Überblick

Die Finanzverwaltung setzt die sich aus der Rechtsprechung des BFH ergebende Vorgabe um, dass Angehörige freier Berufe die Umsatzsteuer nicht nach vereinnahmten Entgelten berechnen können, wenn sie freiwillig oder aufgrund gesetzlicher Vorschriften Bücher führen. Le­diglich in den Fällen, in denen der Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 500.000 EUR betragen hat, kann die Istversteuerung nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG angewendet werden.

 

Kommentar

Die rechtliche Problematik

Unternehmer müssen regelmäßig ihre Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten berechnen. Dies bedeutet, dass die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht, in dem die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist[1]. Kommt es aber zu einer Anzahlung oder einer Vorauszahlung, entsteht die Steuer spätestens mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist[2].

In Ausnahmefällen können sich die Unternehmer aber die Berechnung der Steuer nach ver­einnahmten Entgelten gestatten lassen, wenn die Voraussetzungen des § 20 UStG erfüllt sind.

Wichtig

Die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten ist von einer Gestattung des Finanzamts abhängig. Der Unternehmer kann nicht von alleine diese besondere Besteuerungsform anwenden.

Die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten ist dann möglich, wenn der Unternehmer

  1. im vorangegangenem Kalenderjahr nicht mehr als 500.000 EUR Gesamtumsatz erzielt hat oder
  2. von der Verpflichtung Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen nach § 148 AO befreit ist oder
  3. als Angehöriger eines freien Berufs nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG Umsätze erzielt.

Der BFH[3] hatte in einem Verfahren zu entscheiden, ob eine Steuerberatungs-GmbH, deren Gesamtumsatz über der Gesamtumsatzgrenze des § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG lag, als "Angehöriger eines freien Berufs" nach § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten vornehmen kann. Der BFH, der die Klage abgewiesen hatte, da die GmbH Kraft Rechtsform zur Führung von Büchern verpflichtet ist, stellte darüber hinaus in einem "obiter dictum" fest, dass die Anwendung des § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG auch dann nicht infrage kommen könnte, wenn der Unternehmer freiwillig Bücher führen würde. Nachdem eine gegen dieses Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde[4] vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen worden war, hat sich jetzt die Finanzverwaltung mit diesen Feststellungen auseinander gesetzt.

Hinweis

Der BFH hatte seine Aussage im Wesentlichen mit dem Regelungsgehalt des § 20 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 UStG begründet. Während § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG (Gesamtumsatzgrenze nicht über 500.000 EUR) die Liquidität kleinerer Unternehmer schützen soll, wurde § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG (freie Berufe) eingeführt, weil die freien Berufe im Regelfall keine Bücher führen und folglich auch nicht ihre Forderungen aufzeichnen. Wenn der Unternehmer aber freiwillig Bücher führt und deshalb seine Forderungen ermitteln kann, besteht keine Notwendigkeit, dass der Unternehmer die Umsatzsteuer erst dann abführen muss, wenn er die Zahlung erhält.

Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen

Wichtig

Das BMF-Schreiben ändert Abschn. 20.1 Abs. 1 UStAE.

Die Finanzverwaltung setzt die Vorgaben des BFH um und gewährt die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten nach § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG dann nicht mehr, wenn der Unternehmer, der als Angehöriger eines freien Berufs Umsätze realisiert, Bücher führt. In der Umsetzung ist zu unterscheiden, ob dem Unternehmer die Genehmigung schon erteilt worden ist oder der Unternehmer den Antrag auf Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten neu stellt.

  • Stellt der Unternehmer, der als Angehöriger eines freien Berufs i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG Umsätze erzielt, den Antrag auf Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten, ist dieser Antrag nicht mehr zu genehmigen, wenn der Unternehmer – freiwillig oder aufgrund ge­setzlicher Verpflichtung – Bücher führt.
  • Ist dem Unternehmer, der als Angehöriger eines freien Berufs i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG Umsätze erzielt, der Antrag auf Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten in der Vergangenheit genehmigt worden, ist dieser Antrag zu widerrufen. Der Widerruf ist auf die Umsätze zu beschränken, die nach dem 31.12.2013 ausgeführt werden.
Wichtig

Hat der Unternehmer aber im vorangegangenem Kalenderjahr einen Gesamtumsatz von nicht mehr als 500.000 EUR erzielt, kann er die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten in Anspruch nehmen, unabhängig davon, ob er (freiwillig) Bücher führt oder nicht. § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG ist nicht von der Führung von Büchern abhängig.

Praxis-Beispiel

Eine Rechtsanwaltssozietät, bestehend aus mehreren Rechtsanwälten, hat in 2012 Umsätze von 2 Mio. EUR erzielt. Schon vor Jahren ist der Sozietät die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten vom zuständigen Finanzamt genehmigt worden. Die Sozietät ist – obwohl nach § 4 Abs. 3 EStG der Gewinn durch Überschussrechnung ermittelt werden könnte – zur Gewinnermittlung nach § 5 EStG gewechselt und führt...

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