Leitsatz

Ein Schutz durch die Generalklausel des § 42 AO ist nicht erforderlich, soweit eine Rechtsnorm ihre Selbstbewahrung aus eigener Kraft organisiert. Diesem Zweck dient § 1 Abs. 2a GrEStG.

 

Sachverhalt

An der Klägerin waren als Kommanditisten X und Y zu 18 % bzw. 82 % beteiligt. Komplementärin ist die A GmbH ohne eigenen Kapitalanteil; an deren Stammkapital waren X und Y zu 18 % bzw. 82 % beteiligt. Im Jahr 2000 veräußerten die Gesellschafter ihre Anteile nahezu vollständig an die O. E. Ltd., Zypern. Lediglich die Kommanditistin Y behielt einen Anteil von 5,6 % zurück.

Das Finanzamt ist der Auffassung, dass - insbesondere unter Berücksichtigung der weiteren vertraglichen Vereinbarungen - der Wechsel im Gesellschafterbestand Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG i. V. m. § 42 AO auslöst. Dem trat die Klägerin im Einspruchsverfahren ohne Erfolg mit dem Einwand entgegen, dass nicht mindestens 95 % der Anteile übertragen worden seien und auch die weiteren Vertragsvereinbarungen nicht zu einem zivilrechtlichen Übergang des zurückbehaltenen Anteils von 5,6 % geführt hätten. Zudem verbiete sich nach Auffassung der Klägerin ein Rückgriff auf § 42 AO, da bereits § 1 Abs. 2a GrEStG eine spezialgesetzliche Missbrauchsnorm darstelle, deren Voraussetzungen hier allerdings nicht erfüllt seien.

 

Entscheidung

Das FG hat der Klägerin Recht gegeben. Es entscheidet, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht erfüllt ist. Hierzu wäre erforderlich gewesen, dass sich innerhalb von 5 Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen.

Ferner kann der Auffassung des Finanzamts nicht gefolgt werden, die vorliegende Gestaltung sei nach § 42 AO der Besteuerung zu unterwerfen. Durch § 42 AO soll die Geltung von Rechtsnormen gegenüber missbräuchlichen Gestaltungen gesichert werden. Ein Schutz durch die Generalklausel des § 42 AO ist aber nicht erforderlich, soweit eine Rechtsnorm, wie es § 1 Abs. 2a GrEStG tut, ihre Selbstbewahrung bereits aus eigener Kraft entfaltet. Die Vorschrift normiert spezialgesetzlich, unter welchen Voraussetzungen die sachenrechtliche - anstelle der gesellschaftsrechtlichen Verfügung - über ein Grundstück als die grunderwerbsteuerrechtlich angemessene Rechtsgestaltung anzusehen ist. Die Gestaltung, die von dieser Spezialnorm geregelt wird, ist daher nur unter den dort genannten Voraussetzungen der Besteuerung zu unterwerfen.

 

Hinweis

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Finanzamts hin hat der BFH die Revision gegen das Urteil des FG zugelassen. Das Revisionsverfahren wird unter dem Az. II R 49/12 geführt. Der BFH hat nunmehr darüber zu entscheiden, wie die weitgehende Aushöhlung eines zurückbehaltenen Gesellschaftsanteils zugunsten des Erwerbers durch Vereinbarungen zwischen Veräußerer und Erwerber im Rahmen der Übertragung von Gesellschaftsanteilen für die Frage der Grunderwerbsteuerbarkeit nach § 1 Abs. 2a GrEStG zu würdigen ist.

 

Link zur Entscheidung

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.07.2011, 2 K 364/08

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