Entscheidungsstichwort (Thema)

Abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO, Veräußerungsgewinn, Verpachtungserlass vom 17.12.1965

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die auf den Gewinn aus der Veräußerung eines seit spätestens 1986 parzellenweise an mehrere Pächter verpachteten landwirtschaftlichen Grundbesitzes entfallende Einkommen?steuer ist aufgrund des Verpachtungserlasses vom 17.12.1965 (BStBl. II 1966, 34) aus Billigkeitsgründen zu erlassen, wenn der Stpfl. entgegen der dort bestimmten Zwangsbetriebsaufgabe nicht die Fortführung des Betriebs erklärt hat.

2) Bei dem Verpachtungserlass vom 17.12.1965 handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungserlass, der auch von Gerichten zu berücksichtigen ist.

 

Normenkette

AO § 163

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.03.2020; Aktenzeichen VI R 35/17)

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte es zu Recht abgelehnt hat, die Einkommensteuer der Streitjahre gegenüber den Klägerinnen aus Billigkeitsgründen niedriger festzusetzen.

Die Klägerinnen sind je zur Hälfte Erbinnen ihrer am 00.00.2005 verstorbenen Mutter L 1 und deren Rechtsnachfolgerin. L 1 hatte von ihrem vorverstorbenen Ehemann L 2 einen ruhenden landwirtschaftlichen Betrieb übernommen. Eine Aufgabeerklärung war nicht abgegeben worden.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung traf die Prüferin des Finanzamtes für Groß- und Konzernprüfung (Bp-Bericht vom 05.0.2008) folgende Feststellungen:

L 2 hatte zuletzt die in seinem Eigentum befindlichen Flächen in einer Größe von X ha zuzüglich Hofstelle von X ha bewirtschaftet. Die Bewirtschaftung erfolgte ausweislich seiner Viehhaltungserklärung vom 00.00.1978 zumindest bis zum Wirtschaftsjahr 1976/1977. Ab Oktober 1979 waren nach den Viehhaltungserklärungen für die Wirtschaftsjahre 1985/86 bis 1987/88 und des Pachtvertrages vom 00.00.1979 abgesehen von den Wirtschaftsgebäuden sämtliche Flächen an S verpachtet. Ab 01.01.1986 waren nach Angaben der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft weitere X ha an E verpachtet worden. Im Jahr 1987 ging der Betrieb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf L 1 über.

Mit notariellem Vertrag vom 00.00.1998 veräußerte L 1 das Grundstück Gemarkung O Flur X Nr. 1, 2, 3, 4, 5 und 6 tlw., insgesamt etwa 29.000 qm, an die Stadt N. Die Kaufpreiszahlung erfolgte in wie folgt zufließenden Raten:

00.00.1998

X DM

00.00.2001

X DM

00.00.2002

X €

00.00.2002

X €

In § 3 des Kaufvertrages war der Übergang von Nutzen und Lasten nach Zahlung der zweiten Kaufpreisrate (00.00.2001) vereinbart.

Die Prüferin ging davon aus, dass die Kaufpreisraten im Zeitpunkt der Zuflusses als Veräußerungserlös zu erfassen und dem entsprechenden Wirtschaftsjahr zuzurechnen war. Die Buchwerte der Grundstücke, insgesamt X DM, erfasste sie im Zeitpunkt des Übergangs von Nutzen und Lasten (Wirtschaftsjahr 2000/01).

Die Einkünfte aus land- und Forstwirtschaft betrugen danach X DM für 1999, X DM für 2000 und X DM für 2001. Aufgrund der Steuerbescheide ergeben sich folgende Nachzahlungen:

ESt

SolZ

Zinsen zur ESt

1999

X €

X €

X €

2000

X €

X €

X €

2001

X €

X €

X €

Die entsprechend gegenüber den Miterbinnen nach L 1 erlassenen Einkommensteuer-Bescheide 1999 bis 2001 vom 01.08.2008 sind nach der mit Schriftsatz vom 30.06.2011 erklärten Rücknahme der unter dem Aktenzeichen 5 K 1438/09 E geführten Klage bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 11.12.2012 beantragten die Klägerinnen den „Erlass und die Erstattung der mit obigen Bescheiden (erg.: Einkommensteuer-Bescheide 1999 bis 2001 vom 01.08.2008) festgesetzten Einkommensteuern, Zuschlagsteuern und Zinsen.” Die Steuern seien nicht zu erheben, weil die dem entgegenstehende Billigkeitsregelung der OFD Münster S 2239 ST 1221 vom 07.01.1991 eingreife.

Die für die Gewährung erforderliche parzellenweise Verpachtung habe seit dem 00.00.1979 vorgelegen. Alle landwirtschaftlich nutzbaren Flächen seien an verschiedene Pächter überlassen worden. Nach Abzug der Hof- und Gebäudefläche seien knapp X ha landwirtschaftlicher Flächen vorhanden gewesen. Ca. X ha seien an Herrn S und ca. X ha sei an E überlassen worden.

Zur Begründung verwiesen die Klägerinnen auf die Bestätigungen von S vom 05.20.2008

„Seit dem 00.00.1979 war ich Pächter der Ackerflächen, welche sich im Eigentum von Frau L 1 befanden.

Mein Betrieb war/ist ein Sauenbetrieb. Daher hatte ich für das Grünland keine Verwendung. Der sogenannte Obsthof und die Wiesen in einer Größe von ca. X ha wurden von einem fremden Pächter während meiner ganzen Pachtzeit genutzt…”

und vom Mai 2012

„Hiermit bestätige ich, dass ich zusätzlich zu den im Pachtvertrag vom Oktober 1979 angegebenen Ackerflächen weitere Ackerstücke mit einer Fläche von ca. X ha landwirtschaftlich genutzt habe. Die Flächen von L 2 wurden ohne Pachtentgelt bis zur Veräußerung bewirtschaftet…”

sowie von E vom Juni 2011

„Hiermit bestätige ich, dass ich seit dem 00.00.1979 Pächter von knapp X ha großen Grünlandflächen (u.a. Obsthof) war. Diese befanden sich im Eigentum von Herrn L 2 bzw. nach dem Tod im Eigentum seiner Ehefrau Frau L 1. Die Fläche wurde mi...

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