Leitsatz

Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL hat keine unmittelbare Wirkung, so dass sich eine Einrichtung ohne Gewinnstreben auf diese Bestimmung vor den nationalen Gerichten nicht berufen kann (Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil Golfclub Schloss Igling vom 10.12.2020 – C‐488/18, EU:C:2020:1013; Änderung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

§ 4 Nr. 22 Buchst. b UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. m EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, dessen Zweck nach seiner Satzung in der Pflege und Förderung des Golfsports bestand. Dieser Zweck wurde durch den Betrieb eines Golfplatzes und der dazugehörigen Anlagen in eigener Regie auf den Grundstücken, Gebäuden und Anlagen verwirklicht.

Nach § 2 Abs. 3 der Vereinssatzung durften die Mittel des Vereins nur für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhielten keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins. Es durfte keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck des Vereins fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden. Nach § 13 Abs. 3 der im Streitjahr 2011 geltenden Satzung sollte das Vermögen des Vereins bei dessen Auflösung oder Aufhebung an eine von der Mitgliederversammlung bestimmte Person oder Institution fallen.

Im Streitjahr vereinnahmte der Kläger Mitgliedsbeiträge. Das FA sah diese Mitgliedsbeiträge nicht als Vergütung für steuerbare Leistungen an. Darüber hinaus erbrachte der Kläger weitere Leistungen gegen gesondertes Entgelt. Dabei handelte es sich um die Berechtigung zur Nutzung des Golfspielplatzes, die leihweise Überlassung von Golfbällen für das Abschlagstraining mittels eines Ballautomaten, die Durchführung von Golfturnieren und Veranstaltungen, bei denen der Kläger Startgelder für die Teilnahme vereinnahmte, die mietweise Überlassung von Caddys und um den Verkauf eines Golfschlägers. Der Kläger vereinnahmte hierfür einen Betrag i.H.v. insgesamt 78.615,02 EUR. Diese Leistungen sah das FA als steuerbar und steuerpflichtig an, da es eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG mangels Gemeinnützigkeit entsprechend den §§ 51ff. AO verneinte. Das FA erließ entsprechend dieser Rechtsauffassung einen später geänderten USt-Bescheid vom 12.3.2013. Nach dem maßgeblichen Änderungsbescheid vom 19.4.2013 waren die Leistungen des Klägers in den Bereichen Greenfee, Ballautomat, Startgelder, Caddys und Verkauf steuerpflichtig. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Hiergegen erhob der Kläger Klage zum FG. Während des FG-Verfahrens wurde im November 2016 die Satzung des Vereins neu gefasst und in deren § 13 Abs. 3 nunmehr geregelt, dass bei Auflösung oder Aufhebung des Vereins das Vermögen des Vereins an eine von der Mitgliederversammlung bestimmte juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine andere steuerbegünstigte Körperschaft zwecks Verwendung für gemeinnützige Zwecke zur Förderung des Golfsports fällt. Das FG gab der Klage statt (FG München, Urteil vom 29.3.2017, 3 K 855/15, Haufe-Index 10899472, EFG 2017, 1030). Der Kläger könne sich entsprechend bisheriger BFH-Rechtsprechung auf eine unionsrechtlich abgeleitete Steuerfreiheit berufen.

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil der Vorinstanz auf und wies die Klage ab. Nach dem im Streitfall ergangenen EuGH-Urteil sei die Richtlinie im Sportbereich nicht berufbar. Im Übrigen habe es sich beim Kläger nicht um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben gehandelt, da die Zweckbindung des Vermögens im Auflösungsfall nach den Verhältnissen im Streitjahr nicht sichergestellt gewesen sei.

 

Hinweis

1. Der BFH ist in der Vergangenheit davon ausgegangen, dass die unionsrechtlich für den Sportbereich nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m EGRL 112/2006 (= MwStSystRL) bestehende Steuerfreiheit im Sinne einer unmittelbaren Wirkung berufbar ist. Dieses Berufungsrecht war bislang von einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung für Sportvereine, da die Rechtsprechung von EuGH und BFH im Gegensatz zur Finanzverwaltung nicht nur die Leistungen, die Vereine gegen gesondertes Entgelt, sondern auch die Leistungen, die Sportvereine an ihre Mitglieder gegen Mitgliedsbeiträge erbringen, als steuerbar ansieht.

2. Dies hätte in der Vergangenheit für Sportvereine von großer Bedeutung sein können, da nach dem nationalen Recht mit § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG (anders als nach der Richtlinie) keine allgemeine Steuerfreiheit für den Sportbereich, sondern nur eine auf sportliche Veranstaltungen eingeschränkte Steuerfreiheit besteht.

Gleichwohl war diese Diskrepanz im Hinblick auf das vorstehende Berufungsrecht bislang eher zu vernachlässigen. Im Meinungsstreit mit dem FA mussten Sportvereine daher nicht damit rechnen, dass ihre Leistungen an Mitglieder von der Rechtsprechung als steuerpflichtig angesehen werden, was im Rahmen des Verböserungsverbots bei der Beurteilung anderer Streitpunkte im Rahmen einer Saldierung von Bedeutung sein kann.

3. Aufgrund einer EuGH-Rechtsprechung zum Kulturbereich war zweifelhaft geworden, ob die Annahme der Berufbarkeit im Sportbereich zutreffend ist...

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