Rz. 37

Es gelten die allgemeinen Grundsätze der objektiven Beweislast, so dass die Beweislast für die Rechtswidrigkeit des aufzuhebenden Bescheides derjenige trägt, der sich auf die Rechtswidrigkeit beruft und aus § 44 Abs. 1 Satz 1 eine für ihn günstige Rechtsfolge herzuleiten sucht, also regelmäßig derjenige, der die Sozialleistung begehrt bzw. sich gegen die Beiträge wehrt. Die objektive Beweislast für den Vorsatz i. S. d. § 44 Abs. 1 Satz 2 liegt bei der Behörde.

 

Rz. 37a

Stützt sich die Behörde für ihre Entscheidung auf § 44, muss zuvor keine Anhörung nach § 24 Abs. 1 erfolgen und zwar auch dann nicht, wenn die Behörde fehlerhaft verkannt hat, dass sie sich bei der Entscheidung auf § 48 hätte stützen müssen (BSG, Urteil v. 10.8.2010, B 13 R 140/10 B).

 

Rz. 37b

Macht der Betroffene einen Anspruch geltend, dessen Zuerkennung die Rücknahme eines früheren Bescheides voraussetzt und sieht die Verwaltung hierin fälschlicherweise nur einen Neuantrag, ist von dem Gericht dennoch über den Anspruch nach § 44 Abs. 1 mit zu entscheiden; einer Ergänzung des angefochtenen Bescheides oder der Erhebung einer Untätigkeitsklage bedarf es nicht (BSG, Urteil v. 29.11.2007, B 13 R 44/07 R, SozR 4-2600 § 236a Nr. 2).

 

Rz. 37c

Der Anspruch auf Anerkennung von Unfallfolgen im Verfahren nach § 44 ist mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage zu verfolgen. Daneben bedarf es keiner zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid aufzuheben (str., wie hier LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 10.3.2008, L 1 U 2511/07 unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 5.9.2006, B 2 U 24/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).

 

Rz. 37d

Wird im laufenden Überprüfungsverfahren nach § 44 Abs. 1 ein "Verschlimmerungsantrag" nach § 48 Abs. 1 Satz 2 gestellt, kann nach dem maßgeblichen prozessualen Streitgegenstandsbegriff eine teilweise Identität der Streitgegenstände hinsichtlich der sich überschneidenden Leistungszeiträume vorliegen. Es kommt daher auch eine Einbeziehung späterer Bescheide in das Widerspruchsverfahren (§ 86 SGG) bzw. das Klageverfahren (§ 96 SGG) in Betracht (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 18.1.2010, L 1 U 2697/09). Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren nach § 44 kommt wegen Mutwilligkeit nicht in Betracht, wenn bereits ein weiteres Verfahren mit identischen Rechtsfragen geführt wird (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 1.9.2014, L 13 AS 3078/14). Das LSG Schleswig-Holstein meint, dass einstweiliger Rechtssschutz auch gegen die Vollstreckung bestandskräftiger VA möglich ist, wenn die Prüfung des Anordnungsanspruchs einen materiell unzweifelhaften Anspruch ergibt (Beschluss v. 6.1.2016, L 5 KR 209/15 B ER).

 

Rz. 37e

Ein Überprüfungsantrag nach § 44 kann nach Auffassung des Bay. LSG (Beschluss v. 29.4.2014, L 7 AS 260/14 B ER) auch der Vollstreckung aus einem bestandskräftigem Bescheid vorläufig entgegen stehen. Dieser Auffassung kann jedoch nur für den Fall gefolgt werden, dass sich die Rechtswidrigkeit des mit dem Antrag nach § 44 zur Überprüfung gestellten bestandskräftigen VA geradezu aufdrängt.

 

Rz. 37f

Zur Frage der Entstehung von Zinsansprüchen bei Ansprüchen nach § 44 Abs. 4 SGB X, § 44 Abs. 1 SGB I vgl. BSG, Terminbericht Nr. 64/14 zu 3) v. 18.12.2014, B 8 SO 17/13 R, gegen LSG Nordrhein-Westfalen, L 20 SO 479/12, das auf den Antrag nach § 44 SGB X abgestellt hatte. Demgegenüber das sich das BSG auf den Standpunkt gestellt, es sei auf die frühere Fälligkeit des ersten Antrages auf Grundsicherungsleistungen abzustellen.

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