Frage:

Bei mir ist eine Frage aufgetaucht im Zusammenhang mit der Ausübung handelsrechtlicher Wahlrechte und der Vergütung der Jahresabschlusserstellung. Konkret geht es um das Mandat eines Bauunternehmens und dabei um den nach § 268 Abs. 5 Satz 2 HGB möglichen aktivischen Ausweis der für "in Ausführung befindlichen Bauaufträge" erhaltenen und von diesen offen abzusetzenden "erhaltenen Anzahlungen". Dies ist ein faktisches Wahlrecht, das eine nicht unerhebliche Wirkung auf das Honorar haben kann.

Im konkreten Fall beläuft sich die ohne den akti­vischen Ausweis ergebende Bilanzsumme auf 4,4 Mio. EUR, die betriebliche Jahresleistung auf 4,0 Mio. EUR, was einen Gegenstandwert für den Jahresabschluss von 4,2 Mio. EUR (bei Mittelgebühr 25/10 = 5.222,50 EUR Honorar) bedeuten würde. Mit aktivischem Ausweis ergibt sich eine Bilanzsumme von 1,4 Mio. EUR und damit ein Gegenstandswert von 2,7 Mio. EUR (bei Mittelgebühr 25/10 = 4.237,50 EUR Honorar) – also rund 1.000 EUR Honorar weniger.

Ist es richtig, dass ich durch die Empfehlung an den Mandanten, das Wahlrecht auszuüben, erheblich an Gebühren verliere?

Antwort:

Steuerberater haben in erster Linie die Interessen ihrer Mandanten im Blick zu haben, u. a. damit diese ihr steuerliches Gestaltungspotenzial kennen und ausschöpfen können. Die Auswirkungen auf den eigenen (gesetzlichen) Honoraranspruch sind dabei nicht maßgeblich. Gleichwohl sind selbstverständlich auch Steuerberatungskanzleien Unternehmen und haben Gebühreninteressen, sodass Ihre Frage interessant ist.

Der Gegenstandswert für den Jahresabschluss nach § 35 Abs. 2 Nr. 1 StBVV ist das Mittel zwischen der berichtigten Bilanzsumme und der betrieblichen Jahresleistung. Die genannte Wahlrechtsausübung führt zu einem Aktivierungsgebot und den beschriebenen Auswirkungen bei der Bilanzsumme und beim Gegenstandswert. Es handelt sich um ein in der Praxis nicht selten vorkommendes Phänomen, insbesondere in der Baubranche bzw. überall dort, wo mit Anzahlungen gearbeitet wird. Das Ergebnis für das Honorar des Steuerberaters kann dabei als unbillig empfunden werden, da Steuerberater, die Mandanten optimal zur Nutzung von Wahlrechten beraten, wirtschaftlich schlechter gestellt würden als Steuerberater, die ihre Mandanten nicht auf das Wahlrecht hinweisen und dafür sogar mit einem ­höheren Gegenstandswert "belohnt" würden.

Als Praktikerlösung hat sich deshalb z. T. etabliert, dass die Anzahlungen bei der Bilanzsumme für Zwecke des Gegenstandswerts wieder hinzugerechnet werden. Diese Praktikerlösung findet allerdings keine Stütze in der StBVV. Vielmehr sieht § 35 Abs. 2 Satz 2 StBVV ausdrücklich nur die Hinzu- und Abrechnung bestimmter Positionen zur Berichtigung der Bilanzsumme vor. Die Wieder-Hinzurechnung lässt sich wohl auch nicht aus dem Rechtsgedanken des § 242 BGB ("Treu und Glauben") ableiten, da nicht jede Ungerechtigkeit gegen Treu und Glauben verstößt.

Eine Begründung könnte sich aus § 64 StBerG ergeben, der die Grundlage für die StBVV bildet und vorsieht, dass sich die Höhe der Gebühren im Rahmen der Angemessenheit nach Zeitaufwand, Wert des Objekts und Art der Aufgabe zu richten hat. Im genannten Beispiel ist Art der Aufgabe identisch, der "eigentliche" Wert des Objekts auch (das Bilanzierungswahlrecht spielt sich auf dem Papier ab, das Unternehmen ist nicht mehr oder weniger wert) und der Zeitaufwand bei Ausübung und Beratung zum Wahlrecht ist im Zweifel sogar höher, jedenfalls aber nicht geringer. Deshalb, so der denkbare Begründungsansatz, sollten am Ende mindestens identische Vergütungen entstehen, was nur erreicht wird, wenn die für die Bilanzsumme herausgerechneten Anzahlungen für den Gegenstandswert wieder hinzugerechnet werden. Wirklich überzeugend ist dies allerdings nicht, da § 64 StBerG in erster Linie die Ermessensausübung des Steuerberaters betrifft und nicht die Bemessung von Gegenstandswerten. Zur Abwehr eines Rückforderungsanspruchs des Mandanten könnte man aber versuchen, so zu argumentieren.

Als rechtssichere Lösung für den beschriebenen Fall ist eine Vergütungsvereinbarung i. S. v. § 4 StBVV zu empfehlen. Diese könnte zur Berücksichtigung der Gebühreninteressen des Steuerberaters wie folgt lauten: "Führt die Ausübung eines handelsrechtlichen Wahlrechts zu einer Minderung der Bilanzsumme, wirkt sich dies nicht auf den Gegenstandswert aus. Vielmehr gilt in diesen Fällen als berichtigte Bilanzsumme i. S. v. § 35 Abs. 2 StBVV diejenige vor Ausübung des Wahlrechts."

Falls die Vereinbarung im Gebühreninteresse des Mandanten auch für Fälle der Erhöhung der Bilanzsumme, die durch Wahlrechtsausübungen entstehen können, gelten soll, wäre die vorstehende Formulierung um "… zu einer Minderung oder Erhöhung der Bilanzsumme, …" zu ergänzen. Dann würde die handelsrechtliche Wahlrechtsausübung weder zu einem geringeren noch zu einem höheren Gegenstandswert führen. Die Ausübung des Wahlrechts wäre dann beim Honorar ausschließlich über den Ansatz eines angemessenen Zehntelsatzes zu berücksichtigen.

Autor: Simon Beyme, StB...

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