrschen zwar den Tatmittler nicht in der Weise, dass sie ihm gegenüber verbindlich anordnen könnten, die tatbestandliche Handlung auszuführen. Sie können aber umgekehrt dem Tatmittler sowohl rechtlich verbindlich als auch faktisch wirksam aufgeben, die Tatbestandshandlung zu unterlassen.

 

Rz. 112.6

[Autor/Stand] Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Untergebene entgegen den Wünschen seines Vorgesetzten für diesen(!) unrichtige steuerlich erhebliche Angaben machen sollte. Es gibt also keinen Anlass für den Untergebenen, sich dem Vorgesetzten zu widersetzen. Über die faktische Möglichkeit, den Erfolg abwenden zu können, hat der Vorgesetzte die Herrschaft über die Erfolgsherbeiführung. Da dieser dem Untergebenen zudem rechtlich verbindliche Weisungen geben kann, die unrichtigen Angaben zu unterlassen, hat der Vorgesetzte auch die rechtliche Herrschaft über den Untergebenen. Ist er dazu verpflichtet, vollständige und zutreffende Angaben über die steuerlich erheblichen Tatsachen zu machen, begründet somit die Verletzung der Erfolgsabwendungspflicht nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO oder nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 13 StGB die Täterschaft (zu Letzterem s. Rz. 221 ff.). Besteht eine solche Erfolgsabwendungspflicht nicht, liegt hingegen keine Täterschaft vor.

 

Beispiel 21

S. auch das Beispiel Rz. 111. A betreibt eine Steuerkanzlei, die sich in größerem Umfang mit der Vertretung ausländischer Transportunternehmen befasst, die von den zuständigen FÄ Umsatzsteuerrückerstattung für Lieferungen und Leistungen in der Bundesrepublik erstreben. In der Regel werden die Belege – fast ausschließlich Tankrechnungen, in einigen Fällen Reparaturrechnungen – von den Mandanten zusammengefasst und in viertel- oder halbjährlichem Abstand an A übersandt. Dort werden sie, sortiert nach Mandanten, in einer zusammenfassenden Aufstellung aufgelistet und unter Beifügung des vom Mandanten unterschriebenen Rückerstattungsantrags an das zuständige FA gesandt. Unvollständige Belege, d.h. solche, die in § 14 UStG aufgezählte Angaben, insb. die Angabe des Leistungsempfängers, des Entgeltes für die Leistung und des auf dieses entfallenden Steuerbetrags, nicht enthielten, wurden von der Sachbearbeiterin mit einem Anschreiben teils an die Rechnungsaussteller (Tankstellen), teils an die Mandanten mit der Bitte um Ergänzung zurückgesandt.

Damit jedoch eine zügige Bearbeitung beim FA und eine alsbaldige Rückerstattung der Umsatzsteuer erreicht werden konnte, gingen die Sachbearbeiterinnen in der Kanzlei mit Wissen und Billigung des A dazu über, nicht vollständige Belege selbst zu vervollständigen. Zu diesem Zweck ließ sich A von etwa 50–60 Mandanten deren Firmenstempel zusenden und veranlasste seine Angestellten, auf unvollständigen Belegen die für die steuerliche Anerkennung erforderliche Angabe des Leistungsempfängers auf den jeweiligen Tankbelegen mittels Stempel anzubringen. Bei den Belegen, bei denen – teils zusätzlich – die Angabe des Mehrwertsteuersatzes oder -betrags fehlte, wurden entsprechende handschriftliche Ergänzungen ebenfalls mit Wissen und Billigung des A von der Sachbearbeiterin angebracht. Die so ergänzten Belege reichte sodann A beim FA ein. Das BayObLG geht davon aus, dass eine solche Ergänzung durch die Leistungsempfänger unzulässig ist.

Reicht der Angeklagte die von den Sachbearbeiterinnen vervollständigten Belege mit einem von ihm unterzeichneten Schreiben als eigene Erklärung ein, liegt unmittelbare Täterschaft vor (in Bezug auf falsche Angaben über das Vorliegen ordnungsgemäßer, zum Vorsteuerabzug berechtigender Rechnungen als steuererhebliche Tatsachen[3]), da dem Angeklagten nach den o.g. Grundsätzen die Erklärungsherrschaft zukommt (s. Rz. 107 ff.). Es handelt sich dann nicht um Angaben, die die Sachbearbeiterinnen machen. Es können aber auch Erklärungen der Mandanten vorliegen, wenn diese den Erstattungsantrag in Kenntnis der Umstände selbst unterzeichnen.

Würden allerdings die Sachbearbeiterinnen die Belege (erkennbar) selbst einreichen, bspw. mit einem von ihnen selbst unterschriebenen Rückerstattungsantrag oder einem eigenen Anschreiben versehen, kann keine unmittelbare Täterschaft des A durch die bloße Veranlassung dieses Geschehens vorliegen. Zur Bejahung seiner täterschaftlichen Verantwortung muss A das Handeln der Sachbearbeiterinnen entweder über § 2...

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