Frage:

In Honorargestaltung 2/2020 wurde darüber berichtet, dass dem privatrechtlich bzw. öffentlich-rechtlich auf Antrag bestellten Praxisvertreter eine angemessene bzw. die übliche Vergütung zusteht. Sie hatten in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass der Begriff der ­angemessenen Vergütung ein – der gerichtlichen Überprüfung unterliegender – unbestimmter Rechtsbegriff sei. Des Weiteren hatten Sie darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des VG Gelsenkirchen (Beschluss v. 7.11.2017, 7 K 138/16, DStR 2018, S. 47) sowohl den Steuerberaterkammern (Festsetzungsbehörden) als auch den Berufsträgern, die als Praxisvertreter tätig sind, einen verlässlich zu kalkulierenden Rahmen für die Berechnung einer angemessenen Vergütung vorgebe.

Ich habe von einem Kollegen gehört, dass der BGH im Jahr 2023 eine Entscheidung zur Angemessenheit der Vergütung einer von der Rechtsanwaltskammer festzusetzenden Vergütung für den von Amts wegen bestellten Vertreter einer Rechtsanwaltskanzlei getroffen hat. Was hat der BGH genau entschieden und sind die Grundsätze der Entscheidung auch auf das Steuer­beratungsrecht anwendbar?

Antwort:

Ja, es ist richtig, dass der BGH (Beschluss v. 22.5.2023, AnwZ [Brfg] 2/23, NJW 2023, S. 2579) zu der Angemessenheit der Vergütung eines von Amts wegen bestellten Praxisvertreters entschieden hat. Dabei ging es um Folgendes:

Berufsverbot machte Praxisvertretung erforderlich

Gegen den Kläger war mit Beschluss des Anwaltsgerichts v. 11.12.2017 ein vorläufiges Berufsverbot angeordnet worden. Noch am selben Tag wurde er durch die zuständige Rechtsanwaltskammer (RAK) aus dem Beruf ausgeschlossen. Am 19.3.2018 war das Berufsverbot durch den Brandenburgischen Anwaltsgerichtshof (AGH) aufgehoben worden.

Für die Praxis des Klägers war durch die RAK am 12.12.2017 eine Rechtsanwältin mit der Zusatzqualifikation der Fachanwältin für Sozialrecht als Praxisvertreterin bestellt worden. Diese war in einer Rechtsanwaltskanzlei als Angestellte tätig. Die Praxisvertreterin wurde vom 13.12.2017 bis zum 20.3.2018 als Vertreterin des Klägers tätig.

Die beklagte RAK hatte auf Antrag der Praxisvertreterin deren Vergütung u. a. für die Zeit vom 21.2.2018 bis 20.3.2018 auf 17.976,25 EUR zzgl. 3.415,49 EUR USt festgesetzt. Der vom Kläger angerufene AGH hob den Bescheid der Beklagten teilweise auf und reduzierte die Vertretervergütung auf 16.968,15 EUR zzgl. 19 % USt, also 20.192,10 EUR (AGH Brandenburg, Urteil v. 15.12.2022, AGH I 1/19).

Der AGH führte aus, dass zum einen für die Bemessung der Vergütung der Praxisvertreterin das monatliche Gehalt nach der Entgeltgruppe E 13 des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst der Länder, Tarifgebiet Ost, maßgeblich sei (3.821,96 EUR). Zum anderen müsse angesichts der Qualifikation der Praxisvertreterin als Fachanwältin für Sozialrecht eine Erhöhung dieser Vergütung um 80 % erfolgen. Die von der RAK angesetzte Erhöhung um 100 % wies der AGH hingegen zurück, da die Rechtsanwältin ihre Tätigkeiten zum Teil auf nicht als Fachanwälte für Sozialrecht qualifizierte Kollegen delegiert hatte. Die weitere wegen des Umfangs und der Schwierigkeit der Vertretung von der RAK angesetzte Erhöhung der Vergütung um 80 % hielt der AGH für zutreffend.

Dazu addierte der AGH allerdings noch einen Kanzleikostenanteil von 4.585 EUR. Zusammengefasst begründete er dies damit, dass auch ein angestellter Rechtsanwalt die anteiligen Kanzleikosten seines Arbeitgebers mit erwirtschaften müsse.

Entscheidung des BGH

Der BGH korrigierte die angemessene Vergütung für die Praxisvertreterin für die Zeit vom 21.2.2018 bis 20.3.2018 auf 12.383,15 EUR zzgl. 19 % USt, insgesamt also 14.735,95 EUR, nach unten.

Der BGH bestätigte seine bisherige Rechtsprechung, dass der Begriff der angemessenen Vergütung i. S. v. § 53 Abs. 10 Satz 4 und 5 BRAO a. F. ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, welcher der gerichtlichen Nachprüfung unterliege (BGH, Urteil v. 28.5.2021, AnwZ [Brfg] 52/19, BRAK-Mitt. 2021, S. 328).

Für ihre Festsetzung seien im Wesentlichen der Zeitaufwand, den der Vertreter für die Bewältigung seiner Aufgabe benötige, seine berufliche Erfahrung und Stellung sowie die Schwierigkeit und Dauer der Vertretung von Bedeutung. Anhaltspunkt für die Bemessung einer – vorliegend vom AGH ermittelten – monatlichen Pauschalvergütung sei das Gehalt, das für einen Angestellten oder sog. freien Mitarbeiter in einer Anwaltspraxis gezahlt werde. Dabei seien regionale Unterschiede zu berücksichtigen.

Soweit der AGH als Ausgangspunkt seiner Berechnung ein an der Entgeltgruppe E 13 des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst der Länder für das Tarifgebiet Ost orientiertes monatliches Gehalt von 3.821,96 EUR gewählt habe, entspreche dies der Rechtsprechung des BGH.

Zu Recht habe der AGH die festzusetzende Vergütung in Anbetracht der Qualifikation der zum Verfahren Beigeladenen als Fachanwältin für Sozialrecht erhöht. Soweit der Kläger vortrage, auf spezielle Kenntnisse im Sozialrecht sei es in den bearbeiteten Fällen nicht angekommen, übersehe er, dass ein...

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