Rz. 26

Als ein absoluter Aufhebungsgrund war die unterlassene notwendige Anhörung nach § 24 im Gesetzgebungsverfahren aufgrund von Entscheidungen des BSG v. 28.7.1977 (2 RU 31/77, BSGE 44 S. 207) in § 41 Satz 2 aufgenommen worden, da es sich hierbei um eine Ausprägung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG handelt (BT-Drs. 8/4022 S. 82). Eine entsprechende Regelung fehlt allerdings im VwVfG, so dass die Ableitung und Begründung aus dem Verfassungsrecht schon nicht überzeugend war. Das Grundgesetz gibt einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Anhörung nur im Gerichtsverfahren (Art. 103 Abs. 1 GG). Insoweit kann das einfach-rechtlich eingeräumte Anhörungsrecht im Verwaltungsverfahren auch durch einfaches Gesetz wieder entzogen oder relativiert werden, auch wenn dies rechtspolitisch fragwürdig erscheint.

 

Rz. 27

Die Regelung des Satzes 2 ist im Zusammenhang mit der Änderung der Vorschrift durch das Vierte Euro-Einführungsgesetz v. 21.12.2000 (BGBl. I S. 1983) nicht geändert worden. Dies hätte an sich nahegelegen, weil durch dieses zum 1.1.2001 in Kraft getretene Gesetz geregelt worden ist, dass die Anhörung nunmehr bis zur letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz nachgeholt werden kann (vgl. Komm. zu § 41). Damit läuft die Regelung des Satzes 2 nunmehr weitgehend leer. Gerade bei Anhörungsfehlern kann es zudem an der Kausalität dieses Mangels für die getroffene Entscheidung fehlen, weil materiell-rechtlich gar keine andere Sachentscheidung möglich ist und/oder die Entscheidung auf Tatsachen beruht, die der Betroffene kennt oder selbst gesetzt hat. Insofern ist die Beibehaltung des Satzes 2 angesichts der Änderung in § 41 Abs. 2 und des Satzes 1 nicht plausibel.

 

Rz. 28

Voraussetzung für die Annahme eines Anhörungsfehlers ist, dass eine Anhörung i. S. v. § 24 notwendig war, also durch den VA in Rechte eingegriffen wird (vgl. Komm. zu § 24). Nicht in materielle Rechte oder formelle Rechtspositionen wird eingegriffen, wenn – wie bei den für § 42 typischerweise in Betracht kommenden Fällen der reinen Anfechtungsklage – ein geltend gemachter Anspruch durch VA abgelehnt wurde (str.) oder über künftige Ansprüche nach einem erledigten VA entschieden wird. Eine Anhörungspflicht besteht auch dann nicht, wenn eine nur als vorläufig gemäß § 42 SGB I erbrachte Leistung ganz oder teilweise zurückgefordert wird, weil hier der Rückforderungsanspruch kraft Gesetzes entsteht (BSG, Urteil v. 17.4.1996, 3 RK 13/95, SozR 3-5425 § 10 Nr. 1 zu vorläufigen Zuschüssen der Künstlersozialkasse). Entsprechendes dürfte für die Rückforderung von Leistungen nach § 50 Abs. 1 gelten, wenn die Rücknahme des Bescheides bestandskräftig geworden ist oder wenn seitens der Verwaltung gesetzliche Beitragsansprüche durch VA gegenüber dem Beitragsschuldner geltend gemacht werden.

 

Rz. 29

Für Anhörungsmängel ist dadurch jedoch der Anwendungsbereich des Satzes 2 für eine vor Erlass des VA nicht erfolgte oder danach nicht wirksam nachgeholte Anhörung und damit die Aufhebung eines VA allein wegen dieses Fehlers weitgehend eingeschränkt. Die Heilung eines etwaigen Anhörungsfehlers erfordert kein eigenständiges zwischengeschobenes "Anhörungsverfahren" (vgl. BSG, Urteil v. 14.7.1994, 7 RAr 104/93), es sei denn, dass die Anhörung nicht im Widerspruchsverfahren, sondern erst im Klageverfahren nachgeholt wird (BSG, Urteil v. 6.4.2006, B 7a AL 64/05 R). Erforderlich ist in jedem Fall, dass dem Betroffenen die wesentlichen Gründe und entscheidungserheblichen Tatsachen mitgeteilt wurden und er sich dazu äußern konnte. Eine Pflicht zur Äußerung besteht jedoch nicht. Abzustellen für die Anhörung und deren Umfang als Verfahrensvorschrift ist auf die tatsächlichen Verhältnisse, die nach der Rechtsauffassung der Behörde der Entscheidung als wesentlich zugrunde gelegt waren (vgl. Steinwedel, in: KassKomm, § 42 SGB X Rz. 16, sowie BSG, Urteil v. 23.3.1999, B 4 RA 41/98 R, SozR 3-1300 § 31 Nr. 13).

 

Rz. 30

Befindet sich ein Streit über einen VA bereits im Gerichtsverfahren, dürften in vielen Fällen insbesondere durch das Widerspruchsverfahren die Gründe und maßgebenden Tatsachen für die Entscheidung bekannt sein und es dürfte auch Gelegenheit zur Stellungnahme bestanden haben. Ist eine Klage eingelegt worden, gibt der von einem VA Betroffene darin zumeist seine Stellungnahme zu dem VA und seinem Inhalt aus seiner Sicht ab, hat also die Möglichkeit der Stellungnahme und nimmt diese mit der Klage auch wahr. Dies reicht jedoch für die Heilung des Anhörungsmangels regelmäßig nicht aus. Vielmehr setzt die Nachholung der Anhörung nach § 24 im Gerichtsverfahren voraus, dass die Verwaltungsbehörde ein "mehr oder minder förmliches Verwaltungsverfahren" durchführt und es dabei nicht allein dem Gericht überlässt, dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (BSG, Urteil v. 6.4.2006, B 7a AL 64/05 R). Ggf. muss der beklagte Verwaltungsträger die Aussetzung des Gerichtsverfahrens nach § 114 SGG beantragen, um dieses Verfahren durchführen zu können (BSG, a. a. O....

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