Leitsatz

1. Aufgrund der Neuregelung des Verpflegungsmehraufwands ab 1996 hat ein Steuerpflichtiger bei einer beruflichen Auswärtstätigkeit einen Rechtsanspruch darauf, dass die gesetzlichen Pauschbeträge berücksichtigt werden.

2. Zu den einzelnen Kostenarten bei Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, § 9 Abs. 5, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG

 

Sachverhalt

Der ledige Kläger war für die Firma A vom 2.2.1996 bis 29.3.1996 an verschiedenen Betriebsstätten sowie vom 1.4.1996 bis 30.11.1996 in X und schließlich für die Firma B vom 1.12.1996 bis zum 31.12.1997 in Y tätig. Mit Hauptwohnung war der Kläger in P, dem Sitz der elterlichen Landwirtschaft, gemeldet.

An den Beschäftigungsorten in X und in Y unterhielt er jeweils 1-Zimmer-Wohnungen mit Küche und Bad. In den ESt-Erklärungen für 1996 und 1997 beantragte der Kläger insbesondere, Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten anzuerkennen. Dies lehnte das FA ab.

Die Klage war überwiegend erfolglos. Das FG führte im Wesentlichen aus, der Kläger habe zwar seinen Haupthausstand in P im elterlichen Anwesen unterhalten. Eine doppelte Haushaltsführung sei deshalb dem Grunde nach anzuerkennen.

Die geltend gemachten Aufwendungen seien jedoch nicht in voller Höhe abziehbar, weil der Ansatz der durch Verwaltungsvorschriften geschaffenen Pauschbeträge zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde.

Es seien nur Aufwendungen i.H.v. (geschätzt) 4.150 DM je Streitjahr angemessen und als Werbungskosten zu berücksichtigen.

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers war erfolgreich. Entsprechend den o.a. Ausführungen führte der BFH aus, der Kläger habe einen Rechtsanspruch auf die gesetzlichen Pauschalen.

Die Frage, ob der Ansatz der Pauschalen zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde, stelle sich nicht.

 

Hinweis

1. In mehreren Entscheidungen hatte der BFH schon früher darauf hingewiesen, dass gesetzliche Pauschalen von solchen Pauschalen zu unterscheiden sind, die auf Verwaltungsanweisungen (Richtlinien) beruhen.

Nach wie vor vertreten FÄ in Einzelfällen die unzutreffende Auffassung, auch bei gesetzlichen Pauschbeträgen sei erforderlichenfalls der tatsächliche Aufwand zu prüfen bzw. spiele der Gesichtspunkt der "offensichtlich unzutreffenden Besteuerung" eine Rolle. Auch die Vorinstanz hatte – obgleich sich die Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen aus dem Gesetz ergaben – den Mehraufwand des Klägers einer individuellen Prüfung unterzogen und ihn wegen angeblich unzutreffender Besteuerung im Weg der Schätzung gekürzt.

Der BFH sah sich deshalb veranlasst, nochmals deutlich hervorzuheben, dass ein Rechtsanspruch auf die Gewährung gesetzlicher Pauschbeträge besteht. Das Gesetz sieht einen Vorbehalt der offensichtlich unzutreffenden Besteuerung nicht vor; der individuelle berufliche (Mehr-)Aufwand ist unerheblich.

2. Bei auf Verwaltungsanweisungen (Richtlinien) beruhenden Pauschalen stellt sich die Rechtslage anders dar. Bei derartigen, die FÄ bindenden Pauschalen (hierzu zählen auch Werbungskosten-Pauschalen) handelt es sich um finanzamtliche Schätzungen nach § 162 AO zur vereinfachten Sachverhaltsermittlung. Sie haben keine Rechtsnormqualität und binden deshalb die Steuergerichte nicht. Sie führen jedoch wegen des Gebots der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen (Art. 3 GG) zu einer Selbstbindung der Verwaltung.

Hieraus resultiert für den Steuerpflichtigen (nur) ein Anspruch auf gleichmäßige Anwendung der Verwaltungspauschalen.

3. Dieser Anspruch steht – nach dem insoweit maßgeblichen Verständnis der Verwaltung – indessen im Einzelfall unter dem Vorbehalt der offensichtlich unzutreffenden Besteuerung. So hat die Verwaltung z.B. bei fehlendem Einzelnachweis Pauschbeträge für Auslandsübernachtungen zugelassen (vgl. R 40 Abs. 2 Satz 2 LStR i.V.m. Anhang 39). Diese Pauschalen sind nach der einschlägigen Verwaltungsanweisung (siehe H 40 – Übernachtungen im Ausland – LStR) nicht anzusetzen, wenn "sie im Einzelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würden".

Die Verwaltung behält sich also in Ausnahmefällen vor, weitere Ermittlungen über die Höhe der dem Steuerpflichtigen erwachsenen Kosten anzustellen.

4. Das Besprechungsurteil gibt im Übrigen einen anschaulichen Überblick über die einschlägigen Kostenarten (Mehraufwand für Verpflegung, Fahrtkosten, Unterkunftskosten und Umzugskosten), die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung anfallen können.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 4.4.2006, VI R 44/03

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