2.1.1 Berechtigter Personenkreis

 

Rz. 7

Grundvoraussetzung für die Anwendung der Vorschrift ist die Zugehörigkeit des Versicherten zu dem in Abs. 1 genannten Personenkreis.

§ 206 Abs. 1 begrenzt die Berechtigung zur Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen auf Versicherte, die als Vertriebene anerkannt sind und im Vertreibungsgebiet eine Beschäftigung oder Tätigkeit i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 ausgeübt haben.

Im Einzelnen ergibt sich aus § 206 Abs. 1 folgender Personenkreis:

→ Geistliche und sonstige Beschäftigte der als öffentlich-rechtliche Körperschaften anerkannten Religionsgesellschaften

Diesem Personenkreis sind nach dem Wortlaut der Vorschrift sowohl Geistliche, die als Kirchenbedienstete in erster Linie seelsorgerische Aufgaben wahrgenommen haben, als auch sonstige Kirchenbedienstete, die z. B. organisatorische oder reine Verwaltungsarbeiten zu erledigen hatten, zuzuordnen.

Religionsgesellschaften mit Körperschaftsstatus sind z. B.

  • evangelische Kirchen (Landeskirchen, Gemeinden, Zusammenschlüsse),
  • die römisch-katholische Kirche (Diözesen, Gemeinden, Zusammenschlüsse, teilweise aber auch Ordensgemeinschaften),
  • vereinzelte jüdische Gemeinden,
  • Alt-Katholiken und Altlutheraner,
  • Baptisten,
  • Mennoniten,
  • Zeugen Jehovas (vgl. auch Urteil des OVG Berlin v. 24.3.2005, OVG 5 B 12.01, und Beschluss des BVerwG v. 1.2.2006, 7 B 80/05).

→ Mitglieder geistlicher Genossenschaften

Als geistliche Genossenschaft wird der Zusammenschluss von Personen einer Glaubensrichtung bezeichnet, die ihren Glauben in einer Gemeinschaftsform leben. Diesem Personenkreis sind in der römisch-katholischen Kirche Mönche, Diakonissen und sonstige Ordensmitglieder zuzuordnen, die aus überwiegend religiösen oder sittlichen Beweggründen z. B. in der Kranken- und Altenpflege tätig sind und als Entlohnung neben freiem Unterhalt lediglich ein geringes Arbeitsentgelt (Taschengeld) erhalten. Als geistliche Genossenschaften der evangelischen Kirche sind z. B. Bruderschaften und Kommunitäten zu nennen.

→ Diakonissen

Diesem Personenkreis gehören Frauen und Männer unterschiedlichen Alters und in verschiedenen Lebenssituationen an, die miteinander ihren Glauben, ihr Leben und ihren Dienst teilen. Ihr Tätigkeitsfeld erstreckt sich auf soziale Arbeiten in Krankenhäusern, Senioren- und Pflegeheimen, Heimen und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Palliativstationen und Hospize.

→ Angehörige vergleichbarer karitativer Gemeinschaften

Diesem Personenkreis sind Versicherte zuzuordnen, die einer Gemeinschaft angehört haben, deren Zusammenschluss auf einer gemeinsamen Religion oder Kirche beruht (z. B. Brüdergemeinden wie die "Christliche Versammlung" oder der "Freie Brüderkreis"). Im Unterschied zu den Mitgliedern geistlicher Genossenschaften müssen Angehörige vergleichbarer Gemeinschaften keine dauerhafte Bindung zur Gemeinschaft eingehen. Die Berechtigung zur Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen gemäß § 206 besteht allerdings nur für Versicherte, die ihren Dienst für eine karitative Gemeinschaft geleistet haben; diese Voraussetzung liegt z. B. nicht vor, wenn sich die Arbeit einer Gemeinschaft ausschließlich auf die Missionierung von Menschen beschränkt und keine sozialen bzw. gemeinnützigen Tätigkeiten umfasst.

2.1.2 Vertriebeneneigenschaft

 

Rz. 8

Neben der Zugehörigkeit zu dem oben genannten Personenkreis setzt die Berechtigung zur Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen nach § 206 Abs. 1 voraus, dass der Versicherte als Vertriebener anerkannt ist (sog. Vertriebeneneigenschaft).

Dabei dient das im Jahre 1953 in Kraft getretene Bundesvertriebenengesetz (BVFG) als Grundlage für die Feststellung der Vertriebeneneigenschaft von Vertriebenen und Flüchtlingen, die ihre Heimat im Zusammenhang mit den Ereignissen des 2. Weltkriegs (insbesondere) durch Ausweisung oder Flucht verlassen mussten. Im Laufe des mehr als 70 Jahre bestehenden BVFG sind die Vorschriften und das Verfahren zur Anerkennung der Vertriebeneneigenschaft wiederholt geändert worden. Derzeit ergeben sich diese aus dem BVFG in der Fassung der Bekanntmachung v. 22.12.2023 (BGBl. I S. 390).

Nach §§ 1, 2 und 4 BVFG gelten als "Vertriebene i. S. v. § 206 Abs. 1" Personen, die als deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige

  • unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg aus ihrer Heimat vertrieben wurden (sog. Vertriebene gemäß § 1 BVFG),
  • zu einem späteren Zeitpunkt, aber vor dem 1.1.1993, als sog. Aussiedler in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen sind (sog. Heimatvertriebene gemäß § 2 BVFG),
  • nach dem 31.12.1992 – im Wesentlichen aus der ehemaligen Sowjetunion – als sog. Spätaussiedler in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen sind (§ 4 BVFG).[1]

Der Nachweis über die Zugehörigkeit zum Personenkreis der Vertriebenen i. S. v. §§ 1, 2 und 4 BVFG wird für Heimatvertriebene (§ 2 BVFG) durch den Vertriebenenausweises A (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 BVFG a. F.) und für Vertriebene (§ 1 BVFG) durch den Vertriebenenausweis B (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 BVFG a. F.) geführt. Vertriebenenausweise wurden allerdings längstens bis zum 31.12.1992 au...

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