Leitsatz (amtlich)

Die Zustimmung des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft zur verdeckten Gewinnausschüttung an einen Mitgesellschafter führt für sich allein nicht zur Annahme einer mittelbaren verdeckten Gewinnausschüttung an den zustimmenden Gesellschafter.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) schloß mit ihrem Vater am 17. März 1970 einen Vertrag über die Gründung einer GmbH. Das Stammkapital wurde auf 25 000 DM festgesetzt. Die Klägerin übernahm eine Stammeinlage von 20 000 DM, ihr Vater eine Stammeinlage von 5 000 DM. Die Stammeinlagen waren in bar zu leisten und sofort fällig. Die Gewinnverteilung sollte aufgrund der Jahresbilanz nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile erfolgen. Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer sollte der Vater sein.

Die GmbH wurde am 4. September 1970 in das Handelsregister eingetragen.

Am 25. August 1972 beschlossen die Klägerin und ihr Vater die Auflösung der GmbH und stellten in dem Beschluß fest, daß sie sich über die Höhe ihrer gegenseitigen Abfindungsansprüche im klaren seien.

Im Anschluß an eine Steuerfahndungsprüfung schätzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Gewinne der GmbH für die Streitjahre auf 73 000 DM (1970) und 242 000 DM (1971), weil die GmbH keine Bücher geführt hatte. Die ergangenen Körperschaftsteuerbescheide sind bestandskräftig.

Da die Klägerin keine Einkommensteuererklärung für die Streitjahre abgab und weder sie noch ihr Vater Auskünfte erteilten, schätzte das FA im Anschluß an eine weitere Steuerfahndungsprüfung bei der Klägerin Einnahmen aus Kapitalvermögen in den Streitjahren 1970 und 1971 entsprechend der Beteiligung der Klägerin an der GmbH auf jeweils 80 v. H. des bei der GmbH geschätzten Gewinns.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das FA vertrat die Auffassung, die Klägerin habe Anspruch auf 80 v. H. des Gewinns gehabt. Wenn sie auf die Verwirklichung ihres Anspruchs verzichtet habe, so liege darin eine Zuwendung an ihren Vater, die gemäß § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes 1969 und 1971 (EStG) außer Betracht bleiben müsse.

Mit der Klage machte die Klägerin geltend, ihr seien keine Gewinnanteile aus ihrer Beteiligung an der GmbH zugeflossen. Sie sei an der GmbH nur deshalb beteiligt worden, um die Gründung zu ermöglichen. So habe sie ihre Einlage auch nicht gezahlt und sei auch sonst nicht als Gesellschafterin tätig geworden.

Der Vater der Klägerin erklärte in seiner Vernehmung als Zeuge vor dem Finanzgericht (FG), er habe für die Klägerin Sacheinlagen getätigt. Die Klägerin habe nichts aus der GmbH entnommen, sondern lediglich kleinere Beträge für ihren Unterhalt von ihm erhalten.

Das FG hat die Einkommensteuerbescheide 1970 und 1971 aufgehoben. Zur Begründung dieser Entscheidung führt das FG aus, der Klägerin seien Gewinnanteile in den Streitjahren auch in der Form von Vorschüssen nicht i. S. des § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen.

Die Klägerin habe in den Streitjahren auch keine fälligen Gewinnansprüche gegen die GmbH gehabt, die gemäß den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. April 1974 VIII R 123/73 (BFHE 112, 355, BStBl II 1974, 541) als zugeflossen angesehen werden könnten. Im Streitfall sei weder eine Bilanz aufgestellt noch ein Beschluß über die Gewinnverteilung gefaßt worden. Sollte die Klägerin auf Gewinnansprüche verzichtet haben, so sei dies frühestens am 25. August 1972 geschehen, also außerhalb der Streitjahre. Schon deshalb könne § 12 Nr. 2 EStG hier nicht eingreifen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 2, 20 Abs. 1 Nr. 1 und 12 Nr. 2 EStG.

Die Kapitaleinkünfte seien der Klägerin mittelbar zugeflossen und ihr gemäß §§ 2, 12 Nr. 2 EStG zuzurechnen. Die Klägerin habe ihre zukünftigen Ansprüche an die GmbH an den Vater unentgeltlich abgetreten oder auf die Ausübung von Rechten, die ihr als Gesellschafterin zustanden, zugunsten des Vaters verzichtet. Darin sei keine Änderung der Gewinnverteilungsabrede zu sehen, sondern eine private Vereinbarung, die ihren Grund in der gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung habe.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat in den Streitjahren keine Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG).

