Erhöhtes Anwaltshonorar für aufwändige Kanzleiabwicklung
In einer erst kürzlich bekannt gewordenen Entscheidung hat der BGH sich ausführlich mit den Grundsätzen der Vergütung eines mit der Abwicklung einer Anwaltskanzlei befassten Rechtsanwalts auseinandergesetzt.
Rechtsanwalt zum Kanzleiabwickler bestellt
Der Kläger des zugrundeliegenden Verfahrens wurde als Rechtsanwalt durch Verfügung der RAK Bamberg gemäß § 55 BRAO zum Abwickler der Kanzlei eines im März 2019 überraschend verstorbenen Rechtsanwaltskollegen bestimmt. Die Abwicklung nahm insgesamt ein Jahr in Anspruch. Eine Einigung über die Höhe der Vergütung mit dem Erben und dem eingesetzten Insolvenzverwalter über den Nachlass des verstorbenen Rechtsanwalts gelang nicht. Die örtliche RAK setzte daraufhin die Vergütung des Anwalts für die Abwicklung gemäß §§ 55 Abs. 3, 54 Abs. 4 BRAO auf 30.000 EUR brutto fest.
Rechtsanwalt klagte gegen Vergütungsfestsetzung der RAK
Diese Vergütungshöhe war dem zum Abwickler bestellten Anwalt zu niedrig. Er klagte vor dem Anwaltsgerichtshof (AGH). Dieser setzte daraufhin die Vergütung auf 151.475,10 EUR fest. Gegen das Urteil des AGH reichte die RAK - die für die Vergütung ähnlich einem Bürgen haftet - einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim BGH ein.
In einem ausführlich begründeten Beschluss hat der BGH den Antrag auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen.
Vergütungsfestsetzung durch AGH nicht zu beanstanden
Der BGH bewertete die seitens des AGH festgesetzte Vergütung als angemessen. Zu berücksichtigen sei, dass in der Kanzlei des Abwicklers eine Fachanwältin über einen Zeitraum von 12 Monaten mit der Abwicklung befasst gewesen sei. Der Abwickler selbst habe nach eigener Aufstellung 300 Zeitstunden investiert.
Ungeordnete Kanzleistruktur plausibel dargelegt
Die seitens des Klägers aufgelisteten Zeitstunden bewertete der BGH als plausibel. Der Anwalt habe nachvollziehbar dargelegt, dass die abzuwickelnde Kanzlei chaotisch organisiert gewesen sei und keine geordnete Kanzleistruktur aufgewiesen habe. Der verstorbene Anwalt habe häufig Fremdgelder nicht auf einem Anderkonto verwahrt und diese auch nicht unverzüglich an die Berechtigten weitergeleitet, sondern für den Kanzleibetrieb oder für private Ausgaben verwendet. Er habe seinen Mandanten teilweise überhöhte Vorschüsse in Rechnung gestellt und andererseits befreundeten Mandanten gar keine Rechnungen ausgestellt.
10 Minuten Bearbeitungszeit pro Akte sind viel zu wenig
Der Senat hielt vor diesem Hintergrund die Zeitangabe des Anwalts im Hinblick auf eine Bearbeitungsdauer von 1 Stunde und 45 Minuten pro Akte angesichts der unstrukturiert geführten Akten für plausibel, während er die von der RAK angesetzte durchschnittliche Bearbeitungsdauer von nur 10 Minuten pro Akte als völlig unrealistisch bewertete.
Grundsatz der Pauschalvergütung
Der BGH legte Wert auf die Feststellung, dass die Festsetzung der Vergütung des Abwicklers grundsätzlich nach Pauschalen zu erfolgen habe. Der AGH habe sich an dem Durchschnittsgehalt eines angestellten Rechtsanwalts in den westlichen Bundesländern orientiert und orientieren dürfen. Zwar seien nach der Rechtsprechung des BGH auch regionale Unterschiede in den einzelnen Bezirken zu berücksichtigen, dies allerdings nur, wenn entsprechendes Datenmaterial zur Verfügung stünde. Dieses hätte dann aber die RAK vorlegen müssen. Aufwändige eigene Erhebungen müsse der AGH bei Festsetzung der Vergütung nicht anstellen (BGH, Beschluss v. 28.5.2021, AnwZ 52/19).
Durchschnittsgehalt eines angestellten Vollzeitanwalts als Maßstab
Nach Auffassung des Senats ist auch die vom AGH der Vergütung zu Grunde gelegte „STAR-Statistik“ nicht zu beanstanden. Diese weise für angestellte Vollzeitanwälte in westlichen Bundesländern ein durchschnittliches Jahresgehalt von 78.000 EUR aus.
Die RAK habe nicht nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen dieser Maßstab im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommen sollte.
Wechselnder Arbeitsanfall ist plausibel
Den BGH überzeugte auch das Argument der RAK nicht, dass sich erfahrungsgemäß mit zunehmendem Zeitablauf der Abwicklertätigkeit der Zeitaufwand erheblich reduziere. Die Stundenlisten des Anwalts zeigten, dass es über die gesamte Abwicklertätigkeit Monate mit stark erhöhtem Arbeitsanfall und andere Monate mit deutlich reduziertem Arbeitsunfall gegeben habe. Diesem wechselnden Verlauf werde die Zuerkennung von Vergütungspauschalen aber gerecht, da die Pauschalen unter anderem dazu dienten, unterschiedliche Arbeitsbelastungen auszugleichen. Für die gegenteilige Ansicht habe die RAK keine nachvollziehbaren Gründe dargelegt.
Die vom AGH festgesetzte Vergütung war angemessen
Im Ergebnis bewertete der BGH die seitens des AGH gemäß §§ 55 Abs. 3, 54 Abs. 4 BRAO zuerkannte Vergütung in Höhe von insgesamt 151.475,10 EUR auf der Grundlage
- eines durchschnittlichen jährlichen Anwaltseinkommens von 78.000 Euro,
- eines Aufschlags in Höhe von 50 % wegen des erforderlichen Mehraufwands infolge der unstrukturierten Aktenführung
- sowie unter Berücksichtigung der von dem Anwalt in eigener Person geleisteten Arbeit
als angemessen.
Antrag auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen
Den Antrag auf Zulassung der Berufung der örtlichen RAK gegen die vom AGH festgesetzte Abwicklervergütung hat der BGH im Hinblick auf nicht feststellbare wesentliche Verfahrens- und Rechtsfehler des AGH-Urteils zurückgewiesen.
(BGH, Beschluss v. 21.12.2022, AnwZ 16/22)
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