Tz. 525

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

Im Rahmen der Untersuchung einer Umstrukturierung als Funktionsverlagerung oder Funktionsverdoppelung stellt sich auch die Frage der sog Atomisierung bzw der Grenzen einer funktionalen Betrachtungsweise. Oder anders ausgedrückt, es stellt sich die Frage, wann überhaupt eine "Funktion" als Objekt der Verlagerung angenommen werden kann. Diese Frage ist angesichts des unbestimmten Rechtsbegriffs der Funktion im Einzelfall schwer zu beantworten (s auch Wolter/Pitzal, IStR 2008, 793).

 

Beispiel:

Ein Textil-Unternehmen verlagert die Produktion der Jeanshosen aus dem Billigpreissegment auf eine ausl TG, die diese Hosen selbst an die bisherigen Kunden vermarktet (kein Lohnfertiger). Das inl Mutterunternehmen produziert weiterhin hochwertige Anzüge und Hosen.

Würde die Textilproduktion insges als Funktion angesehen, würde keine Funktionsverlagerung vorliegen, da in D weiterhin produziert wird.

Würde die Produktion von Jeans des Billigpreissegments als Funktion angesehen, läge dagegen eine Funktionsverlagerung vor.

Lösungsansätze:

In der Lit (s vor allem Wolter/Pitzal, IStR 2008, 297) wird unter Hinw auf die Entstehungsgeschichte und die Begr der Rechts-VO davon ausgegangen, dass der Begriff der "Funktion" in § 1 Abs 3 S 9 AStG und § 1 Abs 1 FVerlV keiner stlichen, sondern einer betriebswirtsch Begriffsbildung folgt. Dem ist zuzustimmen. Es stellt sich allerdings die Frage, welche Elemente einen betriebswirtsch Funktionsbegriff ausmachen. Dabei ist auf die Definition der "Funktion" in § 1 Abs 1 FVerlV zurückzugreifen, wonach "Funktion" eine Geschäftstätigkeit ist, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden. Die Verordnung definiert die "Funktion" danach sowohl durch ein sachliches ("gleichartige betriebliche Aufgaben"), als auch durch ein organisatorisches Kriterium ("Zusammenfassung" sowie "bestimmte Stellen oder Abteilungen"). Interessant hieran ist, dass der Verordnungsgeber damit über den Definitionsversuch der Ges-Begr hinausgegangen ist, der eine "Funktion" noch als "organischen Teil" eines Unternehmens definiert hatte und damit allein ein organisatorisches Element enthielt.

 

Tz. 526

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

Mit dieser Definition lassen sich jedoch Grenzfälle nicht eindeutig entscheiden.

Entspr der Definition (s Tz 522) stellen sich folgende Fragen:

a) Wann liegt eine Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben vor?

Hier bereitet es schon Schwierigkeiten zu definieren, was eine betriebliche Aufgabe ist.

Bereits bei der Untersuchung der Produktionsfunktion lassen sich folgende mögliche "Aufgriffspunkte" konträr gegenüberstellen:

Gesamtproduktion oder Sparte
Produktfamilie oder Produktlinie
Modell oder einzelnes Produkt
aktuelle oder zukünftige Produkte.
 

Tz. 527

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

Entspr Eckwerte ergeben sich auch bei der Untersuchung der Vertriebsfunktion:

Gesamtvertrieb oder einzelne Märkte oder Kundensegmente

Auch bei der Untersuchung der dritten wichtigen "Großfunktion"Forschung und Entwicklung ergeben sich solche Zweifelsfragen:

Aktuelle oder zukünftige Produkte
Gesamt-F&E oder Sparte oder Produktlinie oder Modell.

b) Einschl Chancen, Risiken, WG und sonstiger Vorteile?

Während der Begriff des WG in der Praxis unstrittig sein dürfe, ist fraglich, was unter "sonstigen Vorteilen" iSd § 1 Abs 2 S 1 FVerlV zu verstehen ist. Hierunter fallen sowohl sog singuläre oder unternehmerische Geschäftschancen, dh die Möglichkeit, aus einem Geschäft oder einer betrieblichen Funktion zukünftig einen weitgehend konkretisierten Gewinn zu erzielen (so auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008 1945), aber uE auch sämtliche Synergieeffekte aus dem Zusammenwirken der Einzel-WG sowie der regelmäßig auch iRd Funktionsverlagerung erbrachten Dienstleistungen (zB Personalschulung).

 

Tz. 528

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

Aus diesen Merkmalen ergibt sich, dass hinsichtlich einer Funktion regelmäßig auf die Nutzung bzw Überlassung immaterieller WG abzustellen ist. Hieraus kann zumindest abgeleitet werden, dass sich eine Funktion iSd § 1 Abs 1 FVerlV regelmäßig auf die Kernkompetenz eines Unternehmens beziehen kann. Bei Industrieunternehmen wäre damit eine Verlagerung zB der Buchhaltungsfunktion nicht unter § 1 Abs 3 AStG zu subsumieren.

Aus der Gruppenbildung ergibt sich damit zusätzlich, dass es sich um ein Paket handeln muss, dh eine Funktion regelmäßig auch als Zusammenfassung wirtsch zusammengehörender Aufgaben anzusehen ist.

c) Endgültige Übertragung bzw (zeitweise) Überlassung?

Der Gesetzgeber setzt nicht nur Fälle des wirtsch Eigentums gleich, sondern jeglichen Fall der Überlassung ohne näher zu differenzieren.

 

Tz. 529

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

Eine eindeutige Abgrenzung nimmt die Fin-Verw in den Verw-Grds FVerl nicht vor. Sie lehnt ausdrücklich nur das Anlehnen an den Teilbetrieb ab.

Damit ist zB nicht eindeutig, ob bereits eine Produktionslinie oder nur ein Gesamtgeschäftsfeld bei e...

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