Umsatzgrenze und berechtigte Unternehmer

Ein Antrag auf Wechsel zur Ist-Besteuerung ist grundsätzlich nur möglich, wenn der Umsatz im vorangegangen Kalenderjahr 600.000 EUR (nach dem Wachtumschancengesetz geplante Erhöhung auf 800.00 EUR) nicht überschritten hat und ist weder Form noch fristgebunden. Lesen Sie, welche Unternehmer diesen Antrag stellen dürfen.

Nicht bilanzierende Freiberufler dürfen die Ist-Besteuerung immer beanspruchen

Die Ist-Besteuerung kann auf „Umsätze aus der Tätigkeit eines freien Berufs“ angewendet werden (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG). Bei einer freiberuflichen Tätigkeit spielt es keine Rolle, wie hoch der Vorjahresumsatz war. Zu den freiberuflichen Umsätzen gehören auch die sog. Hilfsumsätze, wie z.B. der Verkauf von Einrichtungsgegenständen oder eines Firmenwagens. Freiberufler, die steuerpflichtige Umsätze ausführen, erklären ihre Umsätze in dem Voranmeldungszeitraum, in dem ihre Kunden die Rechnung bezahlt haben. Freiberufler gehören somit zu der Personengruppe, die die Ist-Besteuerung beanspruchen darf.

D.h., dass Freiberufler gem. § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG beim Finanzamt beantragen können, ihre Umsätze nach vereinnahmten Entgelten zu versteuern. Die gesetzliche Regelung stellt auf "Umsätze aus der Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG" ab.

Besonderheit bei bilanzierenden Freiberuflern: Keine Ist-Besteuerung bei freiwilliger Bilanzierung

Der BFH hatte in seinem Urteil vom 22.7.2010 (BFH, Urteil v. 22.7.2010, V R 4/09) allerdings entschieden, dass die Ist-Versteuerung nicht zulässig ist, wenn der Unternehmer aufgrund seiner Umsätze buchführungspflichtig ist oder freiwillig Bücher führt. Der BFH stützt seine Auffassung darauf, dass Bilanzierungspflicht und die freiwillige Bilanzierung gleich zu behandeln sind. D.h., Freiberufler, die bilanzieren, müssen ihre Umsätze nach dem Soll-Prinzip versteuern. Die Finanzverwaltung wendet das BFH-Urteil an.

Abschn. 20.1 Abs. 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses enthält die folgende Aussage:

Die Genehmigung der Ist-Versteuerung nach § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG ist nicht zu erteilen, wenn der Unternehmer für die in der Vorschrift genannten Umsätze Bücher führt. Dabei ist es unerheblich, ob die Bücher auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung oder freiwillig geführt werden.

Gesamtumsatz des Vorjahres darf den Grenzwert nicht überschreiten

Wer kein Freiberufler ist und sich auch nicht von der Bilanzierung befreien lassen kann, darf die Ist-Besteuerung nur beanspruchen, wenn sein Gesamtumsatz des Vorjahres 600.000 EUR nicht überschreitet.. Hat der Unternehmer im Vorjahr mit seiner unternehmerischen Tätigkeit begonnen, muss er den tatsächlichen Umsatz in einen Jahresumsatz hochrechnen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nach dem der Entwurf des "Wachstumschancengesetzes" anstelle des bisherigen Grenzwerts von 600.000 EUR der neue Wert von 800.000 EUR treten wird.

Konsequenz ist, dass im Jahr 2024 der maßgebende Vorjahresumsatz der Umsatz des Jahres 2023 ist

Das wirkt sich wie folgt aus:

  • Hat der Umsatz im Jahr 2023 nicht mehr als 600.000 EUR betragen, kann die Ist-Besteuerung – wie bisher – im Jahr 2024 fortgesetzt werden.
  • Hat der Umsatz im Jahr 2022 den Betrag von 600.000 EUR nicht überschritten und liegt er in 2023 über 600.000 EUR, aber nicht über 800.000 EUR, kann die Ist-Besteuerung im Jahr 2024 ebenfalls fortgesetzt werden.
  • Hat der Umsatz des Jahres 2023 und der Vorjahresumsatz (2022) jeweils mehr als 600.000 EUR betragen, aber die Umsatzgrenze von 800.000 EUR nicht überschritten, kann sich der Unternehmer die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten auf Antrag vom Finanzamt genehmigen lassen, wobei auch ein konkludenter Antrag ausreicht. Es ist sinnvoll, wenn der Unternehmer seinen Antrag stellt, sobald das Wachstumschancengesetz in Kraft getreten ist..

Praxis-Beispiel: So wird der Grenzwert bei Existenzgründern ermittelt

Herr Huber hat sein Unternehmen am 1.10.01 gegründet und hatte bis zum 31.12.01 einen Umsatz von 63.000 EUR. Dieser Betrag ist wie folgt in einen Jahresumsatz hochzurechnen:

63.000 EUR : 3 Monate = 21.000 EUR

21.000 EUR × 12 Monate = 252.000 EUR

Damit hat der Unternehmer den Grenzbetrag von 600.000 EUR nicht überschritten, sodass er 02 die Ist-Besteuerung anwenden kann.

Existenzgründer haben keinen Vorjahresumsatz. Sie müssen dann den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Jahres schätzen. Wenn kein grobes Missverhältnis besteht, bleibt es bei der Ist-Versteuerung, auch wenn der Grenzwert von 600.000 EUR überschritten werden sollte. Eine genehmigte Ist-Versteuerung kann rückwirkend nicht entfallen. Es muss dann jedoch ab dem nächsten Jahr ein Wechsel zur Soll-Versteuerung vorgenommen werden.

Hat das Finanzamt einem Unternehmer gestattet, die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten durchzuführen, dann kann er die Versteuerung solange durchführen, bis das Finanzamt seine Genehmigung widerruft.

Bei der Ermittlung des Grenzwerts ist der Gesamtumsatz im Sinne des § 19 Abs. 3 UStG maßgebend. Danach gehören die meisten umsatzsteuerfreien Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, nicht zum Gesamtumsatz. Die steuerfreien Umsätze nach § 4 Nr. 8i, Nr. 9b, und Nrn. 11-28 UStG sind nicht einzubeziehen.


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