Rz. 1131

[Autor/Stand] Die Rechtsordnung kann sich bei der Ahndung von Straftaten nicht damit begnügen, entsprechend der individuellen Schuld des Tatbeteiligten Strafen festzusetzen. Strafe allein erfüllt nicht die Sicherungsfunktion, die von der staatlichen Reaktion auf strafwürdiges Verhalten erwartet wird. Aus diesem Grund kennt unser Recht nicht nur das System der sog. "Maßregeln der Besserung und Sicherung" (vgl. §§ 61 ff. StGB), sondern als weitere Rechtsfolge auch die Einziehung von Gegenständen (Tatprodukte, Tatmittel, Tatobjekte).

§ 74 StGB entspricht auch nach der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung[2] im Wesentlichen der bis dahin geltenden Fassung. Die bislang in § 74 Abs. 2 Nr. 2 StGB a.F. geregelte Sicherungseinziehung ist nunmehr in § 74b StGB geregelt.

 

Beispiel

A kauft in der Schweiz für 2.500 EUR Zigarren, um seinen Vorrat aufzufüllen. Als er diese Zigarren schwarz über die Grenze bringen will, wird er gefasst. Später wird A vom zuständigen AG zu einer Geldstrafe i.H.v. 40 Tagessätzen à 100 EUR verurteilt. Darüber hinaus ordnet der Richter die Einziehung der Zigarren gem. § 375 Abs. 2 Nr. 1 AO, § 74 Abs. 3 StGB an.

Die Einziehung nach § 74 StGB, die sich gegen den Täter oder Teilnehmer richtet, hat Strafcharakter: Dem Tatbeteiligten, der durch strafrechtswidrigen Gebrauch seines Eigentums den Schutz des Art. 14 GG verwirkt hat, soll durch Entziehung der tatverstrickten Gegenstände die Verwerflichkeit seines Tuns besonders nachhaltig vor Augen geführt werden[3].

 

Rz. 1131.1

[Autor/Stand] Als Folge aus dem Strafcharakter des § 74 StGB ergibt sich, dass die Einziehung Teil der Strafzumessung ist, die in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden muss. Dazu der BGH[5]:

„Die Einziehung [...] geschah als Nebenstrafe, die Entscheidung über ihre Anwendung war eine Frage der Zumessung (vgl. BGH v. 5.12.1956 – 4 StR 406/56, BGHSt 10, 28, 33; BGH v. 19.6.1957 – 4 StR 157/57, BGHSt 10, 337, 338; BGH v. 14.10.1970 – 3 StR 180/70; BGH v. 18.8.1981 – 1 StR 450/81; Schäfer in LK, 10. Aufl., § 74 StGB Rz. 4; Dreher/Tröndle, StGB, 41. Aufl., § 74 Rz. 2). Welche rechtlichen Folgen sich aus dieser Einstufung ergeben, ist allerdings von der Rechtsprechung bisher nicht erschöpfend erörtert. Zwar war schon unter der Geltung des § 40 StGB a.F. anerkannt, dass der Tatrichter, wenn er Einziehung erwägt, ‚eingehend prüfen (muss), ob sie nach den gesamten Umständen als Ergänzung der Hauptstrafe zur Sühne des Unrechtsgehalts der Tat unter angemessener Berücksichtigung der übrigen Strafzwecke erforderlich ist‘ (BGH v. 19.6.1957 – 4 StR 157/57, BGHSt 10, 337, 338), ferner, dass selbst eine zwingend vorgeschriebene Einziehung dann zu unterbleiben hatte, wenn sie im Einzelfall für den Angekl. eine übermäßige Härte bedeutet hätte (BGH v. 17.10.1961 – 1 StR 130/61, BGHSt 16, 282, 290). Dem hiermit angesprochenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. aaO, S. 285) hat der Gesetzgeber in § 74b StGB [nunmehr in § 74f StGB geregelt] Rechnung getragen. Indes wird damit nur bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Einziehung zulässig ist oder zu unterbleiben hat; offen bleibt, inwieweit die nach diesen Grundsätzen zulässige Einziehung Einfluss auf die Bemessung der Hauptstrafe haben muss oder kann. Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, Strafe und Einziehung seien in ihrer Gesamtwirkung auf den Angekl. abzustimmen ‚dergestalt, dass Strafe und Einziehung in ihrer Kumulierung schuldangemessen sein müssen‘ (Schäfer, aaO, § 74b Rz. 3). Mit Rücksicht auf die Einziehung sei es deshalb möglich, die an sich angemessene Freiheits- oder Geldstrafe niedriger zu bemessen (Dreher/Tröndle, aaO, § 74b Rz. 2). In der Rechtsprechung wird diese Auffassung vom OLG Saarbrücken v. 30.5.1974 – Ss 155/73, NJW 1975, 65, vertreten, während die Entscheidung BGH v. 17.10.1961 – 1 StR 130/61, BGHSt 16, 282, 288 sich auf die Erwägung beschränkt, es sei – ‚unbedenklich [...] zulässig, im Rahmen der Hauptstrafe [...] Härten auszugleichen, die eine zwingend vorgeschriebene Nebenstrafe etwa mit sich bringt‘.

Der hier zu entscheidende Fall nötigt nicht zur abschließenden Erörterung des Verhältnisses von (Haupt-)Strafe und Einziehung, zumal bei diesem – schillernden Rechtsinstitut (Lackner, StGB, 15. Aufl., § 74 Anm. 1a) Gesichtspunkte ganz verschiedener Art eine Rolle spielen; deshalb hat auch der Gesetzgeber davon abgesehen, insoweit nähere Bestimmung zu treffen (vgl. Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, S. 1029 ff.).

Jedenfalls muss der Tatrichter erkennen lassen, dass er sich bei Anordnung der Einziehung bewusst war, (Neben-)Strafe zu verhängen, und dass er aus diesem Grund – um insgesamt zu einer schuldangemessenen Reaktion zu kommen – eine Gesamtschau mit der Hauptstrafe vorgenommen hat. Dies gilt in besonderem Maße, wenn der einzuziehende Gegenstand von beträchtlichem Wert ist.”

 

Rz. 1131.2

[Autor/Stand] Nachdem die Sicherungseinziehung aus systematischen Gründen eigenständig in § 74b StGB ger...

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