Leitsatz

Verluste aus der Veräußerung von sog. Argentinien-Anleihen sind nicht steuerbar.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Sätze 2 und 4 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger veräußerte 2003 argentinische Staatsanleihen mit einem Zinssatz von 11,75 % bzw. einem variablen Zinssatz zwischen 8 und 15 % (mit Anschaffungskosten von 175.008 €) zum Preis von 39.243 € an seinen Sohn ohne Stückzinsenabrechnung nach dem Börsentageskurs.

Das FA lehnte die einkommensteuerliche Berücksichtigung des Veräußerungsverlusts von 135.765 € ab, da der Kursverlust in die nicht steuerbare Vermögenssphäre des Klägers falle. Der BFH bestätigte in der Sache das Klage abweisende Urteil des FG.

 

Entscheidung

Da das FG über die Anpassung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen zu entscheiden hatte, während des Revisionsverfahrens aber der ESt-Bescheid für 2003 ergangen und gem. § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO Verfahrensgegenstand geworden war, musste das finanzgerichtliche Urteil aus verfahrensrechtlichen Gründen zwar aufgehoben werden. Der BFH brauchte indes den Rechtsstreit nicht nach § 127 FGO zurückzuverweisen, sondern konnte in der Sache selbst entscheiden.

Zwar fielen die Argentinien-Anleihen unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Jedoch fehle es an einem steuerbaren Veräußerungsverlust i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001. Die Argentinien-Anleihen seien nicht als Finanzinnovationen einzuordnen, denn sie hätten im maßgebenden Zeitpunkt ihrer Emission eine von vornherein bezifferbare Emissionsrendite besessen. Sie hätten nach ihrer "konstruktiven Typik" auch keine nicht abgrenzbare Verbindung von Nutzungsentgelt und Kursgewinn aufgewiesen.

Vielmehr stehe zweifelsfrei fest, dass der Veräußerungsverlust bei wirtschaftlicher Betrachtung kein negatives Entgelt für die Überlassung von Kapitalvermögen darstelle. Für die Heranziehung einer – negativen – Marktrendite fehle es aber an einer sachlichen Rechtfertigung, wenn der negative Differenzbetrag ohne Einbeziehung eines Ertrags aus der Kapitalüberlassung zur Nutzung einen reinen Vermögensverlust darstelle. Der Fall sei vergleichbar mit allein auf einer Veränderung des Wechselkurses beruhenden Veräußerungsverlusten, die ebenfalls nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 Halbs. 2 EStG nicht steuerbar seien.

 

Hinweis

1. Sog. Argentinien-Anleihen hatten im Zeitpunkt ihrer Emission zwischen 11,75 % und 15 % liegende Zinskupons; Stückzinsen wurden besonders in Rechnung gestellt. Ende 2001 stellte Argentinien seine Zahlungen ein. Die Deutsche Börse schlüsselte die Papiere um; sie kamen in den sog. Flat-Handel. Es wurden keine Stückzinsen mehr von den Banken besonders in Rechnung gestellt und der Anspruch auf Zinszahlungen wurde nicht mehr erfüllt. Wurden die Papiere – wie im Streitfall – mit Verlust veräußert, so begehrten die Anleger, diesen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG als sog. negative Marktrendite steuerlich zu berücksichtigen.

2. Entscheidend kommt es somit darauf an, ob die Anleihen als sog. Finanzinnovationen überhaupt von diesem Tatbestand erfasst werden. Der BFH nimmt die Zuordnung von Wertpapieren und Kapitalforderungen zu den Finanzinnovationen nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Emission vor. Eine rückwirkende Änderung des steuerlichen Charakters der Anlage scheidet aus. Dies ergibt sich sowohl aus der im Gesetz umschriebenen Typenbeschreibung als auch aus den gesetzlichen Vorgaben für die Berechnung der Marktrendite. Die Besteuerung nach der Emissionsrendite bezieht sich auf den Zeitpunkt der Emission. Gleiches muss aber auch für die Typenbestimmung gelten, die sich nach der vertraglichen Ausgestaltung im Zeitpunkt der Ausgabe richtet (so auch BMF, Schreiben vom 14.7.2004, BStBl I 2004, 611).

3. Argentinienanleihen hatten im Zeitpunkt ihrer Emission eine Emissionsrendite, also eine von vornherein zugesagte Rendite, die bis zur Einlösung des Papiers bzw. bei Endfälligkeit mit Sicherheit mindestens erzielt werden konnte (BFH, Urteil vom 24.10.2000, VIII R 28/99, BFH-PR 2001, 12). Eine Emissionsrendite ist auch dann von vornherein bestimmbar, wenn eine Anleihe mit einer nach genau festgelegten Zeitabschnitten auf- oder absteigend gestaffelten Verzinsung ausgestattet ist.

4. Auf den – fehlenden – Nachweis einer Emissionsrendite durch den Steuerpflichtigen kommt es dann nicht an, wenn es bei der fraglichen Anleihe nach der Art ihrer – vertraglichen – Gestaltung an der Finanzinnovationen charakterisierenden typischen Verbindung von Kapitalnutzung und Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals fehlt und – entsprechend der Binnensystematik des Steuertatbestands in § 20 EStG – steuerbares Kapitalnutzungsentgelt einerseits und die grundsätzlich nicht steuerbare Wertentwicklung des Kapitals andererseits rechnerisch eindeutig abgrenzbar und bestimmbar sind.

5. Nur in den Fällen, in denen diese systematische Differenzierung zwischen Kapitalnutzung und -verwertung, also zwischen Ertrags- und Vermögensebene, wegen der typischen Kombination ...

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