Leitsatz

§ 10d Abs. 1 EStG i.d.F. d. StEntlG 1999/2000/2002 wirkt nicht in verfassungsrechtlich erheblicher Weise zurück, wenn danach Verluste aus dem Jahr 2000 lediglich in das Jahr 1999 zurückgetragen werden können.

 

Normenkette

§ 10d Abs. 1, § 52 Abs. 1 EStG i.d.F. d. StEntlG 1999/2000/2002, Art. 20 Abs. 3 GG

 

Sachverhalt

Der Sachverhalt ergibt sich seiner Struktur nach bereits aus dem Leitsatz und den Praxis-Hinweisen. K erzielte 1998 als Rechtsanwalt Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Er erwarb in diesem Jahr und im Jahr 1999 zwei Vermietungsobjekte, übernahm die Sanierungsverpflichtung und finanzierte diese Projekte mit Fremd- und Eigenmitteln. Daraus erklärte er in den Jahren 1998 bis 2000 erhebliche Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, die das FA im Wesentlichen anerkannte. Das FA setzte die Einkommensteuer für das Jahr 1998 auf 198.711 DM fest. Für das Jahr 2000 setzte das FA die Einkommensteuer auf 0 DM fest und stellte den verbleibenden Verlustvortrag auf den 31.12.2000 fest. Die u.a. hiergegen (Einspruch ferner gegen die Steuerfestsetzung 1999) gerichteten Einsprüche, mit denen der Kläger neben weiteren nicht mehr bedeutsamen Begehren den Verlustrücktrag von 2000 in das Jahr 1998 beantragte, blieben erfolglos. Die hiergegen gerichtete Klage hatte zum Teil Erfolg. Das FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 14.2.2012, 13 K 5851/03 E,F, Haufe-Index 3589166, EFG 2012, 1251) zog den nicht ausgleichsfähigen Verlust des Jahres 2000 (142.378 DM) in Höhe von 137.840 DM vom Gesamtbetrag der Einkünfte des Jahres 1999 ab; einen Verlustrücktrag von 2000 in das Jahr 1998 lehnte das FG mangels gesetzlicher Grundlage ab.

 

Entscheidung

Dem folgte auch der BFH und wies die Revision als unbegründet zurück.

 

Hinweis

Angenommen, jemand erzielte im Jahr 1998 einen Gewinn und im Jahr 2000 einen Verlust: Führt dies zu einer Rückwirkung des Gesetzes, das im Jahr 1999 den Verlustrücktrag auf ein Jahr reduziert (also von 2000 lediglich auf 1999, nicht aber auf 1998)? Aus welcher Perspektive ist diese Frage zu beurteilen, aus der des Verlustrücktragsjahres (1998) oder aus der des Verlustentstehungsjahres (2000)?

Mit diesen Fragen musste sich der BFH in einem Fall auseinandersetzen, in dem in der beschriebenen Konstellation die verfassungswidrige Rückwirkung des § 10d Abs. 1 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 geltend gemacht wurde. Das Ergebnis zuerst: Der BFH stellt auf den Zeitpunkt der Verlustentstehung ab und verneint eine Rückwirkung.

1. Von einer unechten Rückwirkung könnte nur ausgegangen werden, wenn der Normtatbestand Sachverhalte erfasst, die bereits vor Verkündung "ins Werk gesetzt" worden sind. Dann wirkt das StEntlG nur zurück, wenn man auf den Abzugszeitraum (also 1998) abstellte.

2. Was bedeutet es in Bezug auf den Verlustabzug, wenn ein Sachverhalt "ins Werk gesetzt wird"? Der entscheidende Sachverhalt, der "ins Werk gesetzt" wird, ist das maßgebende Verhalten des Steuerpflichtigen, an den der Gesetzgeber die Rechtsfolgen knüpft. Dies ist beim Verlustabzug die Verlust­entstehung. Im Verlustentstehungszeitraum verwirklicht der Steuerpflichtige den Steuertatbestand, an den das Gesetz die Rechtsfolge des Verlustabzugs knüpft. Denn es geht beim Verlust­rücktrag in § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG um "negative Einkünfte" des Entstehungsjahres, "die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte im Entstehungsjahr nicht ausgeglichen werden". Die überperiodische Abziehbarkeit negativer Ergebnisse ist mithin an die Verwirklichung eines Steuertatbestandes i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 7 EStG gebunden. Diese Tatbestandsverwirklichung entscheidet auch über die zeitliche Zuordnung der Voraussetzungen des Verlustabzugs.

3. Zwar wird im Rücktragsjahr über Grund und Höhe des rücktragbaren Verlusts entschieden; die negativen Einkünfte, "die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden", bilden eine Besteuerungsgrundlage i.S.d. § 157 Abs. 2 AO für die Ermittlung des Verlustabzugs. Dies ist aber lediglich die verfahrensmäßige Ausprägung und Folge des im Entstehungsjahr verwirklichten Steuertatbestandes.

4. Daraus folgt: Wenn der Gesetzgeber mit dem StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 den Verlust­rücktrag auf ein (das der Verlustentstehung unmittelbar vorangegangene) Jahr beschränkt, bedeutet dies für den im Jahr 2000 verwirklichten Steuertatbestand keine Rückwirkung. Der Gesetzgeber änderte im Jahr 1999 mit dem neu strukturierten Verlustabzug die Rechtsfolge eines erst der Zukunft zugehörigen Verhaltens, des Verwirklichens eines Steuertatbestandes im Jahr 2000.

Es ist evident, dass diese Folge dem verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz entspricht: Wenn der Steuerpflichtige sich im Jahr 2000 steuerrechtlich bedeutsam betätigt und sein Verhalten am Markt zu Verlusten führt, weiß er, dass er diesen Verlust nur in das unmittelbar vorangegangene Jahr zurücktragen kann, im Übrigen aber vortragen muss.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.4.2013 – IX R 20/12

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