Rz. 652

[Autor/Stand] Ist der Irrtum von strafrechtlicher Bedeutung, muss sein Vorliegen vom Gericht festgestellt werden. Dabei gilt der Grundsatz in dubio pro reo. Für die Verteidigung besteht das Problem, den Irrtum – einen rein inneren Vorgang – anhand äußerer Umstände so nachzuweisen, dass die Annahme des Gerichts, der Täter habe vorsätzlich bzw. mit Unrechtsbewusstsein gehandelt, ernsthaft erschüttert werden kann. Argumente finden sich oft in (bezeugbaren) Gesprächen des Beschuldigten, die er vor der Tat mit Dritten geführt hat (Geschäftspartner, Familienmitglieder, Steuerberater oder Rechtsanwalt)[2]. Auch Indizien (z.B. steuerrechtliche Vorkenntnisse oder Erfahrungen aus vorangegangenen Prüfungen) können für oder gegen vorsätzliches Handeln sprechen (s. Rz. 616). Die Prüfung der Frage, ob ein Tatbestandsirrtum bestanden hat, bedarf einer Gesamtwürdigung aller Umstände, die für das Vorstellungsbild des Täters von Bedeutung waren[3]. Ein Irrtum des Stpfl. wird nur schwer nachvollziehbar gemacht werden können, wenn er durch seinen Berater oder die FinB auf die Steuerpflicht ausdrücklich hingewiesen wurde.

 

Beispiel 3

(s. auch das Beispiel Rz. 616): Der Angeklagte war überzeugt, dass Geschäfte mit Doppeloptionen nicht umsatzsteuerpflichtig seien, obwohl ihn sein Steuerberater auf die Umsatzbesteuerung von Warentermingeschäften hingewiesen hatte. Ging A tatsächlich davon aus, dass Umsatzsteuer nicht anfiel, also kein Steueranspruch bestand, befand er sich in einem Tatumstandsirrtum (s. Rz. 647, 658 ff.). Nahe liegt es allerdings, in diesen Fällen wenigstens dolus eventualis anzunehmen. Denn derjenige, der von seinem fachkundigen Berater eine Information erhält, wird in aller Regel wenigstens ernsthaft davon ausgehen, dass diese Information zutreffend sein kann[4].

 

Rz. 653

[Autor/Stand] Oft werden entsprechende Einlassungen des Beschuldigten durch die Strafverfolgungsbehörden als Schutzbehauptungen abgetan. Angesichts der Kompliziertheit des deutschen Steuerrechts müsste man eigentlich annehmen, dass es im Steuerstrafrecht eine Vielzahl einschlägiger Judikatur zu Irrtumsfragen gäbe. Fälle eines anerkannten Tatumstandsirrtums sind jedoch eher die Ausnahme. Die Rspr. tendiert dahin, zumindest bedingten Vorsatz anzunehmen[6]. Ähnliches gilt beim Verbotsirrtum, der i.d.R. als vermeidbar und damit strafrechtlich als irrelevant eingestuft wird.

 

Rz. 654– 655

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.08.2020
[2] Vgl. zum Insiderstrafrecht Ransiek in FS Otto, S. 715 (717 f.) m. Bsp.
[3] BGH v. 10.1.2019 – 1 StR 347/18, NZWiSt 2019, 261 (263).
[4] Vgl. BGH v. 10.11.1999 – 5 StR 221/99, wistra 2000, 137; BGH v. 23.2.2000 – 5 StR 570/99, wistra 2000, 217.
[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.08.2020
[6] Vgl. nur BGH v. 17.2.1998 – 5 StR 624/97, wistra 1998, 225.
[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.08.2020

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