Rz. 673

[Autor/Stand] Wegen des Kompensationsverbots des § 370 Abs. 4 Satz 3 AO war nach inzwischen zu Recht aufgegebener Auffassung des BGH der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung selbst dann erfüllt, wenn der Täter Umsätze nicht anmeldete, obwohl ihm im Ergebnis ein Steuererstattungsanspruch zustand (s. Rz. 528, 529.1)[2]. Meinte der Stpfl. in solchen Fällen, wegen seiner Vorsteuererstattungsansprüche keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgeben zu müssen, nahm der BGH zu seinen Gunsten aber einen Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB an, der den Verkürzungsvorsatz ausschließt.

 

Beispiel 2

A unterlässt es als Geschäftsführer der V-GmbH, die vierteljährlichen Umsatzsteuererklärungen für die Gesellschaft abzugeben. Für das 1. Quartal 1987 schuldete die GmbH im Ergebnis keine Umsatzsteuer. Der Umsatzsteuer i.H.v. 3.481 DM aus den Umsätzen im Voranmeldungszeitraum standen Vorsteuern i.H.v. 27.826 DM gegenüber. Die GmbH hatte also ein Steuerguthaben von 24.344 DM. A war stets über alle Geschäftsvorgänge informiert und wusste deshalb wenigstens möglicherweise, dass die GmbH für das 1. Quartal keine Zahllast traf.

Nach Auffassung des BGH hindert das Kompensationsverbot nicht, dass sich der Täter im Einzelfall im Hinblick auf eine tatsächlich gegebene Steuerabzugsberechtigung über das Bestehen des Steueranspruchs irrt und sich infolgedessen in einem Tatumstandsirrtum nach § 16 StGB befinde. Ein solcher Irrtum liege umso näher, als die nach § 16 Abs. 1 UStG berechnete Umsatzsteuer und die in denselben Besteuerungszeitraum fallende Vorsteuer steuerrechtlich als bloße Rechnungsfaktoren nur unselbständige Besteuerungsgrundlagen bilden, die zu saldieren sind[3]. Dogmatisch spricht jedoch vieles dafür, dass es sich in dieser Konstellation um einen (hier unvermeidbaren) Verbotsirrtum i.S.d. § 17 StGB handelt[4]. Denn wenn der Vorsteuererstattungsanspruch objektiv ohne Bedeutung für die Bestimmung des Verkürzungserfolgs ist, kann die subjektive Einschätzung, dies sei doch der Fall, den Tatbestandsvorsatz nicht berühren.

 

Rz. 674– 675

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.08.2020
[2] BGH v. 24.10.1990 – 3 StR 16/90, wistra 1991, 107.
[3] S. auch LG Oldenburg v. 15.4.1994 – IV Qs 65/94, wistra 1994, 276; Rolletschke, Steuerstrafrecht4, Rz. 120, 122b; Schmitz/Wulf in MünchKomm/StGB3, § 370 AO Rz. 178.
[4] Krit. auch Reiß in FS Mehle, S. 497 (513 f.).
[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.08.2020

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