Leitsatz

Verdeckte Gewinnausschüttungen können auf der Ebene des Anteilseigners nur besteuert werden, wenn diesem Einnahmen tatsächlich zugeflossen sind. Ist das nicht der Fall, darf bei einem Minderheitsgesellschafter ein Zufluss im Rahmen des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht fingiert werden.

 

Sachverhalt

Der Kläger, ein gelernter Kürschner, trat zu 30% als Gesellschafter in eine Gerüstbau GmbH ein, deren beherrschende Gesellschafterin die Lebensgefährtin seines Bruders war. Der Bruder fungierte als faktischer Geschäftsführer der GmbH. Er verkaufte über mehrere Jahre hinweg in Millionenhöhe gebrauchte Gerüstbauteile der GmbH. Weder die auf die GmbH ausgestellten Rechnungen noch die bar vereinnahmten Beträge erschienen in der Buchhaltung der GmbH. Das FA rechnete die vereinnahmten Beträge anteilig dem Kläger als Gesellschafter der GmbH zu und korrigierte die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht ging zunächst von einer verdeckten Gewinnausschüttung auf Ebene der GmbH aus. Für die Frage, ob die vGA auch den Gesellschaftern zuzurechnen ist, differenziert das Gericht jedoch. Bei beherrschenden Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft ist im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BFH der Zufluss von Einnahmen zu bejahen, ohne dass es auf eine Zahlung, eine entsprechende Gutschrift oder den Übergang der tatsächliche Verfügungsmacht ankommt. Auch bei einer Zuwendung an eine dem beherrschenden Gesellschafter nahestehende Person wird im Regelfall angenommen, dass dem Gesellschafter dadurch auch selbst ein Vermögensvorteil zufließt.

Anders beurteilt das Gericht die Zurechnung bei einem Minderheitsgesellschafter. Dieser muss bei einer vGA Einnahmen aus Kapitalvermögen nur versteuern, wenn diesem Einnahmen tatsächlich zugeflossen sind. Im Urteilsfall traf dies nicht zu, da der faktische Geschäftsführer die Beträge für sich allein vereinnahmt hat. Eine Zuflussfiktion ist ausgeschlossen (BFH Beschluss vom 29. Juni 2000, XI B 10/00, BFH/NV 2000, 1469). Darüberhinaus kommt eine Fiktion des Zuflusses nur in Ausnahmefällen in Betracht, etwa wenn sich durch den Zufluss bei einer der dem Minderheitsgesellschafter nahe stehenden Person eine geplante Zuwendung des Minderheitsgesellschafter an diese erübrigt oder eine vergleichbare Verbindlichkeit getilgt wird (BFH-Urteil vom 29.09.1981 VIII R 8/77, BFHE 135, 31, BStBl II 1982, 248). Dies war im entschiedenen Fall nicht festgestellt worden.

 

Hinweis

Eine Zuflussfiktion kam nach Meinung des Finanzgerichts allerdings bei der Mehrheitsgesellschafterin in Frage, da der die VGA vereinnahmende Lebensgefährte der Mehrheitsgesellschafterin war. Dies war jedoch nicht Gegenstand des Klageverfahrens. Im Übrigen wurde die Revision zugelassen, da der BFH im Verfahren I K 139/94 die Frage ausdrücklich offen ließ, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung, die einer einem Gesellschafter nahe stehenden Person zufließt, dem Gesellschafter nur dann steuerrechtlich zugerechnet werden darf, wenn er selbst dadurch einen Vermögensvorteil erlangt. Da die Finanzverwaltung im Erlass vom 8.03.1999 (BMF vom 8.3.1999, BStBl I 1999, 514) eine abweichende Auffassung vertritt, sollte gegen entsprechende Bescheide mit Verweis auf das Urteil Rechtsmittel eingelegt werden.

 

Link zur Entscheidung

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.01.2003, 1 K 475/00

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