Rz. 1587

[Autor/Stand] In- und ausländische Kapitalgesellschaften sind selbständige Steuersubjekte (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Nr. 1 KStG, § 2 Abs. 2 GewStG), d.h. es ist stets zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterebene zu trennen. Das Trennungsprinzip[2] gilt auch für international verbundene Kapitalgesellschaften, insbesondere für international operierende Konzerne[3]. Für jede einzelne verbundene Kapitalgesellschaft sind die Einkünfte gesondert zu ermitteln. Auch wenn es sich um selbständige Steuersubjekte handelt, ändert dies nichts an dem Umstand, dass sie eine wirtschaftliche Einheit darstellen können. Aus diesem Grund sind Geschäftsbeziehungen zwischen auf solche Weise verbundenen Kapitalgesellschaften nicht von zwischen fremden Dritten üblichen Interessengegensätzen geprägt. Ist ein derartiges Drittfremdverhalten nicht gegeben und sind hierdurch die Einkünfte der an den Geschäftsbeziehungen beteiligten miteinander verbundenen Kapitalgesellschaften beeinflusst worden, greifen die besonderen Einkünftekorrekturnormen der § 1 AStG[4] (Berichtigung von Einkünften), § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung), § 8 Abs. 3 Satz 3–6 KStG (verdeckte Einlage)[5].

Mit dem Jahressteuergesetz 2013 wurde der sog. "Authorized OECD Approach" (AOA) für die Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten eingeführt. Danach ist die Betriebsstätte gem. § 1 Abs. 5 AStG "wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln" – es sei denn, die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen erfordert eine andere Behandlung – und muss hinsichtlich getragener Chancen und Risiken sowie ausgeübter Funktionen wie ein verbundenes Unternehmen behandelt werden. Somit gilt auch hier das Arm’s Length Principle, wonach Verrechnungspreise zwischen dem Unternehmen und seiner Betriebsstätte wie zwischen zwei fremden Dritten zu ermitteln sind[6]. Die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Neuregelegungen des § 1 AStG sind teils heftig umstritten[7]. Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf den Tatbestand der Steuerhinterziehung.

Die FinB ist aus Gründen des Völkerrechts nicht befugt, im Ausland Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Daher begründet § 90 Abs. 2 AO erweiterte Mitwirkungspflichten[8]. Hiernach haben die Beteiligten grenzüberschreitend ausländische Sachverhalte aufzuklären und die dafür erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz – StVergAbG – vom 16.5.2003[9] wurde § 90 AO daher um einen Abs. 3 ergänzt[10]. § 90 Abs. 3 AO soll es der Finanzverwaltung ermöglichen, die Einkünfteabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen zu prüfen ("Verrechnungspreisprüfung")[11]. Seitdem hat ein Stpfl. gem. § 90 Abs. 3 Satz 1 AO bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG Aufzeichnungen zu treffen ("Sachverhaltsdokumentation")[12]. Die Aufzeichnungspflicht umfasst gem. § 90 Abs. 3 Satz 2 AO auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtende Vereinbarung von Preisen und anderen Geschäftsbedingungen mit den Nahestehenden ("Angemessenheitsdokumentation")[13], in deren Rahmen dem Stpfl. rechtliche Wertungen, insbesondere eine Subsumtion unter § 1 AStG abverlangt werden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 GAufzV). Gemäß § 90 Abs. 3 Satz 3 AO sind die Aufzeichnungen bei außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen zeitnah zu erstellen.

Die durch § 90 Abs. 3 Satz 1–4 AO begründeten besonderen Mitwirkungspflichten des Stpfl. werden durch die aufgrund § 90 Abs. 3 Satz 5 AO erlassene Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV) vom 12.7.2017[14] gem. § 8 GAufzV, konkretisiert. Zur weiteren Konkretisierung erging das BMF-Schreiben vom 12.4.2005[15] mit dem Titel "Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahestehenden Personen mit grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen in Bezug auf Ermittlungs- und Mitwirkungspflichten, Berichtigungen sowie auf Verständigungs- und EU-Schiedsverfahren (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren)", das vor allem der Konkretisierung der in § 90 Abs. 3 AO enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe dienen sollte[16].

Neugefasst wurden auch die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise[17]. Die Verwaltungsgrundsätze-Verfahren werden als Versuch verstanden, in wesentlichen Bereichen die Grenzen der bisherigen Verwaltungsauffassung zu Lasten der betroffenen Stpfl. zu verschieben[18]. Zwar ist zu berücksichtigen, dass sie lediglich die Auffassung der Finanzverwaltung wiedergeben und nicht in der Lage sind, rechtlich bindende Anforderungen für den Stpfl. und die Judikatur zu setzen[19]. Praktisch kommt ihnen aufgrund der Bindungswirkung für die Finanzverwaltung, insb. die Außenprüfung, freilich dennoch erhebliche Bedeutung zu. Daneben existiert die Betriebsstättengewinnaufteilungs-Verordnung[20].

Auf europäischer Ebene existiert der EU-Verhaltenskodex zur Verrechnungspreisdokumentation, der za...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge