Der Rechtsanwalt, der den Mandanten vor Übernahme des Auftrags schuldhaft nicht darauf hinweist, dass sich die für seine Tätigkeit zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, ist dem Mandanten zum Ersatz des hierdurch verursachten Schadens verpflichtet. Gleiches soll auch für Steuerberater gelten. Neben der allgemeinen Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO oder § 4 Abs. 4 StBVV kann sich in Einzelfällen eine von der Rechtsprechung entwickelte "besondere Hinweis- und Informationspflicht" ergeben.

Übersicht über die Rechtsprechung

Die Gemeinsamkeiten der Urteile (EuGH, Urteil v. 12.1.2023, C-395/21; BGH, Urteil v. 2.7.1998, IX ZR 63/97; BGH, Urteil v. 24.5.2007, IX ZR 89/06; OLG München, Urteil v. 2.2.2022, 15 U 2738/21 Rae; LG Stuttgart, Urteil v. 11.7.2016, 27 O 338/15) der letzten Jahre liegen darin, dass die Streitigkeiten auf Grundlage von Honorarvereinbarungen ­entstanden sind. Die Mandanten haben ihre Berater mit verschiedenen Leistungen beauftragt, z. B. die Erstellung einer steuerlichen Selbstanzeige oder der Vertretung in einem Kündigungsschutzprozess.

In den Vergütungsvereinbarungen wurde in den meisten Fällen eine Honorierung auf Basis des Zeitaufwands vereinbart. Es wurden auch in einigen Fällen Pauschalhonorare vereinbart, die sich am Wert der Dienstleistung orientierten und zusätzliche Leistungen abdecken sollten. Häufig wurde neben den Stundensätzen eine Art Auffangklausel aufgenommen, die ein Vielfaches der gesetzlichen Gebühren vorsah.

In allen Urteilen kam es zu Auseinandersetzungen über die Höhe der Vergütung und die Art der Abrechnung. Die Gerichte mussten entscheiden, ob die von den Rechtsanwälten gestellten Rechnungen gerechtfertigt waren und ob die Honorarvereinbarungen den gesetzlichen Anforderungen entsprachen.

Insgesamt zeigen die Urteile, dass Honorarvereinbarungen häufig Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen sind, und dass Richter darauf achten, dass die Interessen der Mandanten angemessen geschützt werden.

BGH: Allgemeine Hinweispflicht des Rechtsanwalts nach § 49b Abs. 5 BRAO

Der BGH (Urteil v. 24.5.2007, IX ZR 89/06.) führt allgemein zur Schadensersatzpflicht aus:

"Die vorvertragliche Pflicht, den zukünftigen Mandanten (…) zu belehren, dient (…) in erster Linie dem Schutz des Mandanten. Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht führt deshalb gem. § 280 Abs. 1 BGB zur Schadensersatzpflicht des Rechtsanwalts (…)."

Weiter wird dazu ausgeführt:

"Der Umstand, dass es sich bei der Hinweispflicht rechtssystematisch um ein Gebot handelt, das die allgemeinen Berufspflichten (…) konkretisiert (…), schließt die Schadensersatzpflicht nicht aus. Auch die Verletzung von Berufspflichten begründet Schadensersatzansprüche des Mandanten, wenn sie seinem Schutz dienen. (…). Denn Zweck dieser Pflicht ist es, dem Mandanten vor Auftrags­erteilung Gelegenheit zu geben, sich über hierfür anfallende Kosten zu informieren (…) und nach seinem Interesse den Auftrag zu beschränken, von ihm abzusehen oder eine Gebührenvereinbarung anzustreben."

Der BGH stellt in seinem Urteil auf die allgemeine Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO ab. Denn in der Entscheidung hatte der Rechtsanwalt es versäumt, den erforderlichen Hinweis zu erteilen.

 
Hinweis

Hinweispflicht ernst nehmen

Vor diesem Hintergrund erscheint es für die Praxis zwingend, auch die Hinweispflicht nach § 4 Abs. 4 StBVV ernst zu nehmen und diesen Hinweis zu dokumentieren.

Instanzgerichte: "besondere Hinweis- und Informationspflicht" nach § 242 BGB

Das OLG München (Urteil v. 2.2.2022, 15 U 2738/21 Rae) greift die Argumentation des BGH auf und geht auf eine besondere Fallgestaltung ein. In dem Fall wurde ein Mandant vor dem Arbeitsgericht vertreten. Der Rechtsanwalt forderte sein Honorar auf Grundlage einer Honorarvereinbarung nach Stundensätzen, die jedoch eine Auffangklausel nach RVG vorsah. Später verrechnete er ein Pauschalhonorar mit der geleisteten Abfindung. Das OLG führt zu dieser Konstellation aus:

"Ungefragt schuldet der Rechtsanwalt (…) seinem Auftraggeber grundsätzlich keinen solchen Hinweis auf die bisher entstandenen oder noch zu entstehenden Gebühren. Nur auf Verlangen des Auftraggebers hat der Rechtsanwalt die voraussichtliche Höhe seines Entgeltes mitzuteilen (BGH, NJW 1998, 3486, 3487). Allerdings kann sich aus besonderen Umständen des Einzelfalles nach Treu und Glauben (…) eine Pflicht des Rechtsanwalts ergeben, auch ohne Frage des Auftraggebers diesen über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung zu belehren. (…)."

 
Hinweis

Abgeleitete Pflicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben

In besonderen Fällen leitet die Rechtsprechung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Pflicht ab, auch ungefragt den Mandanten über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung zu informieren.

Dogmatische Herleitung der "besonderen Hinweis- und Informationspflicht"

Die Treuwidrigkeit kann auf der Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht (Verletzung einer Informationspflicht oder -obliegenheit) beruhen (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 241 Ab...

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