Verfahrensgang

AG Berlin-Spandau (Aktenzeichen 64 VI 403/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Spandau als Nachlassgericht vom 10. Oktober 2017 geändert:

Die dem Erbscheinsantrag vom 27. Juli 2017 zugrundeliegenden Tatsachen werden festgestellt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die einzigen Kinder des am 25. Juni 2016 verstorbenen Erblassers aus seiner ersten Ehe. Sie begehren die Erteilung eines Erbscheins, der sie zu gesetzlichen Erben zu je einem Halb ausweist. Der Erblasser hat seine zweite Ehefrau überlebt und mit dieser ein gemeinschaftliches notarielles Testament vom 5. Oktober 1992 errichtet, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben einsetzten (BA AG ...).

Bei dem Nachlassgericht ist am 1. August 2016 eine notariell beglaubigte Erbausschlagungserklärung des Beteiligten zu 1) vom 28. Juli 2016 eingegangen (Bl. 2 d. A.). Darin erklärte der Beteiligte zu 1) die Erbausschlagung vorsorglich aus sämtlichen Berufungsgründen und gab an, dass er zum Nachlasswert keine Auskunft erteilen könne.

Die Beteiligte zu 2) gab für sich und ihren Sohn gleichlautende notariell beglaubigte Erbausschlagungserklärungen unter dem 1. August 2016 ab, die beim Nachlassgericht am 2. August 2016 eingegangen sind (Bl. 5 d. A.).

Am 3. August 2016erschien Frau V. L. bei dem Nachlassgericht und erklärte, die Vorsorgebevollmächtigte des Erblassers gewesen zu sein. Sie übergab neun Schlüssel für das vom Erblasser gemietete Reihenhaus sowie diverse Unterlagen, aus denen sich ergab, dass ein Aktivnachlass von über 50.000,- EUR vorhanden ist.

Die mit Beschluss vom 4. August 2016 bestellte Nachlasspflegerin hat unter dem 28. März 2017 das Nachlassverzeichnis vorgelegt (Bl. 13 ff d. A.), wonach zum Zeitpunkt des Erbfalls ein Bankguthaben über 53.795,53 Euro und unter Berücksichtigung der Passiva - u. a. einer Verbindlichkeit der Vorsorgebevollmächtigten in Höhe von 3.412,50 Euro - ein reiner Nachlass von 42.218,77 Euro vorhanden war.

Mit notariell beglaubigten Erklärungen vom 8. Mai 2017, eingegangen bei dem Nachlassgericht am 11. Mai 2017, haben die Beteiligten zu 1) und 2) ihre Ausschlagungserklärungen aus allen Gründen, insbesondere wegen Irrtums, angefochten. Der Beteiligte zu 1) hat angegeben, die Vorsorgebevollmächtigte habe ihm den Zutritt zur Wohnung seines Vaters und die Herausgabe der Wohnungsschlüssel verweigert. Sie habe sich darauf berufen, seit über 20 Jahren im Haushalt seines Vaters tätig zu sein, noch offene Forderungen gegen seinen Vater zu haben und gesagt, alles Weitere sei vom Gericht zu klären. Weitere Auskünfte habe sie verweigert. Da er innerhalb der sechswöchigen Ausschlagungsfrist keine Möglichkeit gehabt habe, sich über die verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses zu informieren, habe er davon ausgehen müssen, dass der Nachlass im Wesentlichen aus der Wohnungseinrichtung und etwaigen Verbindlichkeiten gegenüber der Vorsorgebevollmächtigten und dem Wohnungsvermieter besteht. Erst aus der Nachfrage der Nachlasspflegerin nach weiteren Verwandten seines Vaters habe sich ergeben, dass der Nachlass weitere Wertgegenstände umfasste, die den Wert der Wohnungseinrichtung erheblich überstiegen, so dass er nicht überschuldet, sondern werthaltig ist. Er fühle sich durch das Verhalten der Vorsorgebevollmächtigten bewusst getäuscht. Die Beteiligte zu 2) hat angegeben, von den Informationen ihres Bruders ausgegangen zu sein und sich deshalb ebenfalls in einem Irrtum über die verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses befunden zu haben.

Den am 28. Juli 2017 eingegangenen Erbscheinsantrag (Bl. 36 ff d. A.) hat das Nachlassgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 10. Oktober 2017 zurückgewiesen mit der Begründung, ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum scheide aus, weil die Formulierung in den Ausschlagungserklärungen ("Zum Nachlasswert kann ich keine Auskunft erteilen") vermuten lasse, dass die Ausschlagungen unabhängig von der Höhe des Nachlasses vorgenommen worden seien. Außerdem handele es sich - so die im Beschluss in Bezug genommenen vorangegangenen Hinweise - bei den angegebenen Gründen um Umstände, die nicht aus der jeweiligen Urkunde selbst ersichtlich und nicht allgemein bekannt seien und daher zur Auslegung nicht herangezogen werden könnten.

Hiergegen richtet sich die nach Zustellung des Beschlusses am 13. Oktober bzw. 16. Oktober 2017 am 13. November 2017 eingegangene Beschwerde der Beteiligten, mit der sie ihren Antrag auf Erteilung des beantragten Erbscheins weiter verfolgen.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 6.2.2018, auf dessen Inhalt verwiesen wird, haben die Beteiligten ihre Beschwerde ergänzend begründet und weiter zu den durch die Äußerungen der Vorsorgebevollmächtigten hervorgerufenen Fehlvorstellungen vorgetragen.

II. Die Beschwerde der Beteiligten ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem Nachlassgericht eingegangen.

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