Leitsatz

Eine Kürzung des Vorwegabzugs kommt nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber für die Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen keine Leistungen i.S.d. § 3 Nr. 62 EStG erbracht hat.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG , § 3 Nr. 62 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin war zunächst als angestellte Ärztin in einer Gemeinschaftspraxis tätig. Ab 1.10.1996 trat sie aufgrund eines sog. Kooperationsvertrags als freie Mitarbeiterin in die Praxis ein. Sie erhielt regelmäßige monatliche Vergütungen, musste aber für Steuern, Alters- und sonstige Versicherungen selbst aufkommen.

Das FA behandelte ihre Einkünfte als solche aus nichtselbstständiger Arbeit und versagte den Vorwegabzug gem. § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG. Das FG gab der Klage statt (EFG 2003, 846).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA zurück. Der Vorwegabzug sei nur dann um 16 % der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit zu kürzen, wenn für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers Leistungen i.S.d. § 3 Nr. 62 EStG erbracht werden. Das sei hier nicht der Fall gewesen; die Klägerin habe durch eigene Aufwendungen vorgesorgt.

 

Hinweis

1. Die Ärztin hatte ihre Einkünfte als freie Mitarbeiterin als solche aus selbstständiger Tätigkeit deklariert. Der BFH sah darin – ebenso wie das FA und das FG – Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Ausschlaggebend war, dass die Ärztin auch nach dem Abschluss des sog. Kooperationsvertrags gegenüber den Gesellschaftern der Gemeinschaftspraxis weisungsabhängig war, in den Betrieb eingegliedert war und kein unternehmerisches Risiko trug.

2. Nach den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung soll der Vorwegabzug i.S.d. § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG solchen Steuerpflichtigen beim Sonderausgabenabzug für Vorsorgeaufwendungen einen zusätzlichen Höchstbetrag einräumen, die ausschließlich durch eigene Aufwendungen für die Zukunft vorsorgen müssen (BFH, Urteil vom 14.6.2000, XI R 57/99, BStBl II 2001, 28).

Eine Kürzung des Vorwegabzugs ist dementsprechend bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber Zukunftssicherungsleistungen i.S.d. § 3 Nr. 62 EStG für den Arbeitnehmer erbringt (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst.a EStG). Entscheidend ist dabei, dass der Arbeitgeber auch tatsächlich Zukunftssicherungsleistungen erbracht hat. Dass der Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichtet war, reicht nicht aus, wenn er dieser Beitragsabführungsverpflichtung nicht nachgekommen ist. Zahlt der Arbeitgeber nicht, ist der Vorwegabzug berechtigt und darf nicht gekürzt werden.

Im Besprechungsfall haben die Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis als Arbeitgeber keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wären. Die klagende Ärztin hatte ausschließlich durch eigene Aufwendungen vorgesorgt. Die Voraussetzungen für eine Kürzung des Vorwegabzugs lagen damit nicht vor.

3. Beachten Sie: Wird der Arbeitgeber später zur Nachzahlung herangezogen und entrichtet er für bestimmte Zeiträume die Beiträge nach, ist dieser Vorgang als rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu beurteilen. Das FA kann dann den Vorwegabzug der Klägerin korrigieren.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 21.1.2004, XI R 38/02

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