Leitsatz

1. Bei der Verwaltungsanweisung im koordinierten Ländererlass vom 17.12.1965 (BStBl II 1966, 34) handelt es sich nicht um eine Billigkeitsregelung, sondern um eine norminterpretierende, mit der Gesetzeslage nicht in Einklang stehende Richtlinie, die keinen Vertrauenstatbestand begründen kann.

2. Eine Übergangsregelung der Finanzverwaltung kann nicht in Form einer typisierenden Billigkeitsregelung getroffen werden.

 

Normenkette

§ 163, § 227 AO, § 14, § 16 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerinnen sind je zur Hälfte Erbinnen ihrer 2005 verstorbenen Mutter (M). M hatte ihrerseits von ihrem vorverstorbenen Ehemann (E) im Jahr 1987 einen ruhenden landwirtschaftlichen Betrieb übernommen. Eine Aufgabeerklärung wurde nicht abgegeben. Weder E noch M wurden in dieser Zeit steuerlich geführt.

Im Rahmen einer Außenprüfung stellte die Prüferin fest, dass E zuletzt in seinem Eigentum befindliche Flächen zum Wirtschaftsjahr 1976/1977 bewirtschaftet hatte. Ab Oktober 1979 waren – abgesehen von den Wirtschaftsgebäuden – Flächen an X verpachtet. Ab dem 1.1.1986 waren weitere Flächen an Y verpachtet. 1998 veräußerte M ein Grundstück gegen ratenweise Kaufpreiszahlung.

Die Prüferin war der Ansicht, der Gewinn hieraus sei im Wirtschaftsjahr 2000/2001 zu versteuern. Aufgrund der entsprechenden geänderten Steuerbescheide ergaben sich Einkommensteuernachzahlungen. Die Einkommensteuerbescheide wurden nach Rücknahme der diesbezüglich erhobenen Klage bestandskräftig.

2012 beantragten die Klägerinnen den Erlass sowie die Erstattung der nachgezahlten Einkommensteuer. Die Steuern seien gemäß der Billigkeitsregelung der OFD Münster vom 7.1.1991 (S 2239-70-St 12-21, DB 1991, 523) nicht zu erheben.

Das FA lehnte den Erlassantrag ab. Das FG gab der nach erfolglosen Vorverfahren erhobenen Klage weitgehend statt. Die Klägerinnen hätten allein aufgrund des sog. Verpachtungserlasses vom 17.12.1965 (BStBl II 1966, 34) nach § 163 AO Anspruch auf eine aus Billigkeitsgründen niedrigere Einkommensteuer­festsetzung bzw. auf Erlass der Beträge für die Streitjahre (FG Münster, Urteil vom 22.11.2016, 12 K 1519/14 E, Haufe-Index 11344411).

 

Entscheidung

Auf die Revision des FA hat der BFH die Vorentscheidung aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Hinweis

1. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, die Klägerinnen hätten aufgrund des sog. Verpachtungserlasses im BStBl II 1966, 34, Anspruch auf eine Billigkeitsmaßnahme. Das FA hat die begehrte Billigkeitsmaßnahme vielmehr im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Denn bei der Verwaltungsanweisung im koordinierten Ländererlass in BStBl II 1966, 34 handelt es sich – entgegen der Auffassung des FG – nicht um eine Billigkeitsregelung, sondern vielmehr um eine norminterpretierende Richtlinie zur Auslegung des Anwendungsbereichs der §§ 14, 16 EStG, die keinen Vertrauenstatbestand begründen kann (so bereits BFH, Beschluss vom 13.3.2009, IV B 17/08).

2. Auch aus der Verfügung der OFD Münster in DB 1991, 523 zur Anwendung des Urteils (BFH, Urteil vom 15.10.1987, IV R 66/86, BStBl II 1988, 260), nach dem allein die parzellenweise Verpachtung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs entgegen der Verwaltungsauffassung keine Zwangsbetriebsaufgabe bewirkt, können die Klägerinnen keinen Billigkeitsanspruch herleiten.

a) Gemäß dieser Verfügung soll vorgenanntes BFH-Urteil nach einem Beschluss der Einkommensteuerreferenten des Bundes und der Länder nicht dazu führen, dass Betriebe, die nach der alten Verwaltungsauffassung mangels Abgabe einer Fortführungserklärung bei der parzellenweisen Verpachtung als aufgegeben zu behandeln waren, nachträglich wieder zu bestehenden Betrieben werden, wenn die parzellenweise Verpachtung des Betriebs vor Veröffentlichung des BFH-Urteils am 15.4.1988 erfolgt ist (Altfälle). In Fällen, in denen in der Vergangenheit keine Fortführungserklärung abgegeben wurde, sollte es daher grundsätzlich bei der Betriebsaufgabe verbleiben. In Altfällen, in denen die bis dahin unterbliebene Versteuerung des Aufgabegewinns verfahrensrechtlich noch hätte nachgeholt werden können, sollte die Betriebsaufgabe durch die nachträgliche Abgabe einer Fortführungserklärung vermieden werden.

b) Diese Verfügung kann aus der für die Auslegung von Verwaltungsanweisungen maßgeblichen Sicht der Finanzverwaltung jedoch nicht dahin verstanden werden, dass die parzellenweise Verpachtung in Altfällen (= vor Veröffentlichung des o.g. BFH-Urteils) unabhängig vom Einzelfall aus Billigkeitsgründen stets als Betriebsaufgabe gewertet werden soll, aus der jedoch keine steuerlichen Folgerungen zu ziehen seien. Darum kann die Besteuerung einer erst später tatsächlich gegebenen Gewinnrealisierung nicht mit dem Hinweis abgewehrt werden, aufgrund dieser Verfügung müsse angenommen werden, dass es bereits in vergangener, rechtsverjährter Zeit zu einer solchen gekommen sei. Die Verfügung der OFD Münster kann vielmehr nur in jenen Fällen Wirkung entfalten, in denen die Finanzverwaltung bei Beginn einer parzellenweis...

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