Widerruf der Rechtsanwaltszulassung bei hoher Schuldenlast

Übermäßige Schulden eines Rechtsanwalts können zum Widerruf der Zulassung führen. Eine spätere Tilgung der Schulden beseitigt die Zulassungsentscheidung nicht, sondern eröffnet lediglich die Möglichkeit, die Zulassung erneut zu beantragen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einer Entscheidung mit den Voraussetzungen des Entzugs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft im Fall einer hohen Schuldenbelastung des Anwalts befasst und grundsätzlich entschieden, dass der Entzug der Zulassung im Falle einer übermäßigen Schuldenbelastung des Rechtsanwalts durch die Anwaltskammer rechtmäßig ist.

Zulassungswiderruf wegen übermäßiger Schulden

Im konkreten Fall hatte die Rechtsanwaltskammer (RAK) Hamburg einem Rechtsanwalt wegen übermäßiger Schulden die Zulassung entzogen. Der Anwaltsgerichtshof (AGH) bestätigte die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung. Die Beschwerde des Rechtsanwalts gegen die Nichtzulassung der Berufung hat der BGH zurückgewiesen.

Gesetzlicher Widerrufsgrund: Vermögensverfall

Anlass für den Widerruf der Zulassung zur Anwaltschaft war eine ganze Reihe von Eintragungen des Rechtsanwalts im Schuldenverzeichnis. Die Kammer widerrief darauf die Zulassung zur Anwaltschaft auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Nach dieser Vorschrift ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist. Nach der Rechtsprechung des BGH wird ein Vermögensverfall bei Eintragung des Anwalts in das beim Vollstreckungsgericht gemäß § 882b ZPO zu führende Schuldenverzeichnis vermutet. Vom Gesetz zugelassene Ausnahme: Die Interessen der Rechtsuchenden sind durch den Vermögensverfall konkret nicht gefährdet.

Schuldentilgung nicht bewiesen

Der gegen die Zulassungsentscheidung erhobene Widerspruch des Rechtsanwalts hatte ebenso wenig Erfolg wie die gegen den Widerruf gerichtete Klage vor dem AGH. Der Anwalt behauptete zwar, seine Schulden seien inzwischen getilgt, konnte diese Behauptung vor dem AGH aber nicht beweisen.

Antrag auf Zulassung der Berufung ohne Erfolg

Auch mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des AGH drang der Rechtsanwalt nicht durch. Dem Umstand, dass der Anwalt einen Großteil seiner Schulden im Laufe des gerichtlichen Verfahrens möglicherweise tatsächlich getilgt hatte, maß der BGH keine Bedeutung zu. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit des Entzugs der Zulassung sei der Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung der Anwaltskammer (BGH, Beschluss v. 11.12.2019, AnwZ (Brfg) 50/19). Zu diesem Zeitpunkt habe der Anwalt die von ihm behauptete Schuldentilgung aber nicht beweisen können. Danach eintretende Umstände hätten für die Entscheidung keine Bedeutung.

Anwalt muss geordnete Vermögensverhältnisse nachweisen

Der BGH wies darauf hin, dass ein Rechtsanwalt, der in das gemäß §  882b ZPO geführte Schuldenverzeichnis eingetragen ist, zur Widerlegung der daraus resultierenden Vermutung des Vermögensverfalls ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (BGH, Beschluss v. 30.5.2022, AnwZ (Brfg) 6/22). Dieser Darlegungslast habe der Beschwerdeführer nicht annähernd entsprochen.

Beschwerdeführer befürchtet Gefährdung von Mandanteninteressen durch Widerruf

Vor dem BGH argumentierte der Anwalt, die Interessen der von ihm vertretenen Mandanten seien infolge des Widerrufs einer Zulassung erheblich gefährdet, während umgekehrt die Interessen seiner Mandantschaft durch vorübergehende finanzielle Probleme nicht ernsthaft gefährdet gewesen seien. Schon im Interesse seiner Mandantschaft sei die Beseitigung des Widerrufs daher dringend geboten.

Entwicklung nach Widerspruchsentscheidung ist unerheblich

Auch diese Argumente überzeugen den BGH nicht. Zum Beleg seiner Argumentation habe der Anwalt Umstände angeführt, die im Wesentlichen erst nach der Entscheidung über den Widerspruch eingetreten seien. Auch hier gelte, dass entscheidungserheblich allein diejenigen Umstände sind, die bis zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung vom Beschwerdeführer vorgetragen worden sind.

Berufsfreiheit nicht unverhältnismäßig verletzt

Auch ist der Beschwerdeführer nach Auffassung des BGH durch den Entzug der Zulassung nicht in unangemessener Weise in seiner verfassungsrechtlich gemäß Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit beschränkt worden. Lägen die Voraussetzungen für den Widerruf einer Zulassung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vor, so sei die Einschränkung der Berufsfreiheit des betroffenen Anwalts wegen der Schutzbedürftigkeit der höherrangigen Rechte der Rechtsuchenden auf eine angemessene anwaltliche Vertretung und auf den Schutz der vom Anwalt eingezogenen Fremdgelder vor dem möglichen Zugriff seiner Gläubiger regelmäßig gerechtfertigt. Der Widerruf der Zulassung sei in diesen Fällen angemessen und verhältnismäßig.

Widerruf der Zulassung setzt kein kriminelles Verhalten voraus

Der BGH stellte auch klar, dass entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ein Entzug der Zulassung nicht nur bei kriminellen Verhaltensweisen des betroffenen Anwalts zulässig sei. Die Interessen der Rechtsuchenden könnten völlig unabhängig von einem kriminellen Verhalten des Rechtsanwalts allein durch dessen ungeordnete Vermögensverhältnisse gefährdet sein (Zugriff von Gläubigern auf Fremdgelder) und einen Widerruf der Zulassung rechtfertigen.

Anwalt kann jederzeit Wiederzulassung beantragen

Mit dieser Begründung wies der BGH den Antrag des Anwalts auf Zulassung der Berufung gegen die Entscheidung des AGH zurück. Der Senat wies den Beschwerdeführer ausdrücklich darauf hin, dass es ihm für den Fall geordneter Vermögensverhältnisse jederzeit freistehe, seine Wiederzulassung zu beantragen (BGH, Beschluss v. 29.6.2011, AnwZ (Brfg) 77/13). Dies habe er im Hinblick auf die von ihm behauptete Gefährdung der Interessen seiner Mandanten infolge des Widerrufs auch längst tun können. Gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 BRAO i.V.m. § 51 Abs. 1 VwVfG sei die Rechtsanwaltskammer verpflichtet über den Antrag auf Wiederzulassung innerhalb von 3 Monaten – bei einmaliger Verlängerungsmöglichkeit – zu entscheiden.

(BGH, Beschluss v. 20.12.2022, AnwZ (Brfg) 22/22)