OFD Hannover, 1.9.2004, S 0331 - 4 - StH 462/S 0331 - 5 - StO 321

Aufgrund der Ermächtigung in § 156 Abs. 1 AO hat der Bundesminister der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates die Kleinbetragsverordnung (KBV) vom 10.12.1980 (BStBl 1980 I S. 784), neugefasst durch Art. 26 StEugIG vom 19.12.2000 (BGBl 200 I S. 1790) erlassen. Nach Art. 97 § 9a EGAO sind die Vorschriften der KBV in der Neufassung vom 19.12.2000 auf Steuern anzuwenden, die nach dem 31.12.2001 entstanden sind. Bei der Anwendung der KBV wird gebeten Folgendes zu beachten:

 

I. Anwendungsbereich

1. Die KBV gilt nur für das Festsetzungsverfahren. Im Erhebungsverfahren ist sie nicht anwendbar. Soweit sich Kleinbeträge kassentechnisch als Rest eines ursprünglich höheren Anspruchs ergeben (z.B. nach teilweiser Zahlung, durch Anrechnung von Vorauszahlungen, durch Umbuchung oder Aufrechnung), ist die Behandlung von Kleinbeträgen durch Verwaltungserlass geregelt worden.

2. Die Regelungen der KBV gelten für sämtliche Verfahrensstadien, d.h., auch bei der Entscheidung über Rechtsbehelfe gegen Steuerbescheide oder bei der Änderung von Steuerfestsetzungen, die unter Vorbehalt der Nachprüfung stehen oder für vorläufig erklärt worden sind.

 

II. Änderungen oder Berichtigungen (§§ 1 – 4 KBV)

 

1. Allgemeines

1.1 Die §§ 14 KBV finden Anwendung, wenn die dort genannten Festsetzungen und Feststellungen geändert/berichtigt werden. Dabei ist es – entgegen der bisherigen Regelung – unbeachtlich, ob sich die Änderung/Berichtigung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Steuerpflichtigen (Stpfl.) auswirkt (s.a. Nr. 7 AEAO vor §§ 172177 AO).

Die KBV gilt nicht für

  1. erstmalige Festsetzungen/Feststellungen,
  2. Änderungen oder Berichtigungen anderer, nicht in der KBV genannten Festsetzungen/Feststellungen,
  3. ersatzlose Aufhebungen von Festsetzungen/Feststellungen,
  4. steuerliche Nebenleistungen (z.B. Verspätungszuschläge).

1.2 Um eine Festsetzung i.S. der KBV handelt es sich auch, wenn ein Freistellungsbescheid oder ein Bescheid über die Ablehnung eines Antrags auf Durchführung einer Veranlagung geändert oder berichtigt werden soll.

 

2. Zu § 1

 

2.1 Einkommensteuer und Körperschaftsteuer

2.1.1 Bei diesen Steuern ist nach § 1 Abs. 1 Satz 2 KBV für die Berechnung der Abweichung jeweils die nach Abzug von Steuerabzugsbeträgen und Anrechnung von Körperschaftsteuerverbleibende Steuer zu vergleichen. Denn im automatisierten Besteuerungsverfahren wird nur dieser Steuerbetrag (die sog. Zahllast) und nicht die „festgesetzte Steuer” gespeichert. Ist die erstmalige Steuerfestsetzung bereits geändert oder berichtigt worden, so ist die jeweils letzte Festsetzung Ausgangspunkt für die Berechnung der Abweichung.

2.1.2 Ist ausschließlich die Anrechnung der Steuerabzugsbeträge zu Ungunsten des Stpfl. zu berichtigen, ohne dass die Steuerfestsetzung selbst geändert wird, so findet § 1 KBV zwar unmittelbar keine Anwendung; es bestehen jedoch keine Bedenken, auch in diesen Fällen bei Abweichungen zum Nachteil des Stpfl. von weniger als 10 EUR von einer Berichtigung abzusehen.

 

2.2 Solidaritätszuschlag (Annexsteuern)

Nach § 1 Abs. 5 Satz 2 Solidaritätszuschlagsgesetz (SolZG) vom 15.10.2002 ist bei einer Änderung/Berichtigung der Einkommen- oder Körperschaftsteuer auch eine entsprechende Änderung/Berichtigung der Annex-Steuerfestsetzung vorzunehmen, ohne dass bei den Annexsteuern die Voraussetzungen des § 1 KBV geprüft werden. Unterbleibt die Änderung/Berichtigung der zugrunde liegenden Steuerfestsetzung, weil die Voraussetzungen des § 1 KBV nicht vorliegen, so wird auch eine Folgeänderung/Folgeberichtigung der Annexsteuern nicht durchgeführt.

2.2.2 Sind ausschließlich die Annexsteuern zu ändern/berichtigen (isolierte Änderung/Berichtigung), so ist die KBV nicht anzuwenden.

 

2.3 Kirchensteuer

Die KBV ist auf die Kirchensteuer nicht anwendbar.

Daraus folgt:

2.3.1 Liegen die Gründe für eine Änderung/Berichtigung ausschließlich im Bereich der Kirchensteuer (isolierte Änderung/Berichtigung z.B. wegen unzutreffender Schlüsselzahl, unrichtiger Angaben zur Dauer der Kirchenzugehörigkeit oder zur Höhe der anzurechnenden Abzugsbeträge o.Ä.), so ist stets eine Änderung/Berichtigung unabhängig von der Höhe des nachzuerhebenden Betrags durchzuführen.

2.3.2 Bei einer Änderung/Berichtigung der Einkommensteuer (Lohnsteuer) wird die Kirchensteuer auch dann neu festgesetzt, wenn die Abweichung von der bisherigen Festsetzung oder von dem bisherigen Erstattungsbetrag weniger als 10 EUR beträgt.

2.3.3 Unterbleibt die Änderung/Berichtigung der Einkommensteuer (Lohnsteuer), so wird – mangels neuer Bemessungsgrundlage – auch eine Folgeänderung/Folgeberichtigung der Kirchensteuerfestsetzung nicht durchgeführt.

 

2.4 Arbeitnehmer-Sparzulage

2.4.1 Bei der Arbeitnehmer-Sparzulage ergeben sich mittelbare Konsequenzen aus § 1 KBV, wenn

  1. der bisherigen Einkommensteuerfestsetzung im maßgeblichen Kalenderjahr ein zu versteuerndes Einkommen von nicht mehr als 17.900 EUR/35.800 EUR zugrunde liegt und
  2. sich nachträglich herausstellt, dass das zu versteuernde Einkommen...

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