Rz. 1126

[Autor/Stand] Als weiteres Tatbestandsmerkmal fordert § 370 Abs. 3 Nr. 5 AO, dass Umsatz- oder Verbrauchsteuern verkürzt sind oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchsteuervorteile erlangt werden. Als Tathandlungen kommen insofern beispielsweise infrage: die Abgabe einer falschen Umsatzsteuerjahreserklärung, einer unzutreffenden Umsatzsteuervoranmeldung oder etwa einer unzutreffenden Energiesteueranmeldung, die Nichtabgabe einer Umsatzsteuererklärung oder die Angabe falscher Vorsteuerabzüge bzw. das Nichtnachkommen von Anmeldepflichten bei Verbrauchsteuern. Das schlichte Nicht-Zahlen von Umsatzsteuern oder Verbrauchsteuern wird wegen des insoweit eindeutigen Wortlauts des § 370 Abs. 1 AO nicht erfasst. Die nicht rechtzeitige Entrichtung von Umsatzsteuern kann indes den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit des § 26b UStG bzw. bei gewerbs- oder bandenmäßiger Begehung den Straftatbestand des § 26c UStG erfüllen (zu diesen Vorschriften s. Rz. 1199 ff.).

 

Rz. 1126.1

[Autor/Stand] Indem der Gesetzgeber den Straftatbestand des § 370a AO a.F. gestrichen und das dort ehemals umschriebene Unrechtsverhalten in den Regelbeispielskatalog des § 370 Abs. 3 AO als dessen neue Nr. 5 aufgenommen hat, stellt sich die Frage, ob ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung dadurch verwirklicht werden kann, dass andere als die dort genannten Steuern bandenmäßig verkürzt werden.

Die Annahme des Regelbeispiels des § 370 Abs. 3 Nr. 5 AO bei einer bandenmäßigen Begehung außerhalb der Verkürzung von Umsatzsteuer oder Verbrauchsteuern scheidet nach dem eindeutigen Wortlaut zunächst aus[3]. Die Gesamtwürdigung aller Strafzumessungstatsachen kann jedoch zur Annahme eines sog. unbenannten besonders schweren Falls führen (s. Rz. 1089). So kann aus dem erhöhten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO auch dann bestraft werden, wenn der Sachverhalt einem dort benannten Beispielsfall ähnlich und in Unrecht und Schuld nicht deutlich verringert ist[4]. Allein der Umstand, dass andere Steuern als Umsatz- oder Verbrauchsteuern in § 370 Abs. 3 Nr. 5 AO nicht genannt werden, schließt daher nicht von vornherein die Annahme eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung bei bandenmäßiger Hinterziehung anderer Steuerarten aus.

 

Rz. 1126.2

[Autor/Stand] Um in den Anwendungsbereich des § 370 Abs. 3 AO zu fallen, müsste die bandenmäßige Verkürzung von anderen als Umsatz- und Verbrauchsteuern also deren Verkürzung ähnlich sowie im Unrechts- und Schuldgehalt nicht deutlich vermindert sein.

Um festzustellen, ob der Verkürzung anderer Steuern ein vergleichbarer Schuld- und Unrechtsgehalt innewohnt wie derjenigen, die der Gesetzgeber vor Augen hatte, als er in § 370 Abs. 3 Nr. 5 AO die Umsatz- und Verbrauchsteuern ausdrücklich als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung benannt hat, ist anhand des in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Gesetzeszwecks zu ermitteln.

§ 370 Abs. 3 Nr. 5 AO wurde geschaffen, um Umsatzsteuerkarusselle effektiv zu bekämpfen und damit den aufgehobenen Straftatbestand des § 370a AO a.F. zu ersetzen, der seinerseits zuvor eingeführt worden war, um Umsatzsteuerkarusselle wirksam zu bekämpfen[6]. Der Gesetzgeber hatte § 370a AO a.F. aufgrund der vom BGH geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken aufgehoben. Dies stand jedoch nicht im Zusammenhang damit, dass der Gesetzgeber den Strafzweck des § 370a a.F. als relativiert oder entfallen ansah. Mithin widerspricht es dem Zweck der Vorschrift, wenn die bandenmäßige Steuerverkürzung anderer Steuerarten als Umsatz- und Verbrauchsteuern mit der erhöhten Strafandrohung des § 370 Abs. 3 AO belegt werden. Zudem ist auch die weitere Frage, ob die Hinterziehung anderer Steuerarten der Verkürzung von Umsatz- oder Verbrauchsteuern in Schuld- und Unrechtsgehalt gleichkommt, zu verneinen. Umsatzsteuerkarusselle führen zu einem massiven steuerlichen Minderaufkommen und so zu einem erheblichen wirtschaftlichen Schaden. Im Jahr 2018 nahmen Bund, Länder und Gemeinden insgesamt Steuern i.H.v. 776 Mrd. Euro ein. Den größten Teil machten die Gemeinschaftssteuern mit rd. 567 Mrd. Euro aus, von denen rd. 235 Mrd. Euro auf die Umsatzsteuer entfielen. Vor diesem Hintergrund haben sie gegenüber anderen Steuerverkürzungen damit weitaus schwerwiegendere Folgen für das Allgemeinwohl.

Entscheidend ist drittens, dass Umsatzsteuerkarusselle nur von einem aus mehreren Personen bestehenden, organisierten Umfeld durchgeführt werden können. Zu einem Umsatzsteuerkarussell gehören zwingend mindestens zwei, häufig auch drei oder mehr Personen[7]. Sie gehören somit fast zwangsläufig zur Organisierten Kriminalität. Schon aus diesem Grund ragen Verkürzungen von Umsatz- und Verbrauchsteuern in Schuld- und Unrechtsgehalt gegenüber Steuerverkürzungen anderer Steuerarten besonders hervor. Daher ist überaus zweifelhaft, ob die bandenmäßige Verkürzung von anderen Steuerarten im Hinblick auf Schuld- und Unrechtsgehalt vergleichbar ist.

Schließlich spricht auch die Intention des Geset...

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