a) Steuergesetze

 

Rz. 20

[Autor/Stand] Umstritten ist, was unter dem Begriff des Steuergesetzes zu verstehen ist. Im Gegensatz zur Regelung der RAO 1931, die in § 2 Abs. 2 RAO eine Aufzählung wichtiger Steuergesetze enthielt, wird der Begriff des Steuergesetzes heute nicht mehr umschrieben. Zumindest für den Bereich des Steuerstrafrechts ergibt sich jedoch insb. aus der in § 369 Abs. 2 AO verwendeten Formulierung "die Strafvorschriften der Steuergesetze", dass mit dem Steuergesetz i.S.d. § 369 AO nicht die Einzelvorschrift, sondern das Gesetz als Ganzes gemeint ist[2]. Darunter sind Gesetze zu verstehen, die die Begründung oder Verwirklichung von Steueransprüchen i.S.v. § 3 Abs. 1 AO regeln. Danach sind Steuern Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen auferlegt werden, wobei die Erzielung von Einnahmen Nebenzweck sein kann. Ein Gesetz ist somit ein Steuergesetz, wenn es in seiner Gesamtheit diesem Zweck dient. Das kann von der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bis hin zur Beitreibung des Steueranspruchs reichen (s. § 377 Rz. 4). Der Umstand, dass einzelne Vorschriften eines Steuergesetzes keinen spezifisch steuerrechtlichen Bezug aufweisen mögen, steht der Einordnung des Gesetzes als Steuergesetz nicht entgegen. Dabei ist einzuräumen, dass bei dieser Deutung die eigenständige Nennung des Bannbruchs in § 369 Abs. 1 Nr. 2 AO erklärungsbedürftig ist[3], da der in § 372 AO unter Strafe gestellte Bannbruch auch Strafvorschrift eines Steuergesetzes i.S.d. Abs. 1 Nr. 1 ist (s. Rz. 31).

 

Rz. 21

[Autor/Stand] Steuerstraftaten i.S.v. § 369 Abs. 1 Nr. 1 AO sind demzufolge:

  • die Steuerhinterziehung (§ 370 AO) in allen Erscheinungsformen, also einschließlich der Hinterziehungsfälle des gewerbsmäßigen, gewaltsamen oder bandenmäßigen Schmuggels (§ 373 AO),
  • die Steuerhehlerei (§ 374 AO) als Anschlusstat einer Steuerhinterziehung oder eines Bannbruchs (s. § 374 Rz. 13 f.),
  • bis zum 1.7.2021 der Tatbestand des § 23 Rennwett- und Lotteriegesetzes, wonach wegen Steuerhinterziehung auch bestraft wurde, wer im Inland den Vertrieb unversteuerter ausländischer Lose oder ausländischer Ausweise über Ausspielungen besorgte,
  • die gewerbs- oder bandenmäßige Schädigung des Umsatzsteueraufkommens (§ 26a Abs. 1, § 26c UStG).
 

Rz. 22

[Autor/Stand] Keine Steuerstraftaten sind nach geltendem Recht:

  • der Steuergeheimnisbruch (§ 355 StGB i.V.m. § 30 AO)[6], der diese Eigenschaft mit Inkrafttreten des EGStGB am 1.1.1975 verloren hat[7]. Bis dahin war er als Steuerstraftatbestand in § 400 RAO 1968 geregelt. Die Änderung hatte vor allem zur Folge, dass die FinB nicht mehr für die Strafverfolgung zuständig sind (§ 386 AO);
  • die Abgabenüberhebung (§ 353 Abs. 1 StGB), was sich bereits aus dem Standort der Vorschrift im StGB ergibt (s. Rz. 16). Unabhängig davon ist die Abgabenüberhebung nach ihrem materiellen Unrechtsgehalt keine Steuerstraftat, weil kein Steueranspruch verkürzt, ein solcher dem Zahlenden vielmehr nur vorgetäuscht wird[8]. Die Strafvorschrift der Abgabenüberhebung wird deshalb zu Recht als ein Sondertatbestand des Betruges angesehen.

b) Beschränkung auf Steuergesetze nach § 1 Abs. 1 und 2 AO

 

Rz. 23

[Autor/Stand] Nicht sämtliche Steuergesetze, die Straftatbestände enthalten, sind damit jedoch automatisch Steuerstrafgesetze i.S.d. § 369 AO. Der Anwendungsbereich der gesamten AO wird vielmehr durch § 1 Abs. 1 und 2 AO näher festgelegt und beschränkt, so dass auch § 369 Abs. 1 Nr. 1 AO als Teil der Gesamtregelung nicht weiter gehen kann als dies die Vorgabe des § 1 AO erlaubt. Danach ist der Anwendungsbereich der AO auf Steuern einschließlich Steuervergütungen beschränkt, die durch Bundesrecht oder Recht der EU geregelt sind, soweit sie durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AO) und das Recht der EU nicht entgegensteht (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AO). Nach § 1 Abs. 2 Nr. 7 AO gelten die Straf- und Bußgeldvorschriften sowie die Verfahrensvorschriften des Achten Teils auch für die Realsteuern, deren Verwaltung den Gemeinden übertragen wurde. Nach § 3 Abs. 2 AO sind das die Grundsteuer und die Gewerbesteuer. Damit sind im Ausgangspunkt die Landessteuergesetze und somit die in Art. 105 Abs. 2a GG angeführten örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern nicht im unmittelbaren Anwendungsbereich der AO[10].

[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.02.2022
[2] Vgl. Joecks in JJR8, § 369 AO Rz. 5, der nach unmittelbarer bzw. mittelbarer Gefährdung des Steueraufkommens differenziert.
[3] Vgl. Joecks in JJR8, § 369 AO Rz. 5.
[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.02.2022
[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.02.2022
[6] Joecks in JJR8, § 369 AO Rz. 5.
[7] Vgl. BT-Drucks. VI/1812, 193; BT-Drucks. VII/1261, 51.
[8] BGH v. 11.4.1972 – 1 StR 45/72, NJW 1972, 1287; vgl. auch BGH v. 6.11.1951 – 2 StR 178/51, BGHSt 2, 35 (37); BGH v. 22.11.1960 – 1 StR 466/60, NJW 1961, 1171 f.; Fischer68, § 263 StGB Rz. 16.
[Autor/Stand] Autor: R...

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