Nach dieser Vorschrift gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung. "Sonstige Bezüge" sind auch verdeckte Gewinnausschüttungen.

Einkünfte dieser Art kann nur ein Gesellschafter der GmbH erzielen. Ob die Klägerin in den Streitjahren unter einkommensteuerrechtlichen Gesichtspunkten Gesellschafterin der GmbH geworden war oder ob nicht vielmehr unter Berücksichtigung der §§ 5 Abs. 1, 11 Nr. 3 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG - (§§ 39, 41 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -) ihr Vater als alleiniger Gesellschafter der GmbH anzusehen ist, kann der Senat offenlassen. Auch wenn man davon ausgeht, daß die Klägerin Gesellschafterin der GmbH war, sind ihr Kapitaleinkünfte aus dieser Beteiligung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) nicht zuzurechnen.

1. Gewinnanteile i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind der Klägerin schon deshalb nicht zugeflossen, weil kein Gewinnverteilungsbeschluß gefaßt wurde (§§ 29 Abs. 1, 46 Nr. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -), der auch bei Vorabausschüttungen erforderlich ist (vgl. BFH-Urteile vom 27. Januar 1977 I R 39/75, BFHE 122, 43, BStBl II 1977, 491 und vom 6. März 1979 VIII R 26/78, BFHE 127, 514, BStBl II 1979, 510).

Es kann dahinstehen, ob in der Zustimmung zu der Leistung der GmbH an den Vater die Abtretung künftiger Gewinnansprüche oder der Verzicht auf die Geltendmachung künftiger Gewinnansprüche zu sehen ist. Das kann nämlich nicht zur Folge haben, daß der Klägerin in den Streitjahren entsprechende Einnahmen aus Kapitalvermögen zuzurechnen sind. Dies ist frühestens möglich, wenn die Ansprüche entstanden sind (vgl. dazu BFHE 112, 355, BStBl II 1974, 541).

2. Auch die Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung an die Klägerin (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) sind nicht erfüllt. Sie liegt vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb eines gesellschaftsrechtlich wirksamen Gewinnverteilungsbeschlusses einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat (vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1974 I R 238/72, BFHE 113, 434, BStBl II 1975, 48, mit Nachweisen).

a) Das FG hat festgestellt (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), daß der Klägerin keine Geldmittel aus der GmbH zugeflossen sind. Das schließt eine mittelbare verdeckte Gewinnausschüttung an die Klägerin nicht aus, die darin bestünde, daß der Vermögensvorteil dem Vater zugeflossen ist und dieser Zufluß zugleich einen Vermögensvorteil für die Klägerin darstellte (vgl. BFH-Urteil vom 27. Januar 1972 I R 28/69, BFHE 104, 353, BStBl II 1972, 320). Im Streitfall ist vom FG nicht ausdrücklich festgestellt, ob und ggf. welche Beträge dem Vater aus der GmbH zugeflossen sind. Sollten dem Vater der Klägerin Beträge aus der GmbH zugeflossen sein, wäre darin keine verdeckte Gewinnausschüttung an die Klägerin zu sehen.

Es spricht zwar der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß die unentgeltliche Zuwendung eines Vermögensvorteils durch eine Kapitalgesellschaft an eine ihrem Gesellschafter nahestehende Person mittelbar die Gewährung eines Vermögensvorteils an den Gesellschafter ist (vgl. BFHE 104, 353, 358, BStBl II 1972, 320). Dies kann jedoch nicht gelten, wenn auch die nahestehende Person - der unmittelbare Empfänger der Leistung - Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist. Denn hier kann das Gesellschaftsverhältnis der nahestehenden Person ebensogut ursächlich für die Leistung sein wie das Gesellschaftsverhältnis des anderen Gesellschafters.

