Die Urteile des X. Senats enthalten eine wichtige Klarstellung, die neuen Argumentationsformen der Finanzverwaltung Grenzen setzt.

Probleme der zunehmenden Verfahrensautomatisierung...: Die Finanzverwaltung führt immer weitere automatisierte Verfahren ein, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Der X. Senat hatte bereits früher das Verfahren über die Gewährung einer Zulage für Altersvorsorgebeiträge für verhältnismäßig erklärt, obwohl es in besonderer Weise auf Schnelligkeit, Einfachheit und Effizienz gerichtet sei. Dies gelte auch unter dem Blickwinkel, dass die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und ggf. des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutzes beeinträchtigt würden. Der Gesichtspunkt einer möglichst effizienten Verwaltung genieße Verfassungsrang (Hinweis auf Art. 108 GG). Daher sei auch nicht zu beanstanden, dass der Zulageberechtigte über einen Zeitraum von zwei Jahren, in dem eine abschließende Überprüfung erfolge, mit einer Rückzahlung rechnen müsse.

... insb. mangelnde Überprüfungsmöglichkeit wegen Fristablaufs: Etwas anderes könne allerdings gelten, wenn bereits im Gesetz angelegt wäre, dass die Überprüfung der Zulage (2. Stufe gem. § 91 EStG) erst zu einem Zeitpunkt stattfinde, in dem die zweijährige Frist für die Erteilung der Einwilligung schon abgelaufen sei. Der X. Senat sah den Gesetzgeber für den Fall gefordert, dass die Verwaltung ihr Verfahren – ungesteuert von gesetzlichen Vorgaben – so einrichte, dass die Zulage systematisch erst nach Ablauf der Einwilligungsfrist überprüft werde (BFH v. 22.10.2014 – X R 18/14, BStBl. II 2015, 371 = EStB 2015, 51 = FR 2015, 514).

Eingeschränkte Überprüfbarkeit des Verwaltungsvorgangs nicht akzeptabel: Die beklagten Finanzämter knüpften in den Besprechungsfällen an diese Darstellung an und sahen allein die ZfA für Einwendungen gegen ihre Bescheinigung entscheidungsbefugt. Eine eigene Überprüfung durch das FA sehe das dreistufige gesetzliche Verfahren zur Ermittlung, Überprüfung und Festsetzung der Altersvorsorgezulage nicht vor. Diese Argumentation kann man mit einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung vergleichen. Ein digitalisiertes Verwaltungsverfahren erzeugte nach dieser Lesart aus Gründen der Kostenersparnis eine Einschränkung der Überprüfbarkeit des Verwaltungsvorgangs, um darüber hinaus – am Ende der Entscheidungskette – in einer Vielzahl von Fällen sogar zum faktischen Ausschluss der rechtlichen Überprüfbarkeit zu führen. Dies wollte die Finanzverwaltung sogar für solche Fälle gelten lassen, in denen nach Ansicht aller Beteiligter inhaltlich unrichtige ZfA-Bescheinigungen vorlagen.

Hier zeigt der X. Senat der Finanzverwaltung Grenzen auf. Ein potentieller Ausschluss der Gewährung von Rechtsschutz aufgrund eines nicht abgestimmten Verfahrens der Prüfung durch die ZfA und der Mitteilung im Rahmen des geänderten Einkommensteuerbescheides durch das FA sei durch einen Hinweis auf den Gesichtspunkt einer möglichst effizienten Verwaltung nicht gemeint. Auch eine effizient arbeitende Verwaltung habe effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, vorliegend im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid. Denn der Zulageberechtigte könne ohne Beachtung weiterer formeller Bindungen die Fehlerhaftigkeit des Überprüfungsergebnisses der ZfA darlegen.

Diese Ausführungen sind nicht auf den Einzelfall zu beschränken. In der Praxis bedeutet dies, dass die kostenmäßig günstigere Ausgestaltung eines Verwaltungsverfahrens nicht dazu führen darf, dass dem Anspruchsteller Rechtsschutzmöglichkeiten im Ergebnis verweigert oder erschwert werden. Verwaltungshandeln muss einer rechtlichen Überprüfung unterzogen werden können. Insoweit kann man die Ausführungen des Senats als Korrektur seiner vorherigen Rspr. ansehen. Nach bisheriger Lesart war der Steuerpflichtige weitgehend rechtlos gestellt, wenn kein systematisch rechtsfeindliches Verhalten der Verwaltung nachgewiesen werden konnte. Entsprechenden Versuchen der Verwaltung zur Einschränkung des Rechtsschutzes ist jedoch weitergehend entschieden entgegenzutreten. Verwaltungshandeln ist obrigkeitsstaatliches Vorgehen, das – unabhängig von Bestrebungen nach Kosteneffizienz – einer Rechtskontrolle unterliegen muss. Dabei muss für den Betroffenen von Gesetzes wegen eindeutig ersichtlich sein, wie er sich gegen was auf welcher Stufe des Verwaltungshandelns wehren oder eine Überprüfung veranlassen kann. Nach dieser Entscheidung steht fest, dass dies nicht durchgehend gewährleistet ist.

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