Eine mittelbare verdeckte Gewinnausschüttung an die Klägerin kann nur angenommen werden, wenn - ohne Beweiserleichterung - festgestellt werden kann, daß einmal die GmbH der Klägerin und zum zweiten die Klägerin ihrerseits dem Vater einen Vermögensvorteil zuwenden wollte und beide Zuwendungen mittelbar dadurch erfolgten, daß die GmbH unmittelbar an den Vater leistete. Das war hier nicht der Fall. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die GmbH der Klägerin einen Vermögensvorteil zuwandte oder dies beabsichtigte. Die Leistung an den Vater hatte zunächst nur eine tatsächliche Minderung des Gesellschaftsvermögens und damit auch des Wertes der Anteile der Klägerin zur Folge. Einen entsprechenden Vorteil hat sie demgegenüber nicht erlangt. Ein solcher Vorteil könnte für sie - da er nicht an sie, sondern an ihren Vater geleistet wurde - nur darin liegen, daß sie durch die Leistung ihrem Vater gegenüber von einer Schuld befreit wurde oder sich eine ohnehin beabsichtigte Zuwendung an den Vater ersparte. Das hat das FG nicht festgestellt, dafür gibt es auch keine Anhaltspunkte.

b) Möglicherweise hatte die Zuwendung eines Vermögensvorteils durch die Gesellschaft an den Vater einen Anspruch der Klägerin gegen die Gesellschaft auf Leistung eines entsprechenden Vermögensvorteils an sie selbst (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 15. Mai 1972 II ZR 70/70, Betriebs-Berater 1972 S. 894 - BB 1972, 894 -) oder gegen den Vater auf Rückzahlung des Zugewendeten an die Gesellschaft zur Folge (vgl. BGH-Urteil vom 5. Juli 1975 II ZR 23/74, BB 1975, 1450). Auch das sind keine Vorteile, die der Klägerin als Einnahmen (§ 8 Abs. 1 EStG) zugeflossen sind und bei ihr den Tatbestand einer Einkunftsart erfüllen. Im ersten Fall kann eine Einnahme erst angenommen werden, wenn ihr der Vermögensvorteil zugeflossen ist (§ 11 Abs. 1 EStG). Im zweiten Fall wäre auch mit der Ersatzleistung lediglich die Minderung des Gesellschaftsvermögens und damit des Wertes ihrer Beteiligung rückgängig gemacht. Auch das ist noch keine Einnahme.

c) Die mittelbare Gewährung eines Vermögensvorteils durch die GmbH an die Klägerin kann ferner nicht schon deshalb bejaht werden, weil die Klägerin möglicherweise wußte, duldete oder gar zustimmte, daß die GmbH dem Vater etwas zuwendete. Die Zustimmung macht die Zuwendung der GmbH nicht zu einer Zuwendung der Klägerin an den Vater und erst recht nicht zu einer solchen der GmbH an die Klägerin. Beides ist aber Voraussetzung einer mittelbaren verdeckten Gewinnausschüttung (s. o.).

3. Die Vermögensvorteile, die der Vater möglicherweise erlangt hat, können der Klägerin entgegen der Ansicht des FA auch nicht aufgrund des § 12 Nr. 2 EStG zugerechnet werden. § 12 EStG betrifft Aufwendungen und Zuwendungen aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen, die ihrem Wesen nach Einkommensverwendung sind (vgl. Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 12 Anm. II). Einkünfte aus der Beteiligung an der GmbH hat die Klägerin - wie oben ausgeführt - in den Streitjahren nicht erzielt. Sie konnte daher ihrem Vater keine Vermögensvorteile aus einer Beteiligung an der GmbH zuwenden.

4. Kapitaleinkünfte sind der Klägerin auch nicht gemäß § 6 Abs. 1 StAnpG (§ 42 AO 1977) zuzurechnen. Ein Rechtsmißbrauch könnte darin liegen, daß die Gewinnverteilung in einer Kapitalgesellschaft, an der nahe Angehörige beteiligt sind, entgegen der gesetzlichen Regel (§ 29 Abs. 2 Satz 1 GmbHG) in einem deutlichen Mißverhältnis zur Höhe der Geschäftsanteile steht. Das wird auch dann gelten, wenn im gleichen Mißverhältnis planmäßig und in großem Umfang statt gesellschaftsrechtlich beschlossener Gewinnausschüttungen (§ 29 GmbHG) verdeckte Gewinnausschüttungen vorgenommen werden. Im Streitfall stand die Zuweisung des ganzen Gewinns der GmbH an den Vater, falls sie erfolgt sein sollte, in einem deutlichen Mißverhältnis zur Höhe der Geschäftsanteile der Gesellschafter. Diese Unangemessenheit der Gewinnzuweisung war gleichwohl kein Grund für die Annahme eines Rechtsmißbrauchs, weil nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt der Vater auch die Einlage der Klägerin geleistet hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74199

BStBl II 1982, 248

BFHE 1982, 32